Wird 2004 das Geburtsjahr des Österreichischen Behindertengleichstellungsgesetzes?

Wagt man einen Rückblick auf das berüchtigte Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003, so muss man zugestehen, dass es voll mit Aktivitäten für mehr Behindertengleichstellung war.

Viel Zeit ist vergangen
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Es begann bereits im Nationalratswahlkampf im Herbst 2002, als plötzlich alle politischen Parteien das Behindertengleichstellungsgesetz zu ihrem Thema machten und sich klar für die Schaffung eines Behindertengleichstellungsgesetzes aussprachen.

Im Februar 2003 wurde dann die „Bewegung Artikel 7“, eine Plattform von BürgerrechtsaktivistInnen der Österreichischen Behindertenbewegung ins Leben gerufen, die am 19.2.2003 mit dem sogenannten Gleichstellungskonvoi über die Ringstraße zum Bundeskanzleramt am Ballhausplatz als Demonstrationszug für ein Behindertengleichstellungsgesetz und einer diesbezüglichen Arbeitsgruppe im Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst unter Einbindung der ExpertInnen der Behindertenbewegung zog und der damaligen ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat eine Resolution für ein Behindertengleichstellungsgesetz übergab.

Ebenfalls im Februar 2003 entstand das Regierungsprogramm der derzeit amtierenden Bundesregierung, das insbesondere die Schaffung eines Behindertengleichstellungsgesetzes, die Setzung von Maßnahmen zur Barrierefreiheit im Baubereich und öffentlichen Verkehr und im Bereich e-Government als zwischen den Koalitionspartnern paktiertes Ziel enthält.

Am 26.3.2003 wurde im Parlament von allen Parlamentsfraktionen ein Entschließungsantrag für die Einsetzung einer Arbeitsgruppe im Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst zur Erarbeitung eines Behindertengleichstellungsgesetzes, in der auch die ExpertInnen der Behindertenbewegung vertreten sein sollten, eingebracht. Diese Entschließung wurde gemeinsam mit dem Bericht des Verfassungsausschusses vom Nationalrat am 9.7.2003 einstimmig angenommen.

Anfang Mai wurde vom Wirtschafts- und Arbeitsministerium ein erster Diskussionsentwurf für eine gesetzliche Umsetzung der EU-Gleichbehandlungsrichtlinie in Beschäftigung und Beruf – 2000/78/EG – vorgelegt. Darin waren die Forderungen der Menschen mit Behinderungen völlig unzureichend berücksichtigt. Aufgrund der Proteste wurden die Menschen mit Behinderungen aus dem Gesetzesentwurf einfach herausgenommen und interministeriell vereinbart, dass nun das Sozialministerium einen Gesetzesvorschlag ausarbeiten solle. Die frist für die gesetzliche Umsetzung dieser EU-Richtlinie ist am 2. Dezember 2003 abgelaufen und bislang liegt kein Gesetzesentwurf für die Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen in Beschäftigung und Beruf vor.

Im Mai 2003 wurde vom damaligen Vizekanzler Mag. Herbert Haupt erstmals die Arbeitsgruppe der Bundesregierung zur Erarbeitung eines Behindertengleichstellungsgesetzes einberufen. Die Arbeitsgruppe und ihre zwei Unterarbeitsgruppen tagten in weiterer Folge am 10. Juni sowie am 1., 2. und 24. Oktober.

Im Juni 2003 übermittelte das Forum Gleichstellung der Arbeitsgruppe der Bundesregierung den ersten Teil eines Entwurfes für ein Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, dem weitere Teile folgten. Dieser Entwurf wurde dann zum Arbeitsentwurf für die Arbeitsgruppe der Bundesregierung.

Am 1. Juli 2003 veranstaltete der Klub der Grünen eine parlamentarische Enquete zum Thema „Leben ohne Barrieren – Gleichstellung als Menschenrecht“, bei der ExpertInnen der Behindertengleichstellungsbewegung aus dem In- und Ausland referierten.

Im September 2003 wurde der erste wissenschaftliche Artikel zum Benachteiligungsverbot und dem Staatsziel der Gleichbehandlung behinderter Menschen in Art. 7 der Bundesverfassung von Univ.-Prof. Ulrike Davy im Buch „Norm und Normvorstellung“ veröffentlicht, der interessante Aspekte beleuchtet. Im November 2003 folgte dann eine weitere Abhandlung zum Thema Diskriminierungsschutz von Mag. Michael Krispl in dem Buch „Alltag mit Behinderung – Ein Wegweiser für alle Lebensbereiche“.

In der Sitzung der Arbeitsgruppe der Bundesregierung für ein Behindertengleichstellungsgesetz am 24. Oktober 2003 gab das Sozialministerium bekannt, unter Berücksichtigung des vom Forum Gleichstellung vorgelegten Gesetzesentwurfes nun einen offiziellen Ministeriumsentwurf eines Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes erarbeiten und anschließend in Vorbegutachtung schicken zu wollen.

Am 26. November 2003 veranstaltete die Caritas Wien gemeinsam mit den Vereinen BIZEPS und Blickkontakt die Enquete „Barrieren behindern Leben – Auf dem Weg zu einem Behindertengleichstellungsgesetz“ in deren Rahmen auch einstimmig eine Resolution an die Politik für ein Österreichisches Behindertengleichstellungsgesetz von den mehr als 100 TeilnehmerInnen beschlossen wurde.

Am 15. Dezember 2003 präsentierten die BehindertenvertreterInnen vor den Mitgliedern des Österreich-Konvents die Anforderungen der Behindertenbewegung an eine vom Konvent auszuarbeitende neue Bundesverfassung, die den Grundsätzen der Transparenz, Demokratisierung und Bürgernähe entsprechen soll. Dabei stand die Forderung der Behindertenbewegung nach einer klaren Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz für den Themenbereich der Behindertengleichstellung im Mittelpunkt, die einen österreichweit einheitlich hohen Standard der Behindertengleichstellung gewährleisten soll.

Nun stehen wir an der Schwelle zum Jahr 2004 und warten mit Spannung auf den seitens des Herrn Sozialministers bereits mehrfach angekündigten Entwurf des Sozialministeriums für ein Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, der dann in Vorbegutachtung gehen soll. Eines ist jedoch jetzt schon gewiss: Mit diesem offiziellen Gesetzesentwurf sind wir nicht in der Zielgeraden, sondern am Beginn einer Phase harter und wahrscheinlich zäher Verhandlungen mit dem Bund, den Ländern, den Sozialpartnern etc. Dennoch ist Optimismus angesagt, dass wir es schaffen könnten, ein schlagkräftiges Behindertengleichstellungsgesetz für Österreich noch im Jahr 2004 auszuverhandeln und es scheint auch realistisch, dass ein solches Behindertengleichstellungsgesetz auch noch im Jahr 2004 vom Nationalrat beschlossen werden könnte. Dabei gilt jedoch stets der Grundsatz: Besser etwas länger verhandelt und ein schlagkräftiges Gesetz mit behördlich durchsetzbaren Rechtsansprüchen auf Behindertengleichstellung erzielt zu haben, als im Eilzugstempo mit einem Alibigesetz ohne Zähne abgespeist worden zu sein.

In diesem Sinne heißt es für das Jahr 2004 die Ärmel hoch zu krämpeln, denn im Jahr 2004 geht es sprichwörtlich um die Wurscht in Sachen Behindertengleichstellungsgesetz.

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