Österreich zählt zu jenen wenigen europäischen Ländern, welche die Gebärdensprache noch immer nicht anerkannt haben. Wird das so bleiben?
Die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache ist fällig – überfällig wie viele Behindertenorganisationen vehement feststellen.
„Wir werden vor allem aufgrund mangelnder Information und mangelnder Sprachangebote behindert und diskriminiert. Ohne Anerkennung unserer Sprache gibt es keine gleichen Rechte für uns“, erläutert die Präsidenten des Österreichischen Gehörlosenbundes, Mag. Helene Jarmer und führt fort: „Der Wunsch nach Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache ist schon derart alt – aber wir werden immer wieder vertröstet und abgewiesen! Egal, wie lange es dauert: wir werden nie aufgeben. Die Gebärdensprachgemeinschaft hat ihre Sprache immer gebraucht und erhalten – sogar in Zeiten, da uns die Verwendung verboten war. Wir können ohne Österreichischer Gebärdensprache nicht leben. Vielleicht geht irgendwann irgendeinem der hörenden Politiker einmal dieses Licht auf?!“
Im Rahmen der Begutachtung für ein Behindertengleichstellungsgesetz musste mit Entsetzen festgestellt werden, dass der Entwurf – im Gegensatz zum vorherigen Entwurf – keine Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache mehr enthielt.
Behindertenbewegung fordert gemeinsam die Anerkennung
In einer gemeinsamen Stellungnahme haben mehr als 30 Organisationen dazu geschrieben: „Es ist festzuhalten, dass es eine massive Verschlechterung des Gesetzesentwurfes im Vergleich zum Vorbegutachtungsentwurf darstellt, dass die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache sowie die Festlegung von Richtlinien zur konkreten Inanspruchnahme und Finanzierung und die Regelung von Ausbildungsstandards für Gebärdensprachdolmetscher gänzlich aus dem Entwurf herausgenommen wurde. Der bloße Verweis auf eine allfällige Ergänzung des Art. 8 B-VG in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf ist in Anbetracht des Umstandes, dass für eine solche B-VG-Novelle wohl das BKA legistisch zuständig wäre, und in Anbetracht der Vorgeschichte – zahlreiche parlamentarische Anfragen und Anträge in den letzten Jahren, die alle samt bislang erfolglos geblieben sind – klar zu wenig“.
Diese Kritik blieb nicht ohne Wirkung. Die Behindertensprecherinnen und -sprecher Regierungsparteien, Dr. Helene Partik-Pablé (FPÖ) und Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP) brachten – in Kenntnis der drohenden massiven Kritik der Behindertenorganisationen – am 22. September 2004 einen Antrag ein, in dem es heißt: „Die Antragsteller wollen klarstellen, dass diese technische Ausgliederung aus dem Behindertengleichstellungsgesetz nicht bedeutet, dass die Frage der Anerkennung der Gebärdensprache unerledigt bleiben soll“.
Begründet wurde das Streichen aus dem Entwurf des Behindertengleichstellungsgesetzes damit, dass „im Rahmen der Vorbegutachtung wurde aber von mehreren Seiten eingewendet wurde, dass aus rechtssystematischen Gründen eine Regelung im Bundesverfassungsgesetz geschehen sollte“.
Partik-Pablé und Huainigg beantragen weiters: „Der Bundeskanzler wird ersucht, dem Nationalrat einen Entwurf zur Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes zuzuleiten, mit dem die Österreichische Gebärdensprache anerkannt wird.“
Auch die Behindertensprecherin der GRÜNEN, Theresia Haidlmayr brachte einen Antrag auf Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache ein. Sie führte – leicht genervt – aus: „ich habe ihn zum ersten Mal im November 1999 gestellt; dazwischen immer wieder“.
Sie weist darauf hin, dass ÖVP und FPÖ in dieser Frage nicht glaubwürdig sind: „Es wurde uns zuerst versprochen, dass die Gebärdensprache als Teil des Behindertengleichstellungsgesetzes als Recht zustande kommen soll. Jetzt ist aber dieser Punkt aus dem Behindertengleichstellungsgesetz wieder gestrichen worden.“
Sie kritisiert den Antrag von Partik-Pablé und Huainigg massiv: „Es bringt doch nichts, wenn wir jetzt einen Entschließungsantrag verabschieden, sodass ein Vorschlag dann irgendwann einmal und vielleicht von den Regierungsparteien kommt, wenn darin kein Zeithorizont enthalten ist! Dann warten gehörlose Menschen doch auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, bis ihre Sprache anerkannt wird!“
Wer nun glaubt, dass sich Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP) der Sache annimmt, der irrt. Zunächst wurde der Antrag einmal dem Verfassungsausschuss zugewiesen. Partik-Pablé verspricht in diesem Zusammenhang im Parlament: „Ich persönlich werde mich dafür einsetzen, dass möglichst bald – in einer der nächsten oder schon in der nächsten Sitzung des Verfassungsausschusses – dieser Entschließungsantrag, den wir heute eingebracht haben, debattiert wird und zur Abstimmung kommt.“
Doch es kam – einige werden zurecht sagen „nicht überraschend“ – anders. Statt einen Schritt Richtung Anerkennung zu gehen, entschied sich der Verfassungsausschuss am 19. Oktober 2004 die Anträge an einen Unterausschuss weiterzuleiten.
Dieser Unterausschuss des Verfassungsauschusses hat bisher genau zwei Mal getagt. Die erste Sitzung fand am 9. Juli 2003 statt und hat – erraten – die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache zum Thema. Ein Jahr später – am 1. Juli 2004 tagte der Unterausschuss und hielt ein Hearing zur Anerkennung der Gebärdensprache ab. Nun vermeldet die Parlamenthomepage: „In der Sitzung vom 1. Juli 2004 wurde kein neuer Termin vereinbart!“
Doch so neu ist das Spiel nicht. Schon am 13. April 2000 setzte der Verfassungsausschuss einen Unterausschuss ein, damit – erraten – die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache in Ruhe besprochen werden kann. Es war allerdings so ruhig, dass außer der Konstituierung des Ausschusses nichts mehr passiert. Halt doch: Die Parlamentshomepage vermeldete: „In der Sitzung vom 24.05.2000 wurde kein neuer Termin vereinbart!“
Zeit der Ehrlichkeit?
Langsam wäre es an der Zeit ehrlich zu sagen, was ÖVP und FPÖ in dieser Frage wirklich vorhaben. Soll – wie seit 13. April 2000 – auch die nächsten Jahre ein Antrag nach dem anderen geschrieben werden, um sie dann möglichst vielen Ausschüssen zuzuweisen, die wiederum keine inhaltliche Entscheidung treffen, oder werden sie endlich tätig?
Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, dass aus dem Entwurf nicht nur die Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache gestrichen wurde. Auch die dafür notwendigen Rahmenbedingungen wie z. B. Finanzierungsfragen wurden gestrichen. Darüber wird nicht ein Mal mehr diskutiert. Auch das sollte hellhörig machen.