Noch Uneinigkeit über Berufsschulpflicht
Um benachteiligte Jugendliche besser als bisher in die Berufsausbildung zu integrieren – die „Vorlehre“ wurde nur wenig in Anspruch genommen – sprach sich der Wirtschaftsausschuss heute Abend mit den Stimmen der Regierungsparteien für einen Entwurf zur Änderung des Berufsausbildungsgesetzes (109 d.B.) aus.
Benachteiligte Jugendliche werden damit in den Regelungsbereich des Gesetzes einbezogen. Zugleich soll eine Rechtsgrundlage für die Anrechnung ausländischer Ausbildungszeiten auf die Lehrzeit geschaffen und die starke Zersplitterung bei der Organisation und Abwicklung von Prüfungen bei der Berufsausbildung durch Straffung der behördlichen Entscheidungsprozesse überwunden werden. Um darüber hinaus die Begabungen von Lehrlingen für den Spitzensport auszuschöpfen, erhalten junge Menschen die Möglichkeit, ihre Lehrausbildung für Zwecke der Sportausbildung „modulhaft“ zu unterbrechen und die Lehrzeit für diesen Zwecke insgesamt um 18 Monate zu verlängern.
Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung werden außerdem die Ordnungsvorschriften der Lehrberufe gestrafft, die Antrittsvoraussetzungen zur gewerberechtlichen Befähigungsprüfung mit jenen zur Lehrabschlussprüfungen im 2. Bildungsweg harmonisiert und die besonderen Nachtarbeitsuntersuchungen für Jugendliche in die allgemeinen Jugendlichenuntersuchungen integriert.
In der Debatte wurden die grundsätzlichen Intentionen des Gesetzes von allen Fraktionssprechern begrüßt. So sahen die Abgeordneten Franz-Josef Huainigg und Werner Amon (beide ÖVP) darin einen wesentlichen Schritt für die Integration behinderter Jugendlicher, Abgeordnete Mares Rossmann (FPÖ) meinte anerkennend, mit diesem Gesetz werde die Integration nun endlich auf die Berufsausbildung ausgeweitet.
Differenzen zwischen Regierungsparteien und Opposition traten allerdings in der Frage der Berufsschulpflicht zu Tage. Abgeordnete Christine Lapp (SPÖ) bedauerte, behinderte Jugendliche würden nun zwar die Möglichkeit haben, am Arbeitsplatz zu lernen, der Besuch der Berufsschule stehe ihnen aber nach wie vor nicht offen. Das Gesetz schreibe somit die Diskriminierung fort und verlasse den Weg der dualen Ausbildung.
Die Sozialdemokraten forderten in einem Abänderungsantrag eine generelle Berufsschulpflicht auch für die so genannten Teilqualifikationen, konnten sich damit bei der Abstimmung aber nicht durchsetzen.
Auf das Problem der Berufsschulpflicht reagierten die Koalitionsparteien mit einem §-27-Antrag, der nunmehr eine grundsätzliche Berufsschulpflicht für bestimmte mit der Teilqualifizierung in untrennbarem Zusammenhang stehende Ausbildungsinhalte normiert, wenn dies zur Erreichung der festgelegten Ausbildungsziele erforderlich und zweckmäßig ist. Weiters soll durch diese von den Abgeordneten Werner Amon (ÖVP) und Mares Rossmann (FPÖ) eingebrachte Initiative ein Recht auf Berufsschulbesuch verankert werden, wenn der Schulbesuch das Erreichen der Ausbildungsziele fördern kann, aufgrund der persönlichen Lebenssituation des Jugendlichen jedoch eine Verpflichtung zum Schulbesuch zu Schwierigkeiten führen würde.
Abgeordneter Dieter Brosz (GRÜNE) betrachtete das Gesetz ebenfalls als Fortschritt, bemängelte den Antrag der Regierungsparteien aber als zu ungenau. Das Abstellen auf die Zweckmäßigkeit könnte die Intentionen aushöhlen, befürchtete er.
Seitens der Sozialdemokraten setzte man auf weitere Verhandlungen: Der Antrag von ÖVP und FPÖ sei ein Schritt in die richtige Richtung, die Zeit bis zum Plenum sollte noch für einen Konsens genützt werden, meinten die Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek und Franz Riepl.
Bundesminister Martin Bartenstein trat für eine differenzierte Haltung in der Frage der Berufsschulpflicht ein. Junge behinderte Menschen, die mit einer verlängerten Lehrzeit das Ausbildungsziel erreichen sollen, müssten jedenfalls einer Berufsschulpflicht unterliegen. Jene behinderten Jugendlichen, die eine Teilqualifikation erwerben wollen, werden ein Recht auf Berufsschulbesuch erhalten, wenn dies die Ausbildungsziele festlegen, präzisierte er.
Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ angenommen, der Antrag der Regierungsparteien erhielt die Zustimmung von ÖVP, FPÖ und SPÖ. Einstimmigkeit herrschte hingegen über eine Ausschussfeststellung, die von einer Evaluierung des Gesetzes bis 2005 ausgeht.