Integrationsklasse

Vorbemerkung

Bereits mit dem Bundes -Verfassungsgesetz Artikel 7 (Abs. 1) im Jahr 1997 hat sich Österreich dazu verpflichtet, „die Gleichbehandlung von Menschen mit und ohne Behinderung in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.“ Eine weitere wichtige gesetzliche Grundlage ist die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die Österreich im Jahr 2008 ratifiziert und sich mit dieser verpflichtet hat, ein inklusives Bildungssystem einzurichten und umzusetzen.

Vision einer inklusiven Schule

Eine inklusive Schule ist eine offene Schule für alle Schülerinnen und Schüler, die nicht nach unterschiedlichen Schultypen differenziert (Mittelschule, AHS/Gymnasium …), sondern einen guten Bildungsort mit bestmöglicher schulischer Förderung und den dafür erforderlichen Ressourcen und Rahmenbedingungen darstellt. Ziel einer inklusiven Schule ist, die gleichberechtige Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler an sämtlichen Bildungsangeboten zu gewährleisten.

Im Artikel 24 „Bildung“ der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist hierzu nachzulesen:

„Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen […]

(2) Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass

  1. Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden;
  2. Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem inklusiven, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben;
  3. angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden;
  4. Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung geleistet wird, um ihre wirksame Bildung zu erleichtern;
  5. in Übereinstimmung mit dem Ziel der vollständigen Inklusion wirksame individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet, angeboten werden.“

Ist-Situation

Österreich ist von einem inklusiven Bildungssystem noch weit entfernt. Das bestätigen auch aktuelle Ergebnisse wie beispielsweise der Bericht des Rechnungshofes „Inklusiver Unterricht: Was leistet Österreichs Schulsystem“ sowie die „Evaluierung des Nationalen Aktionsplan 2012-2020“ der Universität Wien.

Das österreichische Bildungssystem ist seit der Novellierung der Schulgesetze – auch im Wortlaut – nach dem Integrationskonzept ausgerichtet. Das bedeutet, dass Kinder mit Behinderung einer Regelklasse zugeordnet werden und sich zumeist anpassen müssen. Hier wird häufig von „inklusiven Settings“ gesprochen. Im vorliegenden Beitrag werden bewusst Begriffe wie „Integration“ und „Integrationsklasse“ verwendet, anstatt „Inklusion“ und „Inklusionsklasse.“

In Integrationsklassen werden Kinder mit und ohne Sonderpädagogischem Förderbedarf gemeinsam unterrichtet. Dabei steht auch das soziale Miteinander aller Kinder im Mittelpunkt. Um Anspruch auf einen Platz in einer Integrationsklassen zu haben, muss für die Schülerin und den Schüler mit Behinderung ein Sonderpädagogischer Förderbedarf (SPF) bestehen. Der Antrag auf SPF wird zumeist von den Eltern bzw. Erziehungsberechtigten gestellt, kann aber auch von Amtswegen beantragt werden.

Rechtsanspruch

Die gesetzlichen Grundlagen des gemeinsamen Unterrichts für Kinder mit und ohne Behinderung wurden im Jahr 1993 in der Volksschule (VS), im Jahr 1997 in der Hauptschule (HS) sowie Unterstufe der allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) und im Jahr 2012 in der neunten Pflichtschulstufe – Polytechnischen Schulen (PTS) und einjährige Fachschulen für wirtschaftliche Berufe (FM) verankert.

Somit kann die schulische Bildung von Kindern und Jugendlichen mit SPF auf Wunsch der Eltern bzw. Erziehungsberechtigen in integrativer Form in der allgemeinen Schule oder in einer Sonderschule erfolgen.

Derzeit gibt es keine über die Pflichtschulzeit hinausgehenden Integrationsklassen für Schülerinnen und Schüler mit Behinderung, da die gesetzlichen Grundlagen hierzu fehlen.

Sonderpädagogischer Förderbedarf (SPF)

Gemäß § 8 Abs. 1 Schulpflichtgesetz liegt ein Sonderpädagogischer Förderbedarf dann vor, wenn eine Schülerin oder ein Schüler „… infolge einer Behinderung dem Unterricht in der Volksschule, Mittelschule oder Polytechnischen Schule ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermag. Unter Behinderung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Unterricht zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.“

Im Rundschreiben zum SPF wird festgehalten: „Der sonderpädagogische Förderbedarf muss ausschließlich auf eine festgestellte physische oder psychische Behinderung einer Schülerin bzw. eines Schülers zurückzuführen sein. Das heißt, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Bestimmungsmerkmal ‚dem Unterricht nicht folgen können‘ und dem Vorliegen einer physischen oder psychischen Behinderung gegeben sein muss.“

Bevor ein SPF feststellt wird, müssen alle am Schulstandort möglichen Fördermaßnamen nachweislich ausgeschöpft sein. Es kann jedoch auch ein SPF vor Schuleintritt beantragt werden.

Derzeit haben die Bildungsdirektionen in den jeweiligen Bundesländern die Aufgabe, die Verfahrensabläufe festzulegen (siehe Vergleich Websites der Bildungsdirektionen in den Bundesländern).

Die Eltern bzw. Erziehungsberechtige können eine Beratung durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Pädagogischen Dienstes in der Bildungsregion (Schulqualitätsmanagement bzw. Fachbereich für Inklusion, Diversität und Sonderpädagogik (FIDS)) beanspruchen. Dabei sollen auch Eltern bzw. Erziehungsberechtige über die Zielsetzung und Intention eines SPF sowie alle Möglichkeiten der Förderung an allgemeinen Schulen oder Sonderschulen im Rahmen Sonderpädagogischer Förderung informiert werden (siehe dazu Rundschreiben 7/2019 zum SPF).

Verfahren zum SPF

Es gibt ein Verfahren zum SPF. Der Antrag auf SPF wird bei der Bildungsdirektion des jeweiligen Bundeslandes eingebracht. In der Bildungsdirektion wird mittels eines Verfahrens überprüft, ob ein SPF besteht und die Eltern bzw. Erziehungsberechtigen erhalten einen Bescheid.

Im Verfahren zum SPF können Gutachten wie beispielsweise von der Schulpsychologie oder von Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen eingeholt werden, um zu beurteilen, ob eine Behinderung vorliegt, die eine sonderpädagogische Förderung notwendig macht. Eltern bzw. Erziehungsberechtigte haben ebenso die Möglichkeit medizinische, pädagogische und psychologische Befunde, Berichte und Gutachten.

Unter Bedachtnahme auf die Feststellung des SPF hat die Bildungsdirektion nach dem Schulpflichtgesetz § 8 Abs. 1festzulegen, ob und in welchem Ausmaß die Schülerin und der Schüler nach dem Lehrplan der Sonderschule oder einer anderen Schulart zu unterrichten ist. Weiters kann ein Kind mit SPF nach dem Schulunterrichtsgesetz § 17 Abs. 4 nach dem Lehrplan einer anderen Schulstufe, als der ihrem oder seinem Alter entsprechenden Schulstufe unterrichtet werden. Diese Entscheidung wird in der Schulkonferenz getroffen.

Bei diesen Festlegungen ist die bestmögliche Förderung für die Schülerin und den Schüler anzustreben.

Im Falle von Sinnes- und Körperbehinderung für die es auch eigene Lehrpläne gibt, ist im Rahmen des Verfahrens zum SPF festzulegen, ob ein Kind nach diesen Lehrplan unterrichtet werden soll (siehe Lehrpläne der Sonderschulen).

Die Bildungsdirektion hat auch auszusprechen, welche Schule für den Besuch des Kindes in Betracht kommt.

Gemäß Schulpflichtgesetz § 8 Abs. 3 ist die Feststellung des SPF aufzuheben, sobald ein Kind dem Lehrplan der betreffenden allgemeinen Schule, die es besucht, ohne sonderpädagogischer Förderung zu folgen vermag.

Bei Schülerinnen und Schülern mit einer Körper- oder Sinnesbehinderung ist mit Ende der 4. Klasse der Volksschule der SPF aufzuheben, sofern sie die Aufnahmevoraussetzungen für die weiterführende Schule (MS, Unterstufe der AHS) erfüllen.

Eltern bzw. Erziehungsberechtigte haben im Rahmen des Verfahrens zur Feststellung des SPF das Recht:

  • eine mündliche Verhandlung zu beantragen.
  • eigene Befunde, Berichte und einzubringen.
  • vor Erlassen des tatsächlichen Bescheids, Einsicht in die Akten zu erlangen und Stellung zu beziehen.
  • zu wählen, ob ihr Kind eine allgemeine Schule oder Sonderschule besuchen soll.
  • gegen einen Bescheid bei der Bildungsdirektion (ausgenommen Wien, hier ist es das Bundesverwaltungsgericht) innerhalb von 14 Tagen Berufung einzulegen.
  • jederzeit die Aufhebung des SPF zu beantragen.

Anmeldung

Die Anmeldung in eine Integrationsklasse erfolgt formal im Rahmen der Schuleinschreibung. Dort erfahren Eltern bzw. Erziehungsberechtigte auch, wie die länderspezifischen Regelungen gestaltet sind.

Unterricht

Idealerweise ist die Höchstanzahl der Schülerinnen und Schüler die eine Integrationsklasse besuchen, reduziert. Der Unterricht in Integrationsklassen erfolgt jeweils durch die entsprechenden Pädagoginnen und Pädagogen (VS, MS, AHS, PTS, FM) und durch eine Lehrperson mit Spezialisierung in Sonder- und/oder inklusiver Pädagogik. Im Idealfall erfolgt die Arbeit der Lehrkräfte im Team-Teaching. Zusätzlich werden ambulante und mobile Unterstützungssysteme, wie beispielsweise mobiles Motorik Team, ambulante Sprachheilpädagoginnen und Sprachheilpädagogen, mobiles Sehbehindertenteam, etc. für Kinder in allgemeinen Schulen in Wien angeboten.

Wie bereits im Verfahren zum Sonderpädagogischen Förderbedarf angeführt, können Kinder mit SPF nach verschiedenen Lehrplänen unterrichtet werden. Das bedeutet, dass Kinder nach den Lehrplänen der betreffenden allgemeinen Schule, wie Lehrplan der VS, MS, AHS-Unterstufe, PTS, FM unterrichtet werden können. Weiters ist es auch möglich, dass Kinder mit SPF in bestimmten Gegenständen nach dem Lehrplan der betreffenden allgemeinen Schule und in bestimmten Gegenständen nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule (zum Beispiel VS/ASO oder MS/ASO) unterrichtet werden.

Zudem können Kinder mit SPF gänzlich nach einem Sonderschullehrplan unterrichtet werden, wie beispielsweise nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule, dem Lehrplan der Sonderschule für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf, dem Lehrplan der Sonderschule für gehörlose Kinder (siehe Lehrpläne der Sonderschulen).

Standorte

In Wien gibt es Integrationsklassen an allgemeinen Schulen, an Bildungscampus-Standorten und zum Teil auch an Sonderschulen.

Unterstützung rund um das Thema schulische Integration für das Bundesland Wien erhalten Sie in der Beratungsstelle für (Vor-) Schulische Integration bei Integration Wien.

Unterstützung bei Fragen zum Übergang Schule – Beruf von Jugendlichen mit Beeinträchtigung erhalten Sie beim Elternnetzwerk Wien, ein weiteres Angebot von Integration Wien.

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