Sind Menschen mit Behinderungen aus der Modebranche ausgeschlossen? Was bedeutet Inklusion in der Mode wirklich? - Ein Kommentar.

Wo sind meine neuen Kleider? Diese Überschrift drückt nicht die Frustration aus, dass man während der Corona-Krise nicht shoppen kann.
Diese Überschrift drückt ein Gefühl aus, das ich schon lange gegenüber der Modebranche habe und das mir durch einen Spiegelbeitrag über die kleinwüchsige Aktivistin und Mode- und Inklusionsbloggerin Sinead Burke bestätigt wurde.
Die Modebranche ist nicht wirklich auf Menschen mit Behinderungen eingestellt. Das hat auch Sinead Burke festgestellt. Die ehemalige Lehrerin berät jetzt Marken wir Gucci oder das britische Modemagazin Vogue zum Thema Design und Inklusion.
Viele Menschen in der Modebranche, sagt sie, hätten keine persönliche Erfahrung mit dem Thema Behinderung und würden auch nicht Menschen mit Behinderung als Zielgruppe für Mode begreifen.
Kein schönes Einkaufserlebnis
Dass die Bekleidungsbranche Menschen mit Behinderung nicht wirklich als Zielgruppe sieht, das kann ich auch aus persönlicher Erfahrung bestätigen. Ich bin zwar nicht kleinwüchsig wie Frau Burke, dennoch muss ich beim Kleiderkauf auf einiges achten. Ich bin Rollstuhlfahrerin und habe eine leichte Skoliose, also eine Rückgratverkrümmung.
Die Hosen, die es im herkömmlichen Handel gibt, sind meistens zu lang. Jacken, die es im herkömmlichen Handel gibt, gehen bei mir meistens nicht zu und ich muss sie mehrere Nummern zu groß kaufen, um sie angenehm anziehen zu können. Das sieht nicht gerade schön aus. Schuhe sind ein ganz eigenes Thema.
Doch neben der Mode selbst sind auch oft die Geschäfte nicht wirklich barrierefrei. Nicht immer gibt es eine Rollstuhlkabine zum Umziehen, von Griffen in den Kabinen ganz zu schweigen. Manchmal war ich gezwungen, mich auf dem Gang des Geschäftes umzuziehen, was sehr peinlich ist. Auch unangenehm ist es, wenn ein Kleidungsstück auf Grund der Rückenverkrümmung nicht zugeht.
Das sind die Momente, in denen ich meine Behinderung wirklich spüre und das nicht auf die gute Weise. Deshalb kaufe ich nicht so gerne Kleidung ein.
Auch Sinead Burke beschreibt in dem Beitrag ein ähnliches Einkaufserlebnis wie ich. Kleiderständer sind viel zu hoch, um sich bei ihrer Größe selbständig Kleidung holen zu können. Noch dazu musste sie aufgrund ihrer Größe in die Kinderabteilung gehen. Genauso geht es mir mit meinen Schuhen.
Eigene Modekollektionen für Menschen mit Behinderungen – ist das die Lösung?
Inzwischen gibt es ein paar Geschäftsmodelle, die Mode für Menschen mit Behinderungen produzieren. Hosen in entsprechender Länge, Jacken, die entsprechend geschnitten sind und entsprechende Ganzkörperregenmäntel für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer. Das ist prinzipiell eine gute Sache, aber ist das Inklusion? Nein.
Man muss diese Geschäfte immer noch im Internet suchen. Meistens haben die Marken ein bestimmtes Design, das nicht unbedingt jedermanns Sache sein muss. Die Sachen sind, da sie maßgefertigt sind, natürlich um einiges teurer. Das heißt, man muss schon für ein Kleidungsstück ganz schön tief in die Tasche greifen.
Mein Ganzkörperregencape, das ich von einer dieser Designerfirmen bekommen habe, ist eines meiner teuersten Kleidungsstücke und gleichzeitig auch das, was aussehensmäßig am wenigsten ansprechend ist. Praktisch und funktionell, aber hässlich, so könnte man es zusammenfassen. Aber bei Mode für Menschen mit Behinderungen geht es nicht nur um Funktionalität, sondern auch ums Aussehen. Denn ja, auch wir haben ein Recht, gut auszusehen.
Um dieses Recht zu verwirklichen, müssen Menschen mit Behinderungen aktiver Teil der Bekleidungsindustrie werden. „Marken sollten behinderte Menschen nicht nur als Kunden sehen, sie müssen Arbeitsplätze und eine Unternehmensstruktur schaffen, die ihnen zugänglich sind. Es geht darum, wer die Kampagnen fotografiert, wer die Kreativleitung übernimmt, wer die Outfits zusammenstellt“, meint Sinead Burke. Ohne diese Dinge, so Burke, würde sich nichts ändern.
Das sehe ich genauso. Ab und an Models mit Behinderungen machen noch keine Inklusion in der Modebranche. Weiters ist nicht alles inklusiv, was sich so betitelt. Ein Modelabel, ist noch kein inklusives Modelabel, wenn es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Behindertenwerkstatt seine T-Shirts bemalen lässt.
Inklusive Mode bedeutet, dass Menschen mit Behinderungen den Ton angeben, dass sie ihre Erfahrungen mit der Mainstreammode teilen und dass diese Erfahrungen dazu genutzt werden, die Mainstreammodewelt zu verbessern. Denn Mode, die praktischer zum Anziehen ist, kann schön und elegant sein und nützt allen.
Monika Fuchs-Brantl
02.02.2022, 15:22
Zuletzt entdeckt:
MOB (Mode ohne Barrieren) Industries – fesch und sympathisch.
https://www.mob-industries.com/
Hannes
23.03.2022, 09:58
Genau das ist eben der falsche Weg: auf der Webseite von MOB steht unter der Beschreibung des Designs: „Barrierefreie Mode bietet viele Vorteile für Menschen mit unterschiedlichen Ansprüchen – aufgrund von Prothesen, temporären Verletzungen, altersbedingten und kognitiven Einschränkungen oder chronischen und Autoimmun-Erkrankungen. Auch beginnen immer mehr assistierende Personen barrierefreie Mode zu schätzen, da das An- und Auskleiden weniger Zeit in Anspruch nimmt und gesundheitsschonender ist. Aber auch für Nichtrollstuhlnutzer_innen bieten unsere Designlösungen wertvolle Vorteile.“ Dies weckt Assitiationen von Fremdbestimmung, Sonderpädagogik und Angewiesenheit.
Es stellt sich die Frage, weshalb Menschen mit einer Behinderung nicht die selben Bekleidungsgeschäfte nutzen sollten oder nicht die selben Marken tragen sollten wie alle anderen. Feelware für die sog. „Blinden“, damit Haushaltsgeräte bedient werden können oder MOB für Personen, die einen Rollstuhl benutzen prolongieren Diskriminierung und Ausgrenzung, beseitigen sie aber nicht, da dies ihr Geschäftsmodell ist.
Ludwig Breichner
01.02.2022, 12:41
Musste als Kind auf Grund meiner Armbehinderung die Ärmeln kürzen. Diese Kosten können beim Finanzamt beim Jahresausgleich hinein gegeben werden. Muss aber sagen, dass das vor 40 Jahren war. Bitte den aktuellen Informationsstand einholen.