Wo wollen S‘ denn hin? – Impressionen aus einer Reha-Klinik

Gewiss erkämpft man sich jedes Jahr die Bewilligung für einen Reha-Aufenthalt in Bad Pirawarth.

Viele Fragen
unbekannt

Nicht um geheilt zu werden, sondern um den Ist-Zustand so lange wie möglich zu erhalten. Denn Bewegungstherapie ist das einzige Mittel, um einer negativen Tendenz der Erkrankung entgegenzuwirken.

Bad Pirawarth bietet sich aus mehreren Gründen seit Jahren an. Zum einen sind die Therapien und ihre TherapeutInnen für den eigenen Bedarf wie geschaffen und zum anderen ist die Strecke von und zu Wien für Besuche leicht bewältigbar. Außerdem ist man im Hause schon gut bekannt, was auch den einen oder anderen Vorteil mit sich bringt.

Die Außenwelt ist weit weg

Als „alter Hase“ sozusagen, stellen sich diese Aufenthalte mittlerweile auch immer mehr als Sozialstudie heraus. Viele Menschen aus allen Gesellschaftsschichten beherbergt diese Einrichtung. Man fühlt sich für die Zeit des Aufenthaltes gemeinsam mit den Anderen als „Insasse“. Die Außenwelt ist sehr weit weg bis kaum erreichbar. Darüber hinaus hätte man das eine oder andere Wort mit seinem Gegenüber „draußen“ wahrscheinlich nicht gewechselt, sofern man das Gegenüber überhaupt kennen gelernt hätte.

Das Haus hat vier Stockwerke. Für gesunde Zweibeiner wird die „gesunde Stiege“ beworben. Für alle anderen gibt es drei Lifte. Einen kleinen für schlecht gehende Zweibeiner ohne Hilfsmittel. Die Mehrheit der Leute aber benützt Hilfsmittel (Rollstuhl, Rollator, Rollmobil, Gehbock, Krücken, etc.) und teilt sich die restlichen zwei Lifte.

Man kann nur mutmaßen, warum diese beiden Lifte viel zu klein sind:

  1. Der Architekt war bzw. ist selbst von eher kleiner Statur.
  2. Der Architekt hat auf die Benützung mit Hilfsmitteln vergessen.
  3. Aus wirtschaftlichen Gründen sind mehr Personen in der Klinik untergebracht als ursprünglich geplant.
  4. Es soll eine „Begegnungszone“ geschaffen werden.

Fortbewegung ist Alles

Jedenfalls darf davon ausgegangen werden, dass dieses Liftkabinen-Spielfeld ungeahnte Möglichkeiten für verkannte Liftboys und -girls, sowie Platzwarte und Platzwartinnen bietet.

Der Tagesinhalt besteht unter anderem darin, die entsprechenden Therapieräume aufzusuchen. Vom 4. Stock bis in den Keller wird geturnt, geschwommen, geknetet, untersucht und noch vieles mehr. Das bedeutet oftmalige Liftbenützung.

Selbst wenn man bislang glaubte, ein abgeklärter Mensch zu sein, spätestens beim Betreten des Aufzuges glaubt man es nicht mehr. Ungewollt wird man Subjekt des Anstoßes, weil man mit dem Rollstuhl 2 cm zu weit weg vom Rand steht, 5 cm zu weit hinten ist oder nicht sofort beim Betreten sein Ziel kundtut. Oder weil man dem vermeintlichen Liftboy erklären will, dass der Aufzug nirgendwo hinfährt, wenn er den gelben Knopf mit der Glocke betätigt.

Die Ostsee

„Wo wollen S‘ denn hin?“ oder „Fahren Sie runter oder rauf?“, sind nur zwei Beispiele der vielen immer wiederkehrenden Fragen in der Liftkabine. Die Antwort nach fünf Wochen Lift-Qualen: „Ich will an die Ostsee“, wurde wohl nicht verstanden, aber man hat endlich die Spielregeln durchbrochen auf diesem Spielfeld, welches man nicht mal im Traum freiwillig betreten würde. Und die Frage, ob dies ein reines Bad Pirawarth Phänomen ist, stellt man sich lieber erst gar nicht.

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