Woke – next Level.

Die Produktion „Das Reich: Hospital der Geister“ des Schauspielhaus Graz verschiebt Grenzen.

Szene aus: Das Reich - Hospital der Geister
Lex Karelly

Wer darf was spielen? Droht das Ende der Schauspielkunst, wenn nur mehr gelernte Köchinnen und Köche in Fernsehserien als ebensolche hinter dem Herd stehen dürfen? Muss, wer den Glöckner von Notre Dame spielen will, auch im Alltag mit authentischem Eigen-Buckel durchs Leben hinken?

Mit mutiger Rollen-Besetzung gibt das Grazer Schauspielhaus hierauf eine überzeugende Antwort.

Halten wir uns nicht allzu lange mit den eingangs gestellten Fragen auf. Über das Thema: „Wer darf heterosexuelle, schwule, lesbische, transsexuelle oder behinderte Menschen überhaupt auf Bühne oder Bildschirm darstellen?“, wurde spätestens im Zuge der Diversity-Besetzungs-Richtlinien von Amazon Studios genug gesagt.

185 Schauspielerinnen und Schauspieler, die sich im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ als schwul, lesbisch, bisexuell, queer, nicht binär und trans outeten, stießen die gesellschaftliche Debatte gegen Diskriminierung von der anderen Seite her an. Denn sie müssten nicht sein, was sie spielen, betonte die Gruppe #actout.

Alles Kleckerkram

Szene aus: Das Reich - Hospital der Geister
Lex Karelly

Alles Kleckerkram, dachten sich offenbar Karla Mäder und Jan-Christoph Gockel, Dramaturgin und Regisseur von „Das Reich: Hospital der Geister“ und besetzten zwei Hauptrollen in dieser jüngsten Produktion des Schauspielhauses mit Schauspieler*innen mit Behinderung.

Zugute kam ihnen dabei wohl, dass für dieses Stück die beinahe 30 Jahre alte Serien-Produktion von Lars von Trier erstmals für die Bühne bearbeitet wurde. Aus Acht, seinerzeit fürs Fernsehen produzierten Folgen, destilliert die Grazer Produktion knapp vier Stunden Theater-Spektakel, mit allem, was Schauspielkunst und Bühnentechnik heutzutage so draufhaben.

Die Neu-Bearbeitung eröffnete aber auch den Spielraum dafür, den Einsatz der taubblinden Schauspielerin Tanja Hameter und von Florian Finsterbusch, er hat das Down-Syndrom, dramaturgisch stimmig in die Konzeption des actionreichen Werkes  einzufügen.

So verkörpert Hameter in der Rolle der Patientin und des Mediums tatsächlich eine Person mit sehr spezieller Wahrnehmung. Dass sie das Geschehen auf der Bühne mittels lormender Assistentin und Braille-Zeile mitbekommt, sorgt für spezielle Authentizität ebenso, wie der ihr eigene Sprachduktus.

Szene aus: Das Reich - Hospital der Geister
Lex Karelly

Florian Finsterbuschs Spiel wiederum lebt von seiner Unbekümmertheit, mit der er in gleich mehrere Rollen schlüpft. Spontane Kommentare seinerseits bei der Erarbeitung des Stückes fanden Eingang in die Textfassung. Etwa seine Erklärung zur Frage, wie jemand, der eben als Gesundheitsminister agierte, kurz darauf den Tod verkörpern könne? Finsterbusch lakonisch: „Sind beide von derselben Partei!“

Regie und Dramaturgie des Schauspielhauses zeigen mit dieser künstlerisch stimmigen „Inklusion“ überzeugend, wie man sich der eingangs beschriebenen Thematik auch stellen kann. Mit einer Rollen-Besetzung, der nichts von bemühter Gut-Menschen-Aktion oder bloßer Political-Correctness-Übung anhaftet.

Das Ensemble des Hauses wiederum demonstriert eindrücklich, wie sich die Rolle von Menschen mit Behinderung dabei idealerweise verändert: Diese agieren als Schauspielende, als Kollegin und Kollege, als Darsteller einer Rolle im Stück.

Der verdiente Applaus belohnt die schauspielerische Leistung und nicht eine ‚bemüht-woke‘ Besetzung.

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2 Kommentare

  • Der bucklige Glöckner in der Musical-Version ist zusätzlich schwerhörig bis gehörlos und hässlich. Ganz nah ist das Phantom der Oper, welches das bessere Musical ist, weil es mit weniger Gefühlsduselei auskommt und, für ein Musical, mehr Musikgenuss bietet.

    Davon abgesehen. Die Reaktion des Publikums im Musical der Glöckner von Notre Dame sagt viel aus, wenn er der schönen Esmeralda seine Freund-/Partnerschaft anbietet bzw. sich dies vorstellt.

  • „Ghosts“ von Lars von Trier wurde in den 10er-Jahren nochmal von Stephen King in der Serie „Kingdom Hospital“ neu verfilmt. Mir gefiel aber doch die LvTs Version deutlich besser.