Ein Rückblick
„Was bringt 2003: Worte oder Taten?“ lautete der Titel eines Artikels in BIZEPS-INFO, den wir im Dezember 2002 schrieb. Die Frage, was das „Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen“ konkret bringen wird, lässt sich jetzt – ein Jahr später – konkret beantworten.
Knapp vor Ende des Jahres 2003 muss man feststellen, dass heuer eine Vielzahl von Veranstaltungen, Reden und Presseaussendungen stattgefunden haben. Doch haben sie den Alltag behinderter Menschen in irgendeiner Weise beeinflusst?
Eine „Es darf keinen Unterschied geben“ -Welle hat das Land verordnet. Der ORF versuchte in berüchtigter „Licht ins Dunkel“-Manier, sich gut darzustellen. ORF-Generaldirektorin Lindner behauptete sogar: „Der ORF hätte des Jahres nicht bedurft“. Oh doch, der ORF hätte weniger versuchen sollen ANDERE zu sensibilisieren, sondern endlich SELBST zur Gleichstellung beizutragen. Gemessen an der Anzahl der Fernsehbeiträge in Gebärdensprache überholt der ORF – laut Umfrage des Österreichischen Gehörlosenbundes – nur mehr Albanien.
Wie steht es im Bereich der Gleichstellung?
Laut der EU sollte heuer „Sensibilisierung für den Diskriminierungsschutz und die Gleichberechtigung behinderter Menschen“ betrieben werden. Immerhin gründete die Bundesregierung eine Arbeitsgruppe um ein Behindertengleichstellungsgesetz zu erarbeiten.
Doch die Arbeiten laufen sehr schleppend – gekennzeichnet vom Desinteresse der ÖVP, sich einzubringen. Ein konkretes Ergebnis in Form eines GUTEN Gesetzes ist noch lange nicht abzusehen. Hier ist – wie in vielen anderen Bereichen – vor allem viel angekündigt worden. Das heurige Jahr war überhaupt ein Jahr der Worte statt der Taten.
Gewitterwolken über Wien
Für Wien brachte das heurige Jahr vor allem Gewitterwolken zum Vorschein. Zuerst wurde bekannt, dass der Behindertenbereich von Stadträtin Laska zu Stadträtin Pittermann wandern wird.
Ziel waren eine klare „Leistungspalette“ und natürlich Einsparungen. Daher werden die Verträge mit 280 Organisationen – die im Behindertenbereich Leistungen erbringen – gekündigt und diese Verträge neu verhandelt. Zur gleichen Zeit wurde ein von der MA 12 erstelltes Konzept zur radikalen Kürzung im Behindertenbereich bekannt, dass – laut Bürgermeister Häupl – nicht umgesetzt werden soll. 2004 wird in Wien sicherlich zum Jahr der radikalen Umbrüche und – so muss man die Vorzeichen deuten – der drastischen Kürzungen.
Bundessozialämterreform
Ähnlich misslungen scheint die Bundessozialämterreform zu sein. Bundesminister Haupt kündigte sie noch mit den Worten an: „Eine verbesserte Betreuung der Menschen mit Behinderung, mehr Bürgernähe, die Beschleunigung der Verfahren, aber auch die finanziellen Einsparungen sind wichtige Eckpunkte der Reform“.
Doch die Wirklichkeit sieht so aus, dass nun behinderte Menschen in verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Leistungen bekommen, weil im Rahmen dieser Reform Leistungen den Ländern übertragen wurden, die diese in unterschiedlicher Höhe erbringen. Eine klare Verschlechterung für behinderte Menschen.
Pflegegeld
Das Pflegegeld war auch heuer wieder ein großes Thema. SPÖ-Vorsitzender Gusenbauer zettelte am Jahresanfang eine Diskussion zum Pflegegeld an. Er schlug vor, das Pflegegeld zu entziehen und dafür nur mehr Sachleistungen (also Soziale Dienste) anzubieten. Es kostete die Behindertenbewegung viele Wochen, um der SPÖ-Spitze zu erklären, wie behinderte Menschen wirklich leben und warum daher Pflegegeld wichtig ist.
Persönliche Assistenz
Thema war erfreulicherweise auch Persönliche Assistenz. Ob daraus eine ordentliche Regelung für die Assistenzfinanzierung wie z. B. in Schweden entsteht, wird sich erst im Jahr 2004 zeigen. Einige Punkte (Ganzheitlichkeit der Leistung oder Kreis der Bezugsberechtigten) – und vor allem die Finanzierung – sind noch vollkommen offen.
Wenn Sie bis hierher gelesen haben, könnten Sie glauben, dass 2003 ein besonders schlechtes Jahr war. Nein, war es nicht. Die letzten fünf Jahre waren alle primär von Ankündigungen von Verbesserungen und dem Durchziehen von Verschlechterungen gekennzeichnet. Das heurige Jahr unterscheidet sich nur dadurch, dass mehr über behinderte Menschen in den Medien berichtet wurde.
Hervorragend
Ein Highlight des heurigen Jahres war eindeutig der Ö1 Radioschwerpunkt: „Ohne Barrieren. Neue Wege für Menschen mit Behinderung“. Hier wurden tolle Beiträge gesendet, die teilweise auch von behinderten Journalistinnen und Journalisten erstellt wurden.
Wir sind froh, dass der Rummel um das Jahr 2003 bald vorbei sein wird.
Wie dichtete Goethe so schön: „Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn.“