Zum wiederholten Male: Sterbehilfediskussion in Österreich

Mit einem Freispruch ist ein Prozess gegen einen Kärntner zu Ende gegangen, dem die Staatsanwaltschaft vorwarf, an der Selbsttötung seiner schwerkranken Ehefrau mitgewirkt zu haben. Seither wird in Österreich wieder über Sterbehilfe diskutiert.

Monitor zeigt Herzschlag
BIZEPS

„Ich würde es wieder machen“, hielt der Kärntner vor Gericht fest. Er hatte seine an Amytrophe Lateralsklerose (ALS) erkrankte Gattin im Dezember 2003 in ein Euthanasieinstitut in die Schweiz begleitet, wo ein Suizid unter gewissen Umständen erlaubt ist, und war auch bei ihrem Tod anwesend, berichten die OÖ-Nachrichten.

Der Schöffensenat entschied für den Angeklagten. Er ist „in seinem Schuldverhalten entschuldigt“; ein endgültiges Urteil muss nun das Oberlandesgericht fällen.

Das Urteil ist umstritten. Es sei „kein klares Grundsatzurteil„, hält beispielsweise Strafrechts-Experte Helmut Fuchs von der Uni Wien fest.

Richter kritisiert Gesetzgeber

Nach dem Prozess kritisierte der stellvertretende Vizepräsident der Richtervereinigung, Manfred Herrnhofer, den Gesetzgeber.

Im ORF-Kärnten wird er mit folgendem Statement zitiert: „Die grundlegende Frage, die sich hier stellt, nämlich, wie steht der Staat Österreich zu aktiver und passiver Sterbehilfe, davor darf sich der Gesetzgeber nicht drücken. Hier muss eine klare Regelung geschaffen werden, eine nachvollziehbare Regelung, die auch exekutierbar ist.“

„Viele haben applaudiert“

Wenig später forderte Dr. Barbara Helige, die Präsidentin der „Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter“, im Standard: „Sterbehilfe muss neu diskutiert werden„.

Sie behauptet, dass es keine ausreichende Rechtsgrundlage dafür gibt. Auf die Antwort der Interviewerin, dass die Rechtslage klar und Beihilfe zum Selbstmord strafbar sei, reagiert sie überraschenderweise so: „Trotzdem ist der Mann von den Schöffen freigesprochen worden, und viele Menschen haben applaudiert. Das ist ein Indiz, dass sich die gesellschaftliche Auseinandersetzung über Sterbehilfe verändert hat.“

Sterbebegleitung statt Sterbehilfe

Dies provozierte natürlich eine Vielzahl an Reaktionen. Der Kärntner Diözesanbischof Alois Schwarz hat sich entschieden gegen „Tendenzen zur aktiven Sterbehilfe“ ausgesprochen. Stattdessen sollte die „zugewandte Sterbebegleitung“, wie die Hospizbewegung, gefördert und die palliativen Einrichtungen ausgebaut werden.

Der Palliativmediziner Herbert Watzke ist gegen eine Gesetzesänderung und der evangelische Theologe und Ethiker Ulrich Körtner stellt klar: „Es gibt kein Menschenrecht auf Sterbehilfe

ÖVP meldet sich zu Wort

In der Frage der Sterbehilfe ist die ÖVP schon immer sehr aktiv gewesen und hält auch dieses Mal mehrfach und unmissverständlich fest, dass sie dagegen ist.

„Anstatt über die Legalisierung der Sterbehilfe nachzudenken, sollte man daher den guten österreichischen Weg weitergehen und jene Menschen unterstützen, die bereit sind, die herausfordernde Arbeit im Bereich der Palliativmedizin und in den Hospizen auf sich zu nehmen“, so Nationalratspräsident Dr. Michael Spindelegger.

„Die ÖVP lehnt die Tötung eines Patienten durch einen Arzt ebenso unmissverständlich ab wie die Legalisierung der Beihilfe zum Selbstmord. Die Unantastbarkeit der Würde des Menschen verbietet aktive Sterbehilfe“, betont ÖVP-Justizsprecher Mag. Heribert Donnerbauer.

Der ÖVP-Behindertensprecher Dr. Franz-Joseph Huainigg schrieb für die Wochenzeitung „Falter“ einen Kommentar unter dem Titel „Bin ich lästig, Schätzle?“, in dem er sich ausführlich mit Sterbehilfe auseinandersetzte.

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0 Kommentare

  • Liebe(r) anonym, was ich mit „dürfen uns nicht davor drücken“ zum Ausdruck bringen wollte, hier etwas deutlicher: Es ist eine der höchsten Pflichten eines solidarischen humanitären Gemeinwesens, vorzubeugen und alles anzustrengen, dass es zu einer solchen Entscheidung ohne Widerrufsmöglichkeit eigentlich nicht kommen sollte. Verzweifelte Mitmenschen in aussichtslosen Situationen – jede einzelne Exitgefährdung – sind der Prüfstein unser Gesellschaft und eine sehr persönliche Anfrage an jeden einzelnen von uns. Wie wir damit umgehen, offenbart unser eigentliches Wesen – des Individuums und der Gesellschaft – und es ist … erschreckend!
    Diese Aussage („die Last trägt auf jeden Fall vor allem der Todgeweihte“) möchte ich so nicht ganz stehen lassen: Es gibt meistens einige, die genauso mitleiden und mit dem einzig erscheinendem Ausweg wird eine weitere unerträgliche Last auf andere gelegt.
    Ich kenne nicht genau den Strafrahmen, hoffe aber, dass Gerichte in besonderen Fällen auf Straffreiheit entscheiden. Ein falscher Weg wäre jedoch, ein Tor zu öffnen, welches (wie z.B. in den Niederlanden) völlig entgleitet. An unerträglichen Schmerzen dürfte bei heutigen Möglichkeiten niemand mehr leiden müssen. Das Recht auf einen natürlichen Tod ist selbstverständlich auch zu respektieren, der Sterbeprozess darf nicht qualvoll hinausgezögert werden. Das geschieht eigentlich nur, weil wir unsere Endlichkeit verdrängen wollen.

  • „Wir dürfen uns nicht davor drücken, die Lasten gemeinsam zu tragen“, schreibt G. Lichtenauer – aber die Last trägt auf jeden Fall vor allem der Todgeweihte, wenn er an einer qualvollen Krankheit leidet. Ich jedenfalls empfinde es schon jetzt als eine ungeheuerliche Einschränkung meiner Lebensqualität seitens der Kirche, dass sie mir auch in einer potenziellen medizinischen Extremsituation den Freitod verbieten möchte und seitens des Gesetzgebers, dass er, wenn ich nicht mehr imstande sein sollte, mir selbst zu helfen, Helfer im Normalfall ins Gefängnis steckt.

  • Eine Relativierung des Sterbehilfe- Verbotes wäre ein weiterer Dammbruch in der Aushöhlung des ohnehin schon sehr löchrigen „Rechtes auf Leben“. In der jeweiligen Strafmaßfestsetzung gibt es genügend Spielraum, auf berücksichtigungswürdige Milderungsgründe Rücksicht zu nehmen. ALS und ähnliche fortschreitende Krankheiten, die unweigerlich zu einem qualvollen Tod führen, sind eine große Herausforderung für die gesamte Gesellschaft, das Leben für Betroffene und Mitbetroffene lebbarer zu machen. Wir dürfen uns nicht davor drücken, die Lasten gemeinsam zu tragen!