Zwischenbilanz zum Europäischen Jahr behinderter Menschen 2003

Im März erklärt Bundesminister Haupt, dass das Jahr erfolgreich angelaufen sei. Wir können diese Ansicht nicht teilen.

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Ein paar Highlights der letzten Monate: Anfang des Jahres hatten wir wieder einmal eine unnötige Disskussion um die Einführung eines Pflegescheckes statt Pflegegeld. Eine alte Diskussion und die immer gleichen alten Argumente.

Anfang des Jahres wanderten auch, zunächst unbemerkt, die Agenden der Sozialen Rehabilitation für behinderte ArbeitnehmerInnen vom Bundessozialamt zu den Bundesländern. Damit haben sich auch die Zugangsbestimmungen geändert. Bisher stand die Abgeltung behinderungsbedingter Mehraufwendungen im Vordergrund, jetzt wird nach der sozialen Bedürftigkeit entschieden. Eine Verschlechterung der Lebensqualität behinderter ArbeitnehmerInnen gegenüber ihren nichtbehinderten KollegInnen. Ein weiterer Schritt zurück zur Armenfürsorge des 19. Jhdts. statt in Richtung 21. Jhdt.

Es folgte eine Regierungserklärung, die ihre Absichten im Feld „Behinderung“ zur Gänze im Bereich „Soziales“ ansiedelt: Vom Gleichstellungsgesetz bis zum Verkehr. Mit zwei bemerkenswerten Ausnahmen: Sonderschulen finden sich im Bereich „Bildung“ und der Behindertensport im Bereich „Sport“. Die Hervorhebung gerade dieser beiden Themen läßt befürchten, dass dieser Regierung die Gleichstellung behinderter Menschen ziemlich egal ist. Wann die Arbeitsgruppe „Gleichstellungs-gesetz“ zu arbeiten beginnt, können wir derzeit nur vermuten. Irgendwann vor den nächsten Wahlen wahrscheinlich.

Diese Regierung hat auch offensichtlich nicht verstanden, was „Behinderung“ als Querschnittsmaterie bedeutet: Belange behinderter Menschen werden in den Ressorts angesiedelt, die dafür zuständig sind; Verkehrsangelegenheiten in dem dafür zuständigen Ministerium, Kommunikation ebenfalls in dem dafür zuständigen Ministerium, usw.

Unbemerkt von behinderten Menschen legte eine Arbeitsgruppe im Sozialministerium einen Entwurf zur Regelung der Berufe und Ausbildungen im Behinderungsbereich vor. Der Entwurf ist diskriminierend und geht an unserem Bedarf und unseren Ansprüchen und Forderungen vorbei, da wir behinderte Menschen in keiner Weise in die Diskussion einbezogen wurden.

Ein kleiner Anruf bei mir als Obmann hätte genügt, um das zu erfahren.

Ausserdem ist die internationale Diskussion über Behinderung als politisches und nicht medizinisches Problem spurlos an den Autoren und Autorinnen des Berichtes vorübergegangen. Der Bericht versteht Behinderung als durchwegs medizinisches Problem wie auch die Förderungen im wesentlichen auf medizinische Kategorien abgestimmt sind.

Wir werden an anderer Stelle zu diesem Bericht noch ausführlicher Stellung nehmen.

Trotz Förderungen und sonstigen Massnahmen leben behinderte Menschen weitgehend isoliert, von Armut gefährdet und sind kein selbstverständlicher Teil der österreichischen Gesellschaft. Sie werden in Vorhaben und Massnahmen, die sie betreffen nicht umfassend eingebunden. Wichtige Entscheidungen werden über ihre Köpfe hinweg getroffen. Normalzustand sozusagen und bemerkenswert traurig für ein Jahr, das uns gehören sollte.

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