Schein und Sein

Österreich muss am 26. Oktober 2010 den ersten Staatenbericht zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen bei der UNO abliefern. Der erste Entwurf, der nun präsentiert wurde, enttäuscht. Von Stefan Pauser

Hundstorfer zum Staatenbericht
BMASK/BIZEPS

Zwei Jahre nach Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist es im Herbst soweit: Das offizielle Österreich muss erstmals vor der UNO bekanntgeben, welche Schritte es gesetzt hat, die Konvention entsprechend umzusetzen. Gleichzeitig bringen der Monitoringausschuss und die Zivilgesellschaft entsprechende Berichte ein. Aus der Zusammenschau dieser drei Berichte wird sich die UNO schließlich ein Bild über die Umsetzung der Konvention machen und in weiterer Folge Lob oder Tadel aussprechen, bzw. auch Handlungsempfehlungen abgeben.

Für Österreich, so zumindest die Einschätzung nach der Präsentation des ersten Entwurfes zum Staatenbericht, wird es wohl überwiegend Tadel geben. Denn was Sozialminister Rudolf Hundstorfer und seine Spitzenbeamten kürzlich vorlegten, legt den Verdacht nahe, dass niemand von ihnen die UN-Konvention gelesen hat.

Ansonst ist es kaum erklärlich, dass sich praktisch keine umgesetzten Maßnahmen aus den vergangenen beiden Jahren im Staatenbericht finden.

Dabei lässt die Konvention nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig: Im Artikel 35, Absatz 1 ist klar definiert, dass der „Vertragsstaat einen umfassenden Bericht über die Maßnahmen, die er zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Übereinkommen getroffen hat, und über die dabei erzielten Fortschritte“ legt.

Ein weiteres Missverständnis?

Es scheint, dass die Geschichte der UN-Konvention in Österreich von Missverständnissen gespickt ist. Das erste Missverständnis entstand bereits bei der Unterzeichnung bzw. Ratifizierung durch das heimische Parlament und den Bundesrat. Denn dort war die heimische Politik bereits der Ansicht, dass Österreich quasi das Paradies für Menschen mit Behinderungen ist und sämtliche Punkte der Konvention schon überwiegend umgesetzt sind.

Dementsprechend uneinsichtig wurde offensichtlich auch an die Erstellung des Staatenberichtes herangegangen. Zwar wurden in die Erstellung alle relevanten Bereiche, beginnend vom Parlament und den Ministerien, über die Höchstgerichte, die Bundesländer und Sozialpartner, bis hin zum Städte- und Gemeindebund, diverse Ombuds-, Beratungs- und Beschwerdestellen sowie Betroffenenorganisationen und Sozialdienstleistungsanbieter eingebunden, betonte Minister Hundstorfer, allein der Bericht liest sich wie ein Geschichtsbuch mit kritischen Einsprengseln.

Viele Textpassagen im vorliegenden Entwurf des Staatenberichtes beziehen sich auf das österreichische Behindertenkonzept aus dem Jahr 1992, einem Konzept übrigens, das bis heute noch nicht vollständig umgesetzt ist. Weiters ist oft das Behindertengleichstellungspaket aus dem Jahr 2005 zitiert, oder wird auf das E-Government-Gesetz aus dem Jahr 2004 verwiesen.

Alle sicherlich gute Errungenschaften für Menschen mit Behinderungen in Österreich, nur machen sie leider nicht deutlich, was in den Jahren 2008 bis 2010 konkret geschah, um die UN-Konvention zu erfüllen.

Ein weiteres Missverständnis? Erst auf Seite 30 des insgesamt 59 Seiten umfassenden Berichtes findet sich etwas Ähnliches wie eine erste konkrete Maßnahme, nämlich zwei vom Sozialministerium beauftragte Studien zum Thema Finanzierung der Pflegevorsorge.

Eine weitere Maßnahme dann auf Seite 43: Die Neuausstellung der e-cards ab 2010 mit Brailleprägung. Und schließlich auf Seite 51 das Wahlrechtsänderungsgesetz aus 2010, mit dem für Menschen mit besonderen Bedürfnissen die Möglichkeit geschaffen wurde, vor jedem Wahlereignis eine Wahlkarte automatisch zugeschickt zu bekommen.

Handfeste Kritik

Wesentlich handfester als die vorgestellten Maßnahmen lesen sich da schon die jeweiligen Kritikpunkte der diversen Behindertenorganisationen zum jeweiligen Nicht-Umsetzungsstand der einzelnen Artikel der UN-Konvention. In zweifacher Hinsicht erstaunlich für einen Staatenbericht ist, dass die Kritik unkommentiert aufgenommen wurde.

Erstens verstärkt somit der Staatenbericht den Bericht der Zivilgesellschaft und gibt damit zu verstehen, dass die Kritik mehr als berechtigt ist und zweitens lässt die Republik die Gelegenheit völlig ungenutzt, zumindest andeutungsweise zu beschreiben, mit welchen Maßnahmen die Kritikpunkte aus der Welt geschaffen werden sollen.

Diese Maßnahmen werden wohl erst im Nationalen Aktionsplan (NAP), der ebenfalls im Rahmen der Präsentation des Staatenberichtes vorgestellt wurde, ausgearbeitet werden. Mit der Erstellung des NAP soll begonnen werden, sobald der Staatenbericht fertig gestellt ist.

Dabei handelt es sich wohl um das letzte kleine Missverständnis in der österreichischen Behindertenpolitik, denn logischer erscheint der deutsche Weg: Zuerst einen nationalen Aktionsplan erstellen und aufgrund dieses Plans und dessen konkreter Umsetzung dann den Staatenbericht an die UNO erstellen.

Am 26. Oktober 2010 muss der Bericht bei der UNO in Genf eingelangt sein.

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