Kino für alle – Rudolfsheim Fünfhaus mal anders

Kennt man Rudolfsheim-Fünfhaus sonst eher aus reißerischen Negativschlagzeilen, kann ich als Rollstuhlfahrerin und Kinoliebhaberin diesem - durchaus nicht nur ethnisch - multikulturell geprägtem Bezirk - auch viel Positives abgewinnen.

Lugner Kinocity
Lugner Kinocity

Da ich in unmittelbarer Nähe zur Lugner Kinocity wohne und auch gerne mit Freunden – mit oder ohne Behinderung – ins Kino gehe, kam ich trotz anfänglicher Skepsis gegenüber den großen Multi – und Cineplexxen in Einkaufszentren – nicht umhin, auch dieser einen Besuch abzustatten – und war – bin – positiv überrascht:

Schon im Eingangsbereich erwartet mich ein in Wien leider immer noch seltenes Bild. Rollstuhlfahrer sind hier nicht die große Ausnahme, wie mir mit einem Blick in die Schlange vor mir und die Menge rundum schnell klar wird. Hier gehören Menschen mit Behinderungen ebenso zum gewohnten Bild, wie Menschen unterschiedlicher Herkunft und Hautfarbe.

An der Kassa stelle ich mich auf ein längeres Procedere ein – war ich es doch in langen Jahren der Erfahrung gewohnt, entsetzte Blicke, gefolgt von einem Hinweis auf die feuerpolizeilichen Vorschriften zu ernten, sobald ich mehr als einen Rollstuhlplatz – womöglich noch mit Karten für die AssistentInnen – orderte.

Nichts dergleichen

Selbstverständlich bekomme ich sofort die Karten in die Hand. „Das macht dann 5 Euro“ der übliche Tarif für Rollstuhlplätze mit Begleitperson.

Zu meiner Überraschung werden weder ich noch meine AssistentIn – wie in anderen Kinos schon erlebt, – zur Unterschrift auf einer Liste aufgefordert, noch muss lange im Computer gesucht werden. Die Karte für meine Freundin hinterlege ich an der Kasse.

Erfreut über die unkomplizierte Abwicklung mache ich mich also auf in Richtung der Kinosäle und der beiden bereitstehenden Billeteure. Ich will schon zur inzwischen Routine gewordenen Erklärung „Ich bräuchte dann jemandem mit dem Schlüssel zum Lift“ ansetzen, doch nicht nötig. Einer der Billeteure steht schon unaufgefordert und ohne langes Herumtelefonieren vor dem Lift bereit.

Garantiert gute Sicht

Oben angekommen, erwartet uns ein geräumiger Kinosaal mit einem ebenso geräumigen und an den hinteren oberen Reihen angesiedelten Rollstuhlstellplatz mit großzügiger Rangierfläche. Er bietet mindestens zwei Rollstuhlfahrerin bequem Platz und garantiert gute Sicht.

Nicht wie andernorts häufig erlebt, wo sich die Rollstuhlplätze in der 1. Reihe befinden, man Gefahr läuft, eine Genickstarre zu riskieren und sich in manchen – durchaus nicht als Actionfilm deklarierten Filmen – wirklich fühlt wie an „vorderster Front“.

Jeder einzelne der 11 Kinosäle verfügt über derartige Plätze, immer in den hinteren Reihen, sodaß man „seinen Film“ getrost nach Geschmack und nicht nach Erreichbarkeit auswählen kann.

Die oberen Kinosäle sind durch Lift und weitläufige Rampen stufenlos erreichbar. Die Kinosäle im UG sind zumeist kleiner, doch ebenfalls für Rollstuhlfahrer gut nutzbar. An diesem Tag ist der Kinosaal kaum gefüllt – außer uns sitzen noch etwa 4 weitere Paare im Saal, wie ich später zufällig merke, sind 2 davon ebenfalls in ihrer Mobilität eingeschränkt.

Barrierefrei zugängliche Lokale

Natürlich verfügt das Kino auch über ein für Rollstuhlfahrer adaptiertes WC im EG, zugänglich mit dem Eurokey. Weitere befinden sich im angrenzenden Entertainment -bzw. Shoppingcenter, wo sich auch barrierefrei zugängliche Lokale befinden. Dort kann man den Kinobesuch noch mit einem guten Essen oder einem Drink ausklingen lassen kann.

Wem hier zu großer Geschäftstrubel und Lärm herrscht, der findet zum Beispiel im Cafe ober der Städtischen Hauptbibliothek oder dem nicht allzu weit entfernten Restaurant Kent mit barrierefrei zugänglichem Gastgarten und Innenräumen durchaus Alternativen.

Menschen mit Behinderungen sind hier augenscheinlich kein besonderer Ausnahmefall, sondern überall selbstverständlich vertreten: als alltägliche Gäste, Besucher und Konsumenten.

Fazit: Kino für alle – sowohl baulich als auch organisatorisch bis auf Kleinigkeiten

(Cafe im Eingangsbereich durch eine Stufe erhöht, Spülung im WC nur an der Rückseite angebracht) gut durchdacht und umgesetzt. Eines der wenigen durchgängig barrierefrei zugänglichen Kinocenter in Wien.

Für mich ein positives Beispiel, wie Inklusion auch gelebt werden kann: unangestrengt, unbürokratisch und mit erfrischender Selbstverständlichkeit.

Dass dies wohl durch die große Zahl an betreuten Wohngemeinschaften, Werkstätten und Einrichtungen zur Integration behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt in diesem Bezirk angeregt wurde, wo der Inklusiongsgedanke leider häufig noch ein Wunschgedanke ist, steht auf einem anderen Blatt.

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