Dorothea Brozek

Gewalt braucht Öffentlichkeit

Wenn behinderte Frauen und Männer sich selbstbewusst gegen Diskriminierung wehren, wird dies nicht gern gesehen.

Wenn Proteste artikuliert und auch öffentlich gemacht werden, schlagen manche Diskriminierer im Sinne „Angriff ist die beste Verteidigung“ zurück. Auch vor Unwahrheiten wird nicht zurückgeschreckt. Die, die sich wehren sollen scheinbar diskreditiert werden.

Solche Handlungsweisen haben System.
Dahinter steckt eine strukturelle Gewalt, die behinderte Menschen unterdrückt und ihre Rechte und Würde missachtet indem sie sie von der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und von politischen Rechten ausschließt und Proteste mit Gleichgültigkeit und Ignoranz straft. Da wird jede Gleichstellungsdebatte zur Heuchelei.

Nichtsdestotrotz müssen gewalttätige Strukturen und Systeme aufgezeigt werden, indem behinderte Menschen und solidarische UnterstützerInnen diese benennen und sich wehren – und viele machen es.

So will auch ich es tun:
Letzte Woche, als ich meine Post durchging, war eine interessante Einladung dabei: „Das Team für Wien lädt Sie und Ihre Begleitung zum Team Talk mit Stadträtin Mag. Renate Brauner in der Ringturm ein. Nach einem einleitenden Referat zur Gesundheits- und Sozialpolitik freut sich Mag. Renate Brauner mit Ihnen zu plaudern und zu diskutieren.“

Ich dachte mir eine gute Gelegenheit mit unserer Stadträtin ins Gespräch zu kommen, nicht zuletzt, weil es seit 22. Juli 2004 nicht möglich ist, bei Ihr einen persönlichen Termin zum Thema Persönliche Assistenz zu bekommen, geschweige ein simples Antwortschreiben ihrerseits. – Aber das ist eine andere Geschichte …

Meine telefonische Anmeldung zu dem Team Talk wurde am 22.4.05 von einer Mitarbeiterin entgegengenommen, mein Name notiert, und ich wurde gefragt mit wie vielen Personen ich an der Veranstaltung teilnehme. Die überaus freundliche Dame dankte für meine Anmeldung.

Danach informierte ich mich über die Barrierefreiheit des Veranstaltungsortes, des Ringturmes. Darüber konnte mir die Mitarbeiterin des „Team für Wien“ keine Auskunft geben. Sie bot mir freundlich an, dies ausfindig zu machen und mich zurückzurufen, was sie auch tat.

„Ich muss Ihnen leider sagen, dass es nicht geht.“

„Wie bitte?“

„Ähm, na ja, es führt ein Aufzug bis zum 19. Stock. Die Veranstaltung ist im 20. Stock.“

„und nun?“

„ja, ich weiß nicht, ich kann Ihnen nichts anderes sagen.“

Ich verlangte den Verantwortlichen und bekam Herrn Yenici, den Projektkoordinator zu sprechen.

Er erklärte mir, warum dort keine Barrierefreiheit gegeben ist, dass bereits einmal eine Vorrichtung montiert worden ist, aber die Wand dies nicht tragen konnte und daher diese Vorrichtung wieder abgebaut wurde.

Er erklärte, dass die Barrierefreiheit des Ringturmes nicht in seiner Macht steht, aber die Verantwortlichen sich darum bemühen.

Er erklärte weiters, dass das „Team für Wien“ auf die kostenlose Möglichkeit, im Ringturm die Team Talks abzuhalten, nicht verzichten kann: „Damit wären erhebliche Kosten verbunden.“

Er erklärte, dass sie ohnehin auch andere Veranstaltungen durchführen, einige davon seien auch barrierefrei.

Ich konnte es nicht fassen. Keine Entschuldigung, kein Betreten-sein, kein Suchen nach Alternativen. Ich konnte es nicht fassen, denn 2002 wurden Menschen im Rollstuhl am Besuch einer ähnlichen Veranstaltung mit Stadträtin Pittermann als Referentin in denselben Räumlichkeiten an der Teilnahme gehindert. Sie erhielten damals nach ihren Protesten die Zusage, dass „Team Talks“ in Zukunft immer in barrierefreien Räumlichkeiten stattfinden würden.

Ich weiß dies deshalb so genau, weil ich eine von diesen ausgeschlossenen Menschen war. Damals sprach ich u.a. mit dem Projektleiter des „Team für Wien“ Vorort, im Ringturm vor den Stufen, die mich an der Teilnahme der Diskussion hinderten. Soweit ich der Website von „Team für Wien“ entnehme, ist der Projektleiter noch immer derselbe. Ich erinnere mich noch gut, dass ich ihn gebeten habe, ob die Stadträtin nicht auf ein paar kurze Minuten zu mir runterkommen könnte, selbstverständlich im zweiten Teil der Veranstaltung, wenn alle die Möglichkeit haben mit ihr zu „plaudern und diskutieren“. Herr Todt sagte nein und ging. Am nächsten Tag hatte ich eine Mail des Büros Pittermann mit dem Bedauern und der Zusage, sich in Zukunft um Barrierefreiheit zu bemühen.

Zurück zu Team Talk 2005 und dem Telefonat mit Herrn Yenici, dem Projektkoordinator.

Erst als ich meinte: „Wissen Sie, es ist traurig genug, dass das jetzt von mir kommen muss und sie nicht auf die Idee kommen. Aber, wie wäre es, wenn sie sich dafür einsetzen, dass ich einen persönlichen Termin bei der Stadträtin bekomme. Als Ausgleich, dass ich aufgrund des Ausschlusses durch die Stufen nicht mit ihr ‚plaudern und diskutieren‘ kann.“

„Da kann ich gar nichts machen. Wir vom „Team für Wien“ müssen auch drei Monate auf Termine mit der Stadträtin warten.“

„Ich kann dies so nicht hinnehmen, lassen Sie sich was einfallen.“

Dann kam der Vorschlag eines „professionellen Transportes vom 19. in den 20. Stock vom Arbeiter-Samariter-Bund, der einen Transport von RollstuhlfahrerInnen auch sicherstellt.“

Dann begann ich zu erklären, warum diese Lösung nicht möglich ist, insbesondere wenn es um E-Rollstühle geht und zweitens, dass diese Lösung nicht akzeptabel ist. Das Gespräch wurde beendet.

Ich finde es empörend, wie sich behinderte Menschen immer wieder in ihren Grundrechten erklären und ihr Leben begründen müssen. Die Geschichte unseres Landes ist wohl noch lange nicht aufgearbeitet.

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