Deutschland: Es ist widerlich

Der Medizinische Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) hat in Berlin seinen zweiten Bericht zur "Qualität in der ambulanten und stationären Pflege" vorgelegt, Missstände aufgezeigt und damit Beschwichtigungsparolen ausgelöst.

Flagge Deutschland
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Der Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) sieht in einer Pressemitteilung „die Pflege auf dem richtigen Weg“, weil die Zahlen hungernder und vernachlässigter Menschen zurück gegangen seien. Für Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, ist ein Bild-Zeitungsbericht „verantwortungslose Stimmungsmache und unhaltbares Zahlenspiel“ (siehe auch). Und auch andere Heimbetreiber empören sich über den Bericht des MDS.

Kommentar von kobinet-Redakteurin Elke Bartz

Es ist widerlich! Da liegt der 2. Bericht zur Pflegesituation des MDS vor und was geschieht? Allüberall werden die Zahlen beschönigt. Wenn „nur“ noch ein Drittel aller Heimbewohnerinnen und -bewohner nicht ausreichend mit Essen und Trinken versorgt wird, ist das demnach ein „Erfolg“, denn schließlich war es nach dem 1. MDS-Bericht vom November 2004 eine noch größere Anzahl von Menschen, denen selbst die existenziellen Bedürfnisse verweigert wurden. Als wenn es nicht schon zuviel ist, wenn auch nur ein einziger Mensch hungert, austrocknet oder in seinen Exkrementen liegen muss.

Der Zynismus ist grenzenlos, mit dem über die Lebenssituationen pflegebedürftiger Menschen diskutiert wird. Als wenn es nicht seit vielen Jahren bekannt ist, wie diese in Anstalten dahinvegetieren, von der sozialen Euthnasie, die noch dazu kommt, ganz zu schweigen.

Anstatt sich darüber zu empören, dass die Würde alter, kranker und behinderter Menschen mit den Füßen getreten wird, dass es wieder einmal „amtlich festgehalten“ werden musste, wie Menschen ihrer Grundrechte beraubt werden, empören sich Betreiber von „Heimen“ darüber, dass Menschenrechtsverletzungen angeprangert werden, wo doch so tolle Arbeit in ihren Anstalten geleistet wird. Wenn das stimmen würde, wäre es ein Leichtes – auch für die „Heim“-betreiber – die angeblich wenigen schwarzen Schafe anzuprangern, die nichts anderes im Sinne haben, auf einem lukrativen Markt den schnellen Euro zu machen.

Übrigens, wie soll sich der behinderte Mann aus Wittenberg fühlen, der von seinem Sozialhilfeträger in dieser Woche auferlegt bekommt darzustellen, warum es ihm nicht zuzumuten ist, in ein „Heim“ zu ziehen? Seine ambulante, selbst organisierte Hilfe sei zu teuer.

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3 Kommentare

  • Niemals Heim
    Nie ein nicht echter D
    in meiner nähe
    Lieber Tod

  • In Österreich gibt es das alles natürlich nicht, alles heile Welt, nur noch etwas verschönern müssen wir das verAnstaltete Leben in den Heimen noch. Attraktiver müssen sie noch werden (der Zuckerguss fehlt halt noch), der Streichelzoo und das eigene Mini-Gärtlein als hochdotierte Therapie, natürlich auch ein reichhaltiges Kulturprogramm. Natürliche Lebensräume, die den Menschen vorher brutal mit indirektem Zwang hinter die Mauern entzogen wurden, versucht man als Konservenkost wieder zu servieren.
    Den Leuten muss einfach die Angst vor dem Heim genommen werden, so unisono die Politik! Gesundheitsministerium oder Krankenkassen kämen bei uns nie auf die Idee, konsequent und nachhaltig zu prüfen. Die Aufsichtsbehörden (Länder) sehen in eigenem Interesse weg, sie sind es ja, die den Einsparungsdruck vorgeben. Wenn man dann und wann bei Beschwerden in Einzelfällen (natürlich angemeldet) prüft, ist eh alles Bestens, Betreiber und Behörden auf Kuschelkurs! So wartet man halt den nächsten Pflegeskandal ab und baut inzwischen emsig weitere „Wohlfühl-Heime“.
    Wann wacht Österreich endlich auf, um zu erfassen, in welchen Abgrund der Zug „Aussonderung & Ökonomisierung“ führt?

  • Da es sich lt. MDK- Bericht überwiegend um angemeldete „Prüfungen“ (>75 %) handelte, was mir völlig unverständlich ist, kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass alles noch viel schlimmer ist, als es nun ohnehin beschrieben ist.
    Nur eine wirklich unangemeldte Überprüfung (von der vorher auch sicher nichts durchsickerte), besitzt in meinen Augen eine vertrauenswürdige Aussagekraft, vor der man also nach wie vor die Augen verschließt!