Behindertengleichstellung – was gibt es Neues?

Am 7. und 8. September 2007 fand im Wiener Kardinal König Haus eine ÖZIV Schulung zum Thema "Behindertengleichstellungsgesetz" (BGStG) statt.

Klaus Voget und Martin Ladstätter / ÖZIV-Schulung 070907
Fürsatz, Christian

Am ersten Tag referierte Präsident Voget zu den Grundsätzen des Gesetzes; anhand von Fallbeispielen wurde den interessierten Teilnehmern näher gebracht, was das dann in der Praxis tatsächlich heißen könnte.

Am nächsten Tag referierte Martin Ladstätter vom Verein „BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben“ sehr praxisnahe über seine Erfahrungen im Zusammenhang mit Schlichtungsverfahren. Seit dem Bestehen des Gesetzes wurden mehr als 200 Schlichtungen abgehalten; bei rund 40 Schlichtungssitzung war ein Vertreter von BIZEPS dabei.

Aus den Darstellungen wurde sehr deutlich, dass die Begleitung von Betroffenen für diese sehr hilfreich ist und andererseits den Vorteil bietet, dass oftmals Lösungen erzielt werden können, die auch für andere Menschen mit Behinderung einen Nutzen bringen.

Martin Ladstätter äußerte sich insgesamt sehr positiv zu den verpflichtenden Schlichtungsverfahren: „Das Gesetz muss dort genützt werden, wo es gut ist. Früher gab es nur informelle Kontakte und Einflussnahme durch diverse Interessenvertretungen. Jetzt ist eine Behörde Einlader; das wird von den Streitpartnern ernster genommen. Bei fast allen bisherigen Schlichtungen sind alle Parteien der Einladung gefolgt.“

Ein ganz wesentlicher Aspekt ist dabei sicherlich, dass mit einer Schlichtung oft mehr erreichbar ist als mit einer Klage. Auf Grund der gesetzlichen Situation wäre vor Gericht ausschließlich Schadenersatz erreichbar. Die Lösungen im Schlichtungsverfahren bringen häufig auch eine Beseitigung der diskriminierenden Situation mit sich.

Eine weitere Erkenntnis ist die Tatsache, dass das Gegenüber oft gar nicht weiß, dass es diskriminiert hat. Dies liegt einerseits an mangelhafter Information und andererseits auch an der Tatsache, dass das Thema Gleichstellung für viele ganz einfach nicht nachvollziehbar ist. Der schriftliche Schlichtungsantrag, welcher von der diskriminierten Person einzubringen ist, wird vom Bundessozialamt (BASB) im Rahmen der Einladung zum Schlichtungsgespräch auch dem „Diskriminierer“ zugestellt. Damit wird der Prozess des Sich-Annäherns eingeleitet.

Falls eine betroffene Person Begleitung wünscht, muss dies dem BASB im Vorfeld bekannt gegeben werden. Kommt es zu dieser Begleitung, so hat diese eine Vielzahl von Aufgaben vor sich. Die Situation wird vor Antragseinbringung genau geprüft – Liegt wirklich Diskriminierung im Sinne des BGStG vor? Danach geht es darum, abzuklären, welche Ziele in der Schlichtung verfolgt werden sollen und wie diese möglicherweise erreichbar wären. Eine Einigung im Schlichtungsverfahren ist nur erzielbar, wenn beide Parteien mit der angestrebten Lösung zufrieden sind.

Häufig braucht es eine zweite Sitzung, was sich in der Praxis als sehr hilfreich herausgestellt hat. Der Streitpartner kann diese Bedenkzeit dazu nützen, um sein gesetzwidriges Handeln zu erkennen, sich fehlende Informationen zu beschaffen (z.B. was heißt eigentlich WAI-Richtlinien?) und über – aus seiner Sicht – mögliche Angebote und Veränderungen nachzudenken.

Eine in der Schlichtung erzielte Einigung wird vom BASB schriftlich festgehalten. Wenn sich der Vertragspartner in der Folge nicht an diese Vereinbarung hält, so ist eine Klagseinbringung nach ABGB möglich. Diese bringt eventuell (je nach Einigungsergebnis) mehr als einen Schadenersatz und das Verfahren ist einfacher als eine Klage nach BGStG.

Im abschließenden Rollenspiel konnten die Schulungsteilnehmer ihr neues Wissen in der „Praxis“ erproben. Dabei kam es zu zwei weiteren, ganz wesentlichen Erkenntnissen. Angebote, die seitens des „Gegners“ gemacht werden, sollten sofort aufgegriffen und das BASB um Verschriftlichung ersucht werden. Und für die Rolle eines etwaigen Begleiters ist es wichtig, im Vorfeld genau die Ziele mit der diskriminierten Person abzustimmen, da es ansonsten während des Schlichtungsverfahrens zu Zielkonflikten kommen könnte!

Lassen Sie uns zum Abschluss noch kurz von einem sehr positiven Schlichtungsverfahren berichten: Eine Lebensmittel-Filiale in Wien, die anfänglich die Herstellung einer Rampe auf öffentlichem Grund erzwingen wollte, war letztlich doch bereit, diese Rampe im Geschäft zu bauen. Und die diskriminierte Person hat zusätzlich eine Wiedergutmachung in Form von € 400,– Gutscheinen erhalten!

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich