Wien bald Schlusslicht statt Spitzenreiter?

Die Wiener SPÖ stellt ihre behindertenfeindliche Haltung abermals unter Beweis, indem sie grundvernünftige Anträge der Opposition ablehnt und damit den Fortschritt nach Kräften vereitelt.

Wiener Rathaus
BIZEPS

Immer deutlicher mehren sich die Zeichen: Die Wiener Rathausmehrheit – also die SPÖ – ist nicht daran interessiert, die Chance zu ergreifen, zum österreichischen Spitzenreiter in Sachen Behindertenpolitik zu werden. Hatten ewige Optimisten bis vor geraumer Zeit noch einigen Grund zu dieser Annahme, so sind die Chancen nunmehr gegen Null gesunken.

Aktueller Anlass dafür sind die jüngsten Abstimmungen im Wiener Gemeinderat am 23. und 24. Juni 2008: Auch diesmal wieder setzten die Abgeordneten der Wiener SPÖ ihre schon in der Vergangenheit praktizierte Politik der Ignoranz fort und erteilten der Mehrzahl der von den beiden Oppositionsparteien, Grüne und ÖVP, eingebrachten Anträge eine herbe Abfuhr.

SPÖ gegen …

Die SPÖ-Fraktion war nicht nur

  • gegen eine Erweiterung des Bezieherkreises der Pflegegeldergänzungsleistung oder eine Beschleunigung bei der Anschaffung von ULF-Straßenbahngarnituren, sie war auch
  • gegen einen Kriterienkatalog zur Sicherstellung der Barrierefreiheit in Wiener Fußballstadien,
  • gegen die Barrierefreiheit beim Selbstablesen der Zählerstände von Wien Energie und
  • gegen ein Engagement der Stadt Wien zur Erstellung eines Gesetzesvorschlages für eine bundeseinheitliche Regelung für Persönliche Assistenz.

Schauen wir uns einmal diese Anträge etwas näher an. Zuerst den Fall der Wiener Stadtwerke. Diese haben kürzlich angekündigt, dass Ablesungen an den Zählerständen von ihren Kunden selbst vorgenommen werden sollen. Dies ungeachtet der Tatsache, dass mindestens ein Drittel des davon betroffenen Personenkreises nicht in der Lage ist, selbiges zu tun.

Angefangen von älteren Menschen über sehbehinderte, blinde und lernbehinderte Menschen bis hin zu Menschen mit eingeschränkter Greiffunktion, gehbehinderten Menschen und Rollstuhlfahrern. Dieser unglaublichen Weltfremdheit der Wiener Stadtwerke haben sich die Abgeordneten der Wiener SPÖ einstimmig angeschlossen und gegen einen entsprechenden Antrag der Grünen und der ÖVP gestimmt.

Oder der Antrag zugunsten barrierefreier Fußballstadien: weil die Frage der Barrierefreiheit von der Stadt Wien von den Erfordernissen des jeweiligen Veranstalters abhängig gemacht wird, wurde hier verlangt, dass Wien einen verbindlichen Kriterienkatalog zur Sicherstellung der Barrierefreiheit schafft. Doch anstatt sich für barrierefreie Sportstätten einzusetzen, lehnten die SPÖ-Abgeordneten diesen Antrag der Wiener ÖVP ab.

Und wie kann ein Bundesland gegen so einen Antrag sein: die ÖVP und die Grünen wollen, dass der Gemeinderat der Stadt Wien den zuständigen Bundesminister auffordert, einen Gesetzesvorschlag für eine bundeseinheitliche Regelung für Persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderung zu erarbeiten. Selbstverständlich unter Beteiligung der Betroffenen und der Länder.

Diesen grundvernünftigen und absolut folgerichtigen Antrag abzulehnen heißt, gegen eine logische Weiterentwicklung der Pflegevorsorge zu sein, dagegen zu sein, dass der Bund sich an der Organisation und der Finanzierung der Pflegevorsorge beteiligt und eine nach oben offene Pflegegeldstufe gemäß einer alten Forderung der Behindertenbewegung einführt.

Absolut unverständliche Ablehnung

Diese absolut unverständliche Ablehnung ist aber auch eine Desavouierung von Stadträtin Mag. Sonja Wehsely (SPÖ), die sich in einer Presseaussendung am 28. November 2007 richtigerweise ausdrücklich für ein Engagement des Sozialministers im Bereich der Pflegevorsorge zum Zwecke einer Weiterentwicklung dieser ausgesprochen hat.

Es zeigt sich also, dass die Rathausmehrheit nicht nur gegen jene Anträge gestimmt hat, die der Stadt Wien Kosten verursachen könnten – obwohl die Kostenfrage, wenn es sich um Fragen der Gleichstellung und um Fragen unserer Bürgerrechte handelt, nicht gegengerechnet werden kann und darf.

Unverständlicherweise wurde von den Abgeordneten der Wiener SPÖ auch gegen Anträge zur Erreichung von Barrierefreiheit oder zur Erzielung von Gleichstellung gestimmt.

Aus Fehlern lernen?

Es hat den Anschein, dass die Wiener SPÖ nicht bereit ist, aus Fehlern zu lernen und somit zum Wiederholungstäter geworden ist. Diese Haltung zieht sich wie ein – Nomen es Omen – roter Faden durch die politische Landschaft Wiens.

Die behinderten Menschen in dieser Stadt fragen sich, wie lange sie sich diese behindertenfeindliche Haltung noch gefallen lassen müssen?

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