Alles Bürgerliche langweilt

Das Gespräch mit Karsten Krampitz führte kobinet-Autor Matthias Vernaldi.

Karsten Krampitz
Krampitz, Karsten

Karsten Krampitz hat im Vorlesewettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis den Publikumspreis gewonnen. Im kobinet-Interview äußert sich der Berliner Journalist und Schriftsteller als Außenseiter, dem „die Randständigen, die Kranken und Kaputten einfach näher“ sind. Seine Novelle, aus der Krampitz in Klagenfurt vorgelesen hat, soll noch in diesem Jahr erscheinen.

kobinet: Herzlichen Glückwunsch, Karsten Krampitz, zum Gewinn des diesjährigen Publikumpreises des Bachmannwettbewerbs in Klagenfurt. Damit – nein, eigentlich schon mit der Nominierung zum Wettbewerb – bist du in den Reihen der bedeutenden und beachteten deutschsprachigen Autoren angekommen. Wie fühlst du dich jetzt? Hast du schon einen Agenten? Trinkst du noch dasselbe Bier?

Krampitz: Ich trinke immer noch „Berliner Pilsner“ oder „Radeberger“. Und einen Agenten habe ich auch schon eine Weile – ihm habe ich meine Nominierung zu verdanken. In einem halben Jahr erinnert sich aber da ohnehin keiner mehr dran. Bis dahin aber ist meine Novelle hoffentlich in die Läden gekommen. Heutzutage ist es beinahe schwerer ein Buch in den Handel zu schaffen, als es zu schreiben.

kobinet: Nach dem Verständnis unseres westlichen europäischen Sozialsystems bist du behindert. Welche Rolle spielt das in deiner journalistischen und literarischen Arbeit?

Krampitz: Mein rechter Arm ist ja zwölf Zentimeter kürzer. Wenn ich als Journalist Interviewpartnern die Hand gebe, sind die immer etwas verwirrt, weil man sich doch irgendwie näher gekommen ist – auf ganz unkonventionelle Weise. Und in der literarischen Arbeit … Ohne meine Behinderung, die zur Zeit eher ein ästhetisches Problem ist, hätte ich als Jugendlicher oder während meiner Adoleszenz sicher nicht den Weg zur Literatur gefunden. In dem Alter will doch jeder irgendwie berühmt werden, denn jeder will geliebt werden. Und wenn du dann optisch nicht der Norm entsprichst, dein Verkehrswert gegen Null tendiert, erscheint dir Berühmtsein als probates Mittel, um ein Mädel in die Kiste zu kriegen. Doch abgesehen davon: Für meine Bücher ist die Knochenkrankheit geradezu ein Glück. Wo andere die Tinte nicht halten können, fasse ich mich kurz; für tausend Seiten habe ich gar nicht die Kondition.

kobinet: In deinem Roman „Der Kaiser vom Knochenberg“ blickst du auf deine Schulzeit in einer Sonderschule für Körperbehinderte. In „Affentöter“ geht es um ein Obdachlosenzeitungsprojekt und in der für den Bachmannpreis nominierten Novelle „Heimgehen“ ist der Protagonist ein Pfarrer in der DDR, der sich selbst öffentlich auf dem Marktplatz vor seiner Kirche verbrannte. Ist das gesellschaftliche Abseits, das Absonderliche dein Grundthema?

Krampitz: Ich habe mir darüber noch nie wirklich Gedanken gemacht. Für mich ist Schreiben auch ein Weg, um Aggressionen abzubauen. Leider kann ich mich nicht herumprügeln, nicht in diesem Körper. Hinzu kommt, dass ich eine ziemlich düstere Seite in mir habe. Vielleicht schreibe ich deshalb über solche Themen. Manchmal passiert beim Schreiben einfach etwas, so als ob jemand anderes die Feder führt oder eben meine Hände auf der Tastatur. Wie ein Rausch kann das sein. Eben diesen Kick suche ich; danach richte ich meine Antennen aus. Und als Außenseiter, der ich bin, sind mir die Randständigen, die Kranken und Kaputten einfach näher; in die kann ich mich hineinversetzen. Alles Bürgerliche langweilt mich nur. Und wenn es mich selbst schon langweilt, wie soll ich andere dafür begeistern?

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