10 Jahre Pflegevorsorge – 10 Jahre auf dem Weg zu Selbstbestimmung und Autonomie?

Am 25.6.2003 findet das Fachsymposium "10 Jahre Pflegevorsorge" statt. Im Vorwort zur Einladung behauptet Michael Chalupka, dass wir 10 Jahre auf dem Weg zur Selbstbestimmung und Autonomie sind und stolz auf unsere Leistungen sein können.

SLIÖ Selbstbestimmt Leben Initiative Österreich
SLIÖ

Wir von Selbstbestimmt Leben Österreich als politische Interessenvertretung behinderter Menschen nehmen das verwundert zur Kenntnis. Die Erfahrungen behinderter Menschen in den letzten 10 Jahren sind andere:

Wir bemerken nichts davon, dass wir unser Leben selbst bestimmen können und autonom schon gar nicht. Dazu fehlt uns die nötige Unterstützung und Hilfe.

Nach 10 Jahren Pflegevorsorge müssen 20ig – jährige behinderte Männer und Frauen immer noch in Pflegeheime, wenn sie Assistenz brauchen und keine Familie sie unterstützt. Dort erhalten sie einen Bruchteil der Assistenz, die sie benötigen. Wo ist hier die Wahlmöglichkeit zwischen akzeptablen Angeboten, die ein wesentliches Kriterium der Selbstbestimmung ist?

Familien mit behinderten Kindern finden immer noch keine Entlastungsdienste, die ihren Bedarf abdecken. Wo ist da die Autonomie?

Die verfügbaren Dienstleistungen entsprechen weder quantitativ noch qualitativ, dem was wir und andere behinderte Menschen und deren Familien seit Jahrzehnten fordern. 80% aller Assistenzleistungen werden von Angehörigen geleistet.

Eigentlich wäre es die Verpflichtung der Länder in diesen zehn Jahren gewesen, bedarfsgerechte ambulante Strukturen aufzubauen, stattdessen werden nach wie vor stationäre Angebote finanziell bevorzugt.

Qualitätskriterien für die Leistungen werden von Trägern, Bund und Ländern über unsere Köpfe hinweg festgelegt. Selbstbestimmung beinhaltet aber auch die federführende Mitbestimmung über Dienstleistungen, die uns bei der Bewältigung des Alltags helfen. Dies gilt für behinderte Menschen genauso wie für deren Familien.

Stattdessen finden wir tagtäglich Verstöße gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Der soll auch behinderte Menschen vor Folter und unwürdiger Behandlung schützen. Dieser Schutz umfasst auch die bedarfsgerechte Assistenz nach den Kriterien der behinderten Person. Der Europäische Gerichtshof hat das in einem Urteil ganz klar festgehalten.

Assistenz und Unterstützung ist eine Grundbedingung der gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen an dieser Gesellschaft in Österreich. Selbstbestimmt Leben Österreich fordert diese Grundbedingung seit Jahren ein, zuletzt in der Grundsatzerklärung zum Europäischen Jahr behinderter Menschen 2003.

Diese Grundbedingung wird nicht erfüllt und daher ist auch die Gleichberechtigung behinderter Menschen in Österreich nicht gegeben. Dies werden wir in der Arbeitsgruppe zu einem Bundesgleichstellungsgesetz für behinderte Personen auch immer wieder thematisieren.

Wir verstehen wirklich nicht, worauf wir derzeit stolz sein sollen.

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