Schweiz: Volksinitiative „Gleiche Rechte für Behinderte“

Jede Unterschrift zählt: Der Mobilisierungsschub, der dieses Jahr die Behinderten in unserem Land erfaßt hat, ist am 18. August 1998 in eine neue Phase getreten.

Über 40 Organisationen des Behindertenwesens quer durch alle Behinderungsgruppen (Körper-, Sinnes-, Geistig- und Psychischbehinderte) haben gemeinsam die Volksinitiative „Gleiche Rechte für Behinderte“ lanciert.

Das Volksbegehren, ein weiterer Markstein auf dem Weg zur vollen Chancengleichheit der Behinderten in unserem Land, will die Bundesverfassung mit einem Verbot der Diskriminierung und dem Gebot zur Gleichstellung behinderter Menschen ergänzen; dritte Forderung ist die Gewährleistung des Zugangs zu öffentlichen Bauten, Anlagen und Einrichtungen für behinderte Menschen.

Diese Forderungen bilden seit bald drei Jahren den Kern aller gemeinsamen Anstrengungen von Betroffenen und ihren Organisationen.

Die Zeit läuft: So rasch wie möglich – bis Jahresende – wollen wir die nötigen 100.000 beglaubigten Unterschriften bei der Bundeskanzlei einreichen. Obwohl wir gut gestartet sind – rund 60.000 Personen haben bis Ende Oktober 1998 unterschrieben – ist das kein Pappenstiel!

Es braucht weiterhin den hartnäckigen Einsatz von uns allen! Gehen wir mit unseren FreundInnen auf die Straße, prangern wir die alltäglichen Benachteiligungen an und überzeugen wir die Stimmberechtigten im persönlichen Gespräch, nicht nur die Initiative zu unterschreiben, sondern später bei der Volksabstimmung über unser Anliegen ein Ja in die Urne zu legen.

Jede Benachteiligung, die wir sichtbar machen können, bleibt im Gedächtnis haften. Dieses Prinzip machten wir uns anläßlich der Lancierung in Bern zu nutze:

Mittels einer ungewöhnlichen Stadtrundfahrt zeigten Angehörige der verschiedenen Behinderungsgruppen vor den Medien auf, daß Benachteiligungen für sie in der Hauptstadt nach wie vor zum Alltag gehören. So wies z. B. ein Betroffener eindrücklich daraufhin, welche Schwierigkeiten Blinde und Sehbehinderte mit der Benutzung von Bankomaten haben, weil keine standardisierten Modelle vorgeschrieben und bildschirmgestützte Systeme deshalb weiter im Vormarsch sind.

Gegen solche Benachteiligungen durch öffentliche Einrichtungen können und müssen wir etwas tun: An die Arbeit! Sammeln wir Unterschriften auf der Straße, bei Volksfesten und Vereinsanlässen – kurz: bei jeder sich bietenden Gelegenheit!

Diese Knochenarbeit bleibt dringend nötig, obwohl unsere Anstrengungen auch innerhalb des Parlaments Früchte tragen.

National- und Ständerat haben sich Ende September nämlich darauf geeinigt, in die Verfassung das ausdrückliche Diskriminierungsverbot verschiedener Behinderungsarten aufzunehmen, sowie gesetzliche Maßnahmen zu ergreifen, um bestehende Benachteiligungen der Behinderten zu beseitigen und auszugleichen.

Auch wenn beide Kammern damit eine Formulierung wählten, die den Bedürfnissen der Betroffenen nicht im nötigen Maß entgegenkommt – die gesetzlichen Maßnahmen sorgen nicht mehr ausdrücklich für die Gleichstellung der Behinderten und der völlig unverzichtbare Zugang zu den öffentlichen Einrichtungen und Anlagen fehlt gar vollständig – zeigte diese Verhandlung doch klar, daß das Parlament seit der Großdemonstration im März 1998 mit 8.000 Personen auf dem Bundesplatz nicht mehr am Thema vorbeikommt.

Die Unterstützung von entsprechenden Verfassungsänderungen nimmt stetig zu. Das sah mindestens der Ständerat noch Anfang dieses Jahres ganz anders!

Zudem sprach sich der Nationalrat am gleichen Sessionstag für die parlamentarische Initiative von Nationalrat Marc F. Suter aus, die 1995 eingereicht wurde und ganz am Anfang aller unserer Bemühungen um Gleichstellung stand. Auch ihr gewährte der Nationalrat die nötige Unterstützung.

Er sprach sich hier sogar für den garantierten Zugang zu öffentlichen Einrichtungen, Anlagen und Leistungen aus, d. h. er ging tatsächlich weiter als bei der nachgeführten Verfassung und hat sämtliche unserer Forderungen gutgeheißen.

Für uns bedeutet dies: Bleiben wir vorläufig trotzdem auf dem Boden! Der Ständerat wird bald ebenfalls über die parlamentarische Initiative entscheiden: Sehr wahrscheinlich ist, daß er eine schwächere oder unvollständige Version beschließt.

Also sind wir Betroffenen, obwohl inzwischen auf allen möglichen Schienen Richtiges und Wichtiges läuft, weiter fest daran interessiert, daß die Unterschriften für die Volksinitiative mit allen drei Teilen (Benachteiligungsvebot, Gleichstellungsgesetz und Zugang zu öffentlichen Bauten) rasch zusammenkommen. Worauf warten wir also noch?! Kämpfen wir weiter!

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