Wie die neue Regierung punkten kann

Offener Brief an Kanzler Schüssel Lebenshilfe Österreich zur Regierungsbildung

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„In den vergangenen Jahren hat sich in der Gesetzgebung für Menschen mit geistiger Behinderung betrifft zu wenig bewegt“, meint Heinz Fischer, Präsident der Lebenshilfe Österreich, in einem Offenen Brief an Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel.

Im Koalitionsübereinkommen Kapitel 1, Punkt 5 steht: „Eine Gesellschaft wird daran gemessen, wie sie mit den Schwächsten umgeht, daher ist es wichtig den sozialen Zusammenhalt zu gewährleisten, die Integration zu fördern und soziale Ausgrenzung und Diskriminierung zu verhindern.“ Die neue Regierung habe die Chance, sich auf diesem Gebiet durch fortschrittliche Gesetze zu profilieren. Die Lebenshilfe Österreich schlug konkrete Inhalte zu oben angeführtem Satz vor.

„Schubladisiert“ habe die alte Koalitionsregierung einen fertigen Gesetzesvorschlag zur Sterilisation von Menschen mit geistiger Behinderung. Sterilisationen können immer noch im Graubereich der Gesetzeslücken durchgeführt werden. Nach dem Bekanntwerden von „Zwangssterilisationen“ vor mittlerweile bald drei Jahren sei die Politik kurzfristig sehr aktiv gewesen, das Thema sei aber schnell wieder in Vergessenheit geraten.

„Wenn Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, daran gehen, die Versäumnisse der alten Regierung aufzuarbeiten, darf dieser Gesetzesvorschlag nicht im Mistkübel landen.“, fordert Fischer.

Ein weiteres Profilierungsthema für die neue Regierung sieht Fischer bei den Spätabtreibungen behinderter Kinder. Seit Jahren werde die Lebenshilfe mit diplomatischen Aussagen vertröstet. „Es ist Zeit, endlich Entscheidungen zu treffen und dementsprechend zu handeln. Die neue Regierung kann nur punkten, wenn sie sich von der Selektion behinderter Kinder durch eine Gesetzesänderung klar distanziert.“ Notwendig sei dazu lediglich die Streichung von einigen Wörtern im Paragraph 97 des Strafgesetzbuches.

Internationale Beachtung wäre der neuen Regierung sicher, würde sie sich gegen eine Ratifizierung der „Biomedizin-Konvention“ des Europarates in der bestehenden Form aussprechen. „In dieser Konvention ist zum Beispiel festgehalten, daß einwilligungsunfähige Menschen für medizinische Forschung mit „minimalem Risiko“ herangezogen werden dürfen. Mit einer deutlichen Absage einer Ratifizierung könnte die Regierung beweisen, daß ihr Menschenrechte wichtig und tatsächlich alle Menschen gleich wichtig sind.“

Als „zukunftsweisenden Meilenstein“ sieht Präsident Heinz Fischer die Chance, endlich die berufliche Ausbildung von Menschen mit geistiger Behinderung in Teil-, Vor- oder Anlehren gesetzlich zu regeln. „Wir beweisen täglich in vielen Projekten in ganz Österreich, daß diese Lehrformen sinnvoll und nützlich sind. Die gesetzliche Anerkennung dafür haben wir bisher aber nicht erhalten.“ Behinderte Jugendliche und junge Erwachsene hätten dann endlich eine ernsthafte Chance, die schulische Integration auch im Berufsleben weiter zu leben.

Die Lebenshilfe Österreich hofft, so Fischer, daß die neue Regierung diese Möglichkeiten ebenso wie ein Gleichbehandlungsgesetz, Änderungen im Behinderteneinstellungsgesetz und einiges mehr wahrnehmen wird.

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