Blindenführpferd ist zum Wiehern – keine Konkurrenz für Blindenführhund

Unkritischer Sensationsjournalismus nicht im Sinne Betroffener

Blindenpony für blinde Menschen
AP/Jordan

Der Obmann der Sehbehinderten- und Blindenorganisation „Engel auf Pfoten“, Roland Komuczky, kann der Sensationsberichterstattung von „Vera“ (Sendung vom 18.9.03) nichts Gutes abgewinnen: „Die Redaktion hat nur die möglichen Vorteile dieses Minipferdes hervorgestellt und damit vielleicht auch einer unseriösen Geschäftemacherei auf Kosten sehbehinderter und blinder Menschen Tür und Tor geöffnet.“

„Engel auf Pfoten“ setzt sich seit 2000 ganz bewusst für hohe Qualität und seriöse Geschäftspraktiken im österreichischen Blindenführhundewesen ein. Roland Komuczky ist als Sachverständiger vom Bundesministerium für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz bei Blindenführhundprüfungen in ganz Österreich zugelassen.

Weiters hilft die Sehbehinderten- und Blindenorganisation Betroffenen bei der Finanzierung von Blindenführhunden, wenn die öffentlichen Stellen nicht ausreichend Zuschüsse gewähren können. „So sammeln wir derzeit für zwei junge Betroffene Spenden, um ihnen einen Blindenführhund und damit ein Stück Lebensqualität zu schenken!“, berichtet der Obmann.

„Wir hören immer wieder in unserer Beratungspraxis, dass es auch in Österreich durchaus schwierig ist, einen erstklassigen Blindenführhund zu erhalten, wenn man unkritisch und uninformiert ist. Bei einem Blindenführpferd wäre die Problemlage noch schwieriger, da eindeutig die Nachteile überwiegen.“

„Unsere Recherche hat ergeben, dass auch der Ausbilder des vorgestellten Wunderpferdes „Resequin“, Wolfgang Seitle, das Minipferd als nicht führfähig beurteilt“, erklärt Roland Komuczky. „Doch in der Sendung wurde nur einseitig die Meinung des Besitzers dargestellt.“ „Engel auf Pfoten“ schließt sich daher der Argumentation des Ausbilders (wie auch auf seiner Homepage http://www.seitle.de ersichtlich) an.

Das Blindenführpferd hat gegenüber dem Blindenführhund eigentlich nur einen einzigen Vorteil – nämlich die längere Lebensdauer. Ansonsten überwiegen bei genauerer Beschäftigung mit dem Thema eindeutig die Nachteile.

Es ist bekannt, dass Pferde ausgesprochene Fluchttiere sind und auf laute Umweltgeräusche äußerst sensibel und mit starkem Fluchttrieb reagieren, und daher ein ordentliches Führverhalten nicht gewährleistet wird.

Pferde sind Herdentiere und sollten mit mindestens einem Artgenossen leben. Außerdem sollten sie auf der Pferdekoppel und – auch wenn sie noch so klein sind – nicht im Wohnzimmer leben. Eine nicht artgerechte Haltung ist schlichtweg Tierquälerei.

Miniaturpferde haben, anatomisch bedingt, größte Probleme beim Treppensteigen. Sie dazu zu zwingen, Treppen zu steigen wie ein Mensch oder Hund grenzt ebenfalls an Tierquälerei. Glatte Böden, Nässe oder Schnee führen zu erhöhter Rutschgefahr für Pferdehufe – das Führpferd müsste dann Spezialschuhe tragen.

Minipferde können nicht einfach wie ein Hund im PKW transportiert werden, sondern nur im LKW, Transporter oder Anhänger.

Es gibt beispielsweise noch nicht einmal in Österreich ein bundesweit einheitliches Gesetz, in dem sämtliche Zutrittsrechte für Blindenführ- sowie Partnerhunde im Sinne Betroffener geregelt sind. Aber auch dort, wo es z.B. wie im Wiener Veranstaltungsstättengesetz geregelt ist – z.B. ins Theater oder Restaurant – wird der Zutritt mit einem Blindenführpferd um ein Vielfaches problematischer sein.

Auch werden mit großer Wahrscheinlichkeit noch mehr streichelwütige Mitmenschen als schon beim Blindenführhund ungefragt zugreifen, das Führpferd vom Dienst ablenken und damit massive Probleme bei der Führfähigkeit verursachen.

Auch „Gassi-Gehen“ und die Beseitigung des Kots ist problematisch: So beträgt die Kotmenge eines Minipferdes etwa das 10- bis 20-fache, verglichen mit einem mittelgroßen Hund (Labrador oder Schäferhund).

Ein noch höherer Preis (zum Vergleich: ein Blindenführhund kostet schon bis zu 25.000 Euro), keine geregelten Richtlinien oder eine offizielle Prüfung und damit auch keine öffentlichen Förderungen würden außerdem das Blindenführpferd zu einem riskanten Luxusartikel für wenige Betroffene machen.

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