Danke ORF!

Über die mitleidheischende Spendenmaschinerie "Licht ins Dunkel"

Ich gestehe: „Licht ins Dunkel“ zählt zu meinem ORF-Lieblingsprogramm. Seit Jahren nehme ich mir die Sendung zu Weihnachten auf Video auf und sehe sie mir im Sommer in der Badehose an. Beste Realsatire aus dem Hause ORF mit Herz, Schmerz, Schicksal, Mitleid und vielen Promis als Starbesetzung.

Ein Jubiläum ist Grund zurück zu blicken: Bereits in den 70er Jahren fiel mir als behinderter Jugendlicher auf, dass es eine eigenartige Sendung für behinderte Menschen gibt, in denen kein Betroffener vorkommt. Also schrieb ich dem ORF und wurde in die Sendung eingeladen. Der kleine bucklige Franzi las ein selbst geschriebenes Gedicht vor. Alle waren begeistert, besonders meine Großmutter, die sofort 200 Schilling spendete. Danke Oma!

In den 80er Jahren wurde tief in die Mitleidskiste gegriffen: Körperlich und geistig behinderte Menschen wurden vorgeführt, durften selbst nicht reden und wurden mit Kommentaren wie „sie muss gefüttert und gewickelt werden“ oder „für immer an den Rollstuhl gefesselt, ein Leben lang“ übergossen. Höhepunkt der eigenwilligen Medienrealität der Mitleidssoap war 1993 als Ernst Wolfram Marboe die heutige FPÖ-Nationalratsabgeordnete Helene Partik-Pablé mit ihrer behinderten Tochter Alma als Gäste begrüßte. Die Politikerin berichtete von den Barrieren des Alltags. Vor allem Gehsteigkanten müssten abgeschrägt werden. Kurz schien die inszenierte Weihnachtsharmonie gefährdet, doch Marboe wies seine Mitarbeiterin kurzerhand an: „Wenn Sie das bitte notieren. In einem Jahr machen wir ein Resümée, was wir erreicht haben“. Die Mitarbeiterin dürfte den Zettel aber verlegt haben …

In den 90er Jahren ließ Initiator Kurt Bergmann fragen: „Ist da jemand?“. Behinderte Menschen protestierten: „Natürlich gibt es uns!“ Antwort des ORF sinngemäß: „Ihr seid ja nicht gemeint.“ Die Spendenaktion wurde über das gesamte Jahr ausgedehnt, „für österreichische behinderte Kinder“ wurde immer und überall gesammelt. Auf das reale Leben behinderter Menschen hatte dies konkrete Auswirkungen: Sprach man jemanden beim Einsteigen in die U-Bahn um Hilfe an, zuckte der kurz die Achseln und meinte entschuldigend „tut mir leid, ich hab kein Geld“.

Der Verein „Licht ins Dunkel“ befleißigte sich einer abgehobenen Überheblichkeit gegenüber anderen Behinderten- und Non-Profit-Organisationen.

Just 2003, im europäischen Jahr behinderter Menschen, feiert „Licht ins Dunkel“ sein 30-jähriges Bestehen. Zwei Meinungswelten prallen aufeinander. Denn durch die zunehmende Integration in Schule und Berufswelt ist die Schere zwischen Lebens- und Medienrealität glücklicher Weise größer geworden. Doch nur zögernd zeigen die Verantwortlichen der Spendenmaschinerie in der Art der Darstellung Gesprächsbereitschaft. Dass sich die Aktion in der Krise befindet wurde bei der letzten Jubiläums-Gala deutlich: Zwar traten erstmals behinderte KünstlerInnen auf, doch wurden diese durch den Moderator Peter Rapp der Lächerlichkeit preisgegeben. „Gebärdensprache?“, juxte Rapp und verglich sie mit herumfuchtelnden Autofahrern. Ein geistig behinderter Sänger wurde mit den Worten anmoderiert, dass es bei ihm wohl darum gehe, ein Mikrofon halten zu können. Zwischendurch wurden von Blinden selbst gebundene Besen zum Kauf angeboten …

Worum geht es „Licht ins Dunkel“ heute? Ein Neubeginn scheint dringend erforderlich: nicht für uns, sondern mit uns; neue Bilder schaffen; weg vom Freikaufen vom schlechten Gewissen durch Spenden, hin zu direkten Begegnungen und Integration. Der Spender von heute muss der/die ArbeitgeberIn, IntegrationlehrerIn, persönliche(r) AssistentIn von Morgen werden.

(redigiert, Erstveröffentlichung: Profil, 15. Dezember 2003)

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich