zu kleiner Zugang zum umgebauten ICE 1-Speisewagen

DB modernisiert ICE1-Züge

Die Deutsche Bahn AG (DB) hat begonnen, die erste Generation ihrer ICE-Züge zu modernisieren. Neben technischen Verbesserungen wird der Fahrgastraum ans Design der neueren Züge angepasst.

Unter anderem wird die Sitzplatzzahl zulasten des Sitzabstands um 10 Prozent vergrössert. 19 der insgesamt 58 Züge sind auch in der Schweiz zugelassen. Sie verkehren auf den Strecken (Hamburg-)Basel-Zürich sowie (Berlin-)Basel-Bern-Interlaken. Ein umgebauter Musterzug wurde im Januar, im Beisein von DB- und SBB-Vertretern, im Januar in Basel auch der Schweizerischen Fachstelle Behinderte und öffentlicher Verkehr – BöV vorgestellt.

Die für Behinderte wesentlichste Änderung betrifft den Rollstuhlbereich. Der Servicewagen mit Rollstuhlplätzen und -toilette wird neu als Wagen 1. Klasse auf der anderen Seite des Speisewagens (umgedreht) mitgeführt.

Das wird von der DB als positiv dargestellt (höherer Sitzkomfort), von unserer Seite aber eher als Nachteil gewertet, weil nur die Person im Rollstuhl plus eine Begleitperson mit einem 2. Klass-Billett dort reisen können. Zusätzliche Begleitpersonen müssen den Aufpreis bezahlen. Neu sind 3 statt 2 Rollstuhlplätze vorhanden, was effektiv eine Verbesserung darstellt. Zudem wird ein neu entwickelter klapp- und höhenverstellbarer Tisch samt Steckdose (deutsches Modell!) und Notruf eingebaut, allerdings nur für einen Platz, und aus unserer Sicht etwas zu klein dimensioniert.

Problem: Speisewagen

Sehr bedauerlich ist auch, dass der Zugang zum Speisewagen, der vom Zugs-Layout her an sich möglich wäre, durch eine ungeschickte fixe Möblierung verbaut ist. Grund: das deutsche Eisenbahnamt (EBA) erlaubt keine losen Stühle mehr, wenn der Speisewagen zeitweise nicht bedient ist. Das Problem wäre aber mit etwas Kreativität leicht zu lösen gewesen, wenn man es als solches wahrgenommen hätte.

„Für Blinde absolut wertlos“

Mit grossem Stolz präsentierten uns die DB-Leute taktil erfassbare Wagennummern und in den Toiletten Piktogramme mit integrierter Braille-Schrift. Erstere sind aber erst lesbar, wenn man schon eingestiegen ist, und nur wenn man weiss, wo sie angebracht sind, und letztere sind für Blinde absolut wertlos. Handkehrum wurde der WC-Spültaster an eine Stelle versetzt, wo man ihn nie vermuten würde und ein Blinder ihn kaum findet.

Beanstanden mussten wir auch Glastüren im Innern mit zu wenig kontrastreicher Markierung sowie Türtaster aussen, die gut getarnt sind – beides allerdings Punkte, die schon bisher so waren.

Für die Sitzplatz-Reservation wurden neu kleine elektronische Displays eingebaut, wie sei aus neueren ICE-Kompositionen schon bekannt sind. Sehbehinderte werden sie bestenfalls insofern nutzen können, als bei nicht reservierten Plätzen die Anzeige dunkel ist. Für das Auffinden eines reservierten Platzes werden sie sich wie früher an das Personal oder an Mitreisende wenden müssen. Allerdings spielt das im innerschweizerischen Verkehr eine untergeordnete Rolle.

Die DB-Vertreter waren nicht sehr erbaut über unsere Kritik, und es sieht im Moment nicht so aus, als ob sie noch etwas ändern wollten.

Zulassung für die Schweiz?

Offen ist auch noch, ob das Bundesamt für Verkehr (BAV), das eine neue Zulassung für die Schweiz erteilen muss, irgendwelche Auflagen macht. Die Frage ist heikel, weil es sich um einen ausländischen Zug handelt, der nur zu einem geringen Prozentsatz in der Schweiz verkehrt. Kann das BAV einem solchen Zug die Zulassung verweigern, nur weil die Spültaster im WC für Blinde nicht auffindbar sind, weil Sehbehinderte den Kopf anschlagen können und RollstuhlfahrerInnen nicht in den Speisewagen kommen? Würde das BAV für die Schweizer Version Auflagen verfügen, müsste die DB alle Wagen entsprechend ausführen, weil sie frei austauschbar sind.

Das Ganze ist umso unerklärlicher, als es in Deutschland ja auch Behinderte mit denselben Bedürfnissen gibt und die DB den Umbau intern durch ihren selbst stark sehbehinderten Behinderten-Beauftragten begleiten liess. Allerdings bekamen die deutschen Behindertenorganisationen den Zug auch erst nach dem vierten vollendeten Zug zu Gesicht.

Hätte man uns und die deutschen Verbände ein Jahr früher einbezogen, wären wohl alle Probleme einfach lösbar gewesen. Ein ähnlich gelagerter Fall betrifft übrigens den Umbau der französischen TGV (2. Generation) für die künftige Linie Paris-Basel-Zürich. Dort gibt es zwar eine Rollstuhltoilette, in die man aber nur mit Hilfe des Personals und eines speziellen Transfer-Rollstuhls gelangen kann.

Diese Geschichten zeigen immerhin, dass bei in der Schweiz die Verfahren seit einigen Jahren besser und erfolgreicher ablaufen als in den Nachbarländern. Das darf auch einmal gesagt werden.

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