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Antidiskriminierung in der Praxis 1: Stadterneuerung

Was bedeutet Antidiskriminierung und was kann Österreich von anderen Staaten lernen?

Das erste Beispiel dieser Serie stammt aus Großbritannien vor. Die Commission for Racial Equality (CRE) untersucht derzeit, ob Stadterneuerungsprojekte die speziellen Bedürfnisse von MigrantInnen berücksichtigen. Diese Untersuchung ist eine weitere in einer langen Reihe, die sich mit allen Bereichen des öffentlichen Lebens bis hin zu Umgang der Polizei und Gefängnisse mit ethnischen Minderheiten beschäftigt hat.

Die Motivation hinter dieser formalen Untersuchung ist einfach: Stadterneuerung bindet große Summen staatlichen Gelds. Immer wieder gab es die Erfahrung, dass frisch renovierte Viertel eine neue – meist reichere – Wohnbevölkerung angezogen haben und die Menschen, die bereits länger in den abgewohnten Viertel ansässig waren, verdrängt wurden. Immer wieder gab es Beschwerden, dass benachteiligte Gruppen wenig von Stadterneuerung profitieren, obwohl diese Projekte meist auch einen sozialpolitischen Anspruch haben.

Wie geht die CRE dabei vor?

Die CRE hat ein internes Projektteam eingesetzt, das aufgrund des „Race Relation Act„, des Gegenstücks zum österreichischen Gleichbehandlungsgesetz, formale Untersuchungen vornehmen, Menschen befragen und Unterlagen einsehen darf.

Neben eigenen Wahrnehmungen werden aber auch alle betroffenen Gruppen einbezogen: BewohnerInnen, PolitikerInnen, NGO, StadtplanerInnen, Baufirmen und alle, die sich angesprochen fühlen, können ihre Erfahrungen und Beobachtungen mittels Fragebögen zu Protokoll geben. Weiters schreibt das Projektteam zu Einzelfragen wissenschaftliche Untersuchungen aus.

Der Abschlussbericht soll neben den gewonnenen Erkenntnissen auch Empfehlungen für eine faire und nicht ethnisch diskriminierende Mittelverwendung in der Stadterneuerung enthalten.

Ist so eine Untersuchung in Österreich denkbar?

Grundsätzlich ja, praktisch im Moment wohl nicht. Das Gleichbehandlungsgesetz sieht zwar vor, dass die Senate der Gleichbehandlungskommission allgemeine Gutachten erstellen können. Im Gegensatz zu Großbritannien, wo betroffene Gemeinden, Unternehmen und Personen namentlich genannt werden, sind diese aber anonymisiert zu veröffentlichen.

Die Senate der Gleichbehandlungskommission können auch die zuständigen Mitglieder der Gleichbehandlungsanwaltschaft mit den Untersuchungen betrauen.

Bisher hat es solche Untersuchungen allerdings noch nicht gegeben. Das liegt zum Teil an der zweifelhaften rechtlichen Basis. Aber auch faktisch wäre eine solche Untersuchung mangels personeller Ressourcen der Gleichbehandlungsanwaltschaft derzeit undenkbar.

Gibt es Alternativen zu einer solchen Untersuchung?

Natürlich gibt es auch andere Möglichkeiten um Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen, Vorschläge zu machen und mit dem Thema befasst Personen aufzurütteln. Unumgänglich scheint es aber, dass es öffentliche Stellen gibt, die auf Antidiskriminierung spezialisiert sind, personell und finanziell ausreichend ausgestattet sind und über Untersuchungsbefugnissen verfügen, die auch den Zugang zu den nötigen Unterlagen sicherstellen.

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