Zugang ohne Hürden

Neues Barrierefreiheitsregister österreichischer Arztpraxen bringt Erleichterungen - nicht nur für behinderte Menschen.

Barrierefreiheitsregister österreichischer Arztpraxen
ÖQMed

Der seit 2006 unter Hochdruck laufende Qualitätssicherungsprozess bei österreichischen Ordinationen hat eine wichtige „Hürde“ genommen: Ein spezielles Register im Internet gibt Menschen mit Behinderung sowie Menschen mit nicht-deutscher Muttersprache und ihren Angehörigen Informationen über Ausstattungen und Serviceangebote von ärztlichen Praxen in ihrem Lebensumfeld.

www.arztbarrierefrei.at ist eine von der Österreichischen Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement der Medizin GmbH (ÖQMed) jüngst eingerichtete und von der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) und dem Sozialministerium geförderte Informationsplattform. Diese enthält eine nach vielfältigsten Kriterien aufgebaute Suchmaschine, die den behindertengerechten Zugang zu medizinischer Hilfe erheblich erleichtert. In diesem Register sind österreichweit bereits rund 4.000 Ordinationen erfasst.

Zielgruppe des Projektes sind bewegungseingeschränkte Patienten, schwerhörige und gehörlose, sehbehinderte und blinde Menschen, Personen mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten und Personen mit schweren und mehrfachen Behinderungen bzw. Menschen mit sprachlichen Verständigungsproblemen.

Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung wurde dabei beispielsweise durch die Information gesetzt, ob ein Rollstuhlfahrer ohne Überwindung von Stufen in eine Ordination gelangt oder welche Ordination auf sehbehinderte oder gehörlose Patientinnen und Patienten eingestellt ist. Gibt es Behindertenparkplätze, wo können sprachliche oder kognitive Schranken überwunden werden? Wo ist die nächste Ordination, die durch ihr spezielles Angebot, ihre Ausstattung und die Qualifikation des Ordinationspersonals den besonderen Bedürfnissen durch verschiedenste Behindertenaspekte gerecht wird?

Durch www.arztbarrierefrei.at sollen nicht bloß barrierefreie Ordinationen aufgelistet werden: ein „convenience tool“ hilft behinderten Menschen, ihren Angehörigen und der interessierten Öffentlichkeit Arztordinationen zu finden, die auf den Informationsbedarf behinderter Menschen eingestellt sind. Suchkriterien sind geografische, medizinisch-fachliche, technische und organisatorische Faktoren wie Bundesland oder Ort, Fachgebiet und Krankenkasse.

Was kann abgefragt werden?

Unter der Rubrik „allgemeine Ausstattung“ erfährt man unter anderem, ob es einen Behindertenparkplatz im Umfeld einer Ordination, einen Lift oder ein behindertengerechtes WC in der Ordination gibt. Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit wurde bei den zusätzlichen Informationsrubriken getroffen. So kann man hier gezielt abfragen, wie es mit der Ausstattung und den angebotenen Leistungen bei bestimmten Behinderungen aussieht: etwa kann abgefragt werden, ob die Ärztin/der Arzt bzw. jemand aus dem Ordinationsteam die Österreichische Gebärdensprache beherrscht, oder der Blindenführhund die Ordination mit betreten kann und ob lange Wartezeiten für Menschen mit Lernschwierigkeiten vermieden werden. Zusätzliche Serviceangebote – wie z.B. Informationen für Migrantinnen und Migranten etwa über Fremdsprachenkenntnisse, Informationen zu Gegensprechanlage, Klingel oder Türtaster mit großer Schrift für sehbehinderte Menschen, das Vorhandensein eines stufenlos erreichbaren Aufzugs oder die Mitnahmemöglichkeit einer Bezugsperson – und vieles andere mehr vervollständigen das Register.

Bei der Erstellung der Kriterien haben folgende Behindertenorganisationen mitgearbeitet:

  • BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben
  • ÖZIV – Österreichischer Zivilinvaliden-Verband
  • Österreichischer Gehörlosenbund
  • Bildungs- und Forschungszentrum für Blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen

Wie ÖÄK-Präsident Walter Dorner auf einer Pressekonferenz aus Anlass der Präsentation des Barrierefreiheitsregisters sagte, sei der individuell passende Zugang zu österreichischen Arztordinationen nicht nur eine grundsätzliche Erwartung jedes Patienten und jeder Patientin. „Es erfüllt darüber hinaus eine wichtige Rahmenbedingung für die medizinische Versorgung im niedergelassenen Bereich. Ziel diese Projekts ist es daher, die Information über geeignete Arztordinationen für in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen, sowie für ihre Angehörigen und die interessierte Öffentlichkeit zu verbessern. Es hilft somit auch hochbetagten Patientinnen und Patienten oder Eltern mit Kinderwägen.“ Ferner erhielten auch fremdsprachige Patienten mit dem neuen Tool eine Möglichkeit, einen Arzt, der ihre Sprache versteht, zu finden.

Der höchste österreichische Ärztevertreter erwartet sich auch, dass die „neue Transparenz“ zu vermehrten Anstrengungen führen werde, dass Ärztinnen und Ärzte ihre Ordinationen barrierefrei gestalten.

„Wir sind gemeinsam auf einem guten Weg“, hält die Obfrau von BIZEPS-Behindertenberatungszentrum Annemarie Srb-Rössler fest. Es ist daher geplant, die „erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Standesvertretung fortzusetzen“.

Alle Anforderungen erfüllt

Das Barrierefreiheitsregister war aufgrund der Qualitätssicherungs-Verordnung 2006 einzurichten. Demnach hat die ÖQMed nach Beratung mit Behindertenorganisationen eine Liste über zugängliche Ordinationen zu führen, und den Inhalt dieser Liste der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Laut Ärztepräsident Dorner wurde der öffentliche Auftrag nicht nur erfüllt, es sei den zahlreichen individuellen Informationsbedürfnissen auf „sehr individuelle Weise“ Rechnung getragen worden. Denn: „Man kann die vielen Fragen, die Menschen mit verschiedensten Behinderungen haben, nicht über einen Leisten scheren.“

Doch der Weg zum Register war aus Sicht des Ärztepräsidenten alles andere als einfach. Dorner: „Die Idealvorstellungen weichen oft ganz wesentlich von den tatsächlichen Möglichkeiten ab. Kleinbetriebe wie Ordinationen haben nicht selten große Schwierigkeiten, ihre Räumlichkeiten und den Zugang barrierefrei zu gestalten. Man denke nur an die alten Bausubstanzen in Städten wie Wien.“ Jedenfalls gebe es auch in der Bundeshauptstadt die Verpflichtung, bis Ende 2008 zwölf Prozent der Ordinationen barrierefrei zu gestalten. Dorner: „Wir werden dieses Ziel erreichen oder sogar übertreffen“, die Ärztinnen und Ärzte würden alles unternehmen, dass kein Patient ausgeschlossen werde.

Diffizile Umsetzung

Die für die Umsetzung zuständige Geschäftsführerin der ÖQMed, Esther Thaler, erklärte die umfassenden Bemühungen, die erforderlich waren, „in so kurzer Zeit einen Barrierefreiheitsregister online einzurichten“ . Zum Ersten waren mit mehreren Behindertenorganisationen die geforderten Kriterien zu definieren. Danach wurde Register programmiert und eine Internetseite nach WAI-Kriterien (Benutzerfreundlichkeit für Behinderte) mit der entsprechenden Suchmaschine erstellt. Schließlich habe man die Informationen und Daten über Fragebögen respektive elektronisch von den Ärztinnen und Ärzten eingeholt und in das System eingegeben.

Jetzt sei durch eine kontinuierliche Pflege des Datenbestandes von der ÖQMed laufend dafür zu sorgen, dass alle Informationen über die Barrierefreiheit in den österreichischen Arztpraxen aktualisiert und ergänzt würden. Thaler: „Wir waren in unserer Arbeit darauf bedacht, gemeinsam mit den Behindertenorganisationen das Mögliche mit dem Wünschbaren zu verbinden. Beim strukturellen Aufbau des Datenbestandes, den Informationsinhalten und beim Informationszugang stand immer das sehr komplexe Bedürfnisprofil der unterschiedlichen Gruppen behinderter Menschen im Zentrum.“

Die Geschäftsführerin der Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin sieht „im vorliegenden Ergebnis einen Anreiz, dass auch jene Ärztinnen und Ärzte, die das noch nicht getan haben, Behinderten-bezogene Informationen ins Netz stellen“. Dies könne über die Internetseite https://eval.oeqmed.at geschehen.

Evaluierungsprozess der Ordinationen sehr effizient

Der für Qualitätsfragen zuständige Präsidialreferent der Österreichischen Ärztekammer, Otto Pjeta, der in seiner Funktion auch als „Brückenkopf“ zwischen der mit der Durchführung von medizinischen Qualitätssicherungsmaßnahmen gesetzlich eingerichteten ÖQMed, der Österreichischen Ärztekammer und den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten fungiert, bezeichnet den laufenden Evaluierungsprozess unter österreichischen Ordinationen als „zufriedenstellend, ja extrem gut“. Bekanntlich müssen bis Ende 2008 alle rund 17.500 ärztlichen Praxen nach vorgegebenen, sehr umfangreichen medizinischen und organisatorischen Qualitätskriterien überprüft werden. Das Mitte 2006 begonnene Verfahren stehe, so Pjeta, unter einem immensen organisatorischen, inhaltlichen und zeitlichen Druck. Doch sei es bisher gelungen, diese an sich sehr belastenden Vorgaben zu erfüllen.

Nach anfänglicher Skepsis wegen des doch nicht geringen, mit der Evaluierung verbundenen Aufwandes, habe sich ein Klima „der Akzeptanz und professionellen Zusammenarbeit“ zwischen den durchführenden Stellen und den österreichischen Ärztinnen und Ärzten herauskristallisiert. „Die Bedenken sind einer selbstverständlichen, förderlichen Mitarbeit gewichen, die Notwendigkeit der Maßnahmen steht bei den Beteiligten außer Frage.“

Derzeit befinden sich 12.025 Ordinationen im Evaluierungsprozess, 4.950 Ordinationen wurden bereits zertifiziert. 510 ärztliche Praxen wurden geschlossen, großteils, weil ältere Ärztinnen und Ärzte nicht mehr erforderliche Verbesserungen durchführen wollten oder konnten. Komplett abgeschlossen sind alle urologischen Niederlassungen (343 Ordinationen) und Vorarlberg (544 Ordinationen).

Gesichtete Mängel sind innerhalb einer gesetzten Nachfrist zu beheben. Werden die Unzulänglichkeiten nicht korrigiert, erfolgt eine Anzeige beim zuständigen Disziplinaranwalt der Ärztekammern. Im Extremfall können Ordinationen, die nicht den Qualitätsvorschriften entsprechen, geschlossen werden. Generell treten in etwa zehn Prozent der Ordinationen Mängel auf, die zu einem „Mängelbehebungsauftrag“ führen. Bisher gebe es keine Schwierigkeiten, dass Ärztinnen und Ärzte diesen Aufträgen auch nachkommen, so Pjeta abschließend.

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