Altersdiskriminierung im Spiegel internationaler aktueller rechtspolitischer Entwicklungen

Ich befasse mich in diesem Beitrag mit den internationalen Rahmenbedingungen für bzw. gegen Altersdiskriminierung, um damit die bestehenden (Rechts-)Strukturen vorzustellen.

Mann mit Stock
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Die SPÖ-ÖVP-Bundesregierung hat sich die „Verankerung eines Diskriminierungsverbotes aufgrund des Alters“ als Verfassungsziel im „Regierungsprogramm für die XIV. Gesetzgebungsperiode“ vom Dezember 2008 vorgenommen. Grund genug, sich näher mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

„Alle Welt weiß es: die Lage der alten Menschen ist heutzutage skandalös. Bevor wir ins Detail gehen, müssen wir versuchen zu verstehen, woher es kommt, dass die Gesellschaft dies so ohne weiteres hinnimmt. Ganz allgemein schließt sie die Augen vor den Missbräuchen, den Skandalen, den Dramen, die ihr Gleichgewicht nicht erschüttern; das Schicksal der Fürsorgezöglinge, der jugendlichen Straffälligen, der geistig und körperlich Behinderten rührt sie genauso wenig wie das der Alten. Im letzten Fall wirkt ihre Gleichgültigkeit aber a priori verwunderlicher; denn jedes Mitglied der Gemeinschaft müsste wissen, dass seine eigene Zukunft in Frage steht…“

Diese Feststellung der französischen Philosophin Simone de Beauvoir in ihrem Werk „La Veillesse“ („Das Alter“) zeigt die speziellen Charakteristika der Altersdiskriminierung, die anders als die „klassischen“ Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, der Hautfarbe oder der politischen Überzeugung wirken.

Altersdiskriminierung können wir alle erfahren

Altersdiskriminierung können wir nämlich potentiell alle erfahren – anders als etwa Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit oder des Geschlechts (Ausnahme: Geschlechteridentitätswechsel bei Transgender – Diskriminierung aufgrund der sexuellen-geschlechtlichen Identität), die wir ja als Merkmale nicht ohne weiteres wechseln können. (Alters-)Diskriminierung bedeutet oft Statusverlust, Ausgrenzung bzw. Einengung der Möglichkeiten, indem man starre Stereotypisierungen erlebt – zum Beispiel nur mehr als „alt – krank – schwach“ definiert und entwertet wird.

Eurolink Age UK hat in den 1990er Jahren folgende gut brauchbare Definition von Altersdiskriminierung vorgeschlagen: „Altersdiskriminierung ist eine Unterscheidung in den Möglichkeiten und der Behandlung von BürgerInnen ausschließlich auf Basis ihres chronologischen Alters.“

Im Vergleich zu anderen Diskriminierungstatbeständen wie „Rasse“ („race“), Religion oder Geschlecht gehören Anti-Altersdiskriminierungsbestimmungen zu den jüngsten rechtspolitischen Entwicklungen. Die EU hat erst im Jahr 2000 mit der „Gleichbehandlungs-Rahmenrichtlinie“ den Schritt gewagt, diese Ungerechtigkeit zu definieren und zu bestrafen. Dies bezieht sich aber nur auf den Erwerbsarbeitskontext, hier jedoch für Jüngere und Ältere gleichermaßen.

Der erste Fall vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), wo die besagte Richtlinie auf Altersdiskriminierung angewendet wurde, war der deutsche Arbeitsrechtsfall „Mangold versus Helm“. Das Urteil dazu erschien im Jahr 2005. Es beanstandete ein deutsches Gesetz als europarechtswidrig, das erlaubte, den Kündigungsschutz für ArbeitnehmerInnen über 52 Jahre praktisch auszuschalten, also Arbeitsverträge befristet und beliebig verlängerbar zu gestalten und damit ältere ArbeitnehmerInnen einer sehr prekären Situation auszusetzen.

Eine Randbemerkung: Im US-amerikanische Rechtssystem, wo es bereits seit 1967 rechtliche Bestimmungen gegen Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt gibt, existieren übrigens die weltweit vermutlich am besten entwickelten Antidiskriminierungs-Maßnahmen auf nationalstaatlicher Ebene.

Altersdiskriminierung in internationalen Menschenrechtsdokumenten

Das Resultat sei gleich vorab zusammen gefasst: In den einschlägigen Dokumenten findet sich nichts zu Altersdiskriminierung.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verbietet nur folgende Arten der Diskriminierung: „race, colour, sex, language, religion, political or other opinion, national or social origin, property, birth or other status„. Auch der Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte bzw. der Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ignoriert das Thema; detto die Europäische Menschenrechtskonvention und die afrikanische Banjul-Charta, beides auch prominente völkerrechtliche, regionale Menschenrechtsverträge.

Europäische Union

Ein Diskriminierungsverbot findet sich im Vertrag von Amsterdam aus 1997 (seit 1997 in Kraft), und zwar bezogen auf Religion, Behinderung, Alter und sexuelle Orientierung. Die darauf aufbauende, schon erwähnte Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie aus 2000 erlaubt es den EU-Mitgliedsstaaten, sich bei den Umsetzungsmaßnahmen bei Alterdiskriminierung sechs Jahre lang Zeit zu lassen, also drei Jahre länger als bei anderen Diskriminierungen. Die EU-Grundrechtscharter (zuletzt: 2007) mit sehr breit angelegten Diskriminierungsverboten enthält natürlich auch die Altersdiskriminierung.

Die aktuellste Entwicklung ist ein Kommissionsvorschlag für die Gleichbehandlungs-Richtlinie außerhalb des Arbeitsmarktes vom Juli 2008.

Wie bereits erwähnt stellte der Europäische Gerichtshof 2005 im Fall Mangold fest, dass Altersdiskriminierung jedenfalls ein Bruch mit den generellen Gleichbehandlungsprinzipien des Gemeinschaftsrechts und allgemeinen internationalen Rechtsgrundsätzen sei. Dies stellte eine spektakuläre Entscheidung dar: Sie verortet das Verbot der Altersdiskriminierung damit ganz oben in der Hierarchie der Menschenrechtsnormen!

Der EuGH bezog sich dabei auch auf diverse internationale Menschenrechtsdokumente – in denen diese Diskriminierungsform jedoch gar nicht vorkommt (wie vorher dargelegt). 2007 machte der EuGH beim Fall Palacios jedoch einen halben Rückzieher. Dabei handelte es sich um einen durch Kollektivvertragsbestimmungen zwangspensionierten Spanier, der dies anfocht – wegen Ungleichbehandlung durch den Arbeitgeber und durch die TarifvertragspartnerInnen. Der EuGH stellte jedoch fest, dass sozioökonomische Entwicklungen diese Ungleichbehandlung rechtfertigen würden, und zwar legitimiert durch das Ziel, die generationsmäßige Durchmischung des Arbeitsmarktes zu gewährleisten.

EU-Gleichbehandlungs-Richtlinie außerhalb des Arbeitsmarktes

Diese neue EU-Rechtsvorgabe vom Juli 2008 ergänzt die Diskriminierungsverbote innerhalb des Arbeitsmarktes um die Bereiche außerhalb des Arbeitsmarktes. Die Richtlinie bezieht sich wiederum auf die im Amsterdamer Vertrag festgelegten Diskriminierungstatbestände (Religion, Behinderung, Alter oder sexuelle Orientierung).

Festgelegt sind Mindeststandards bei sozialen Sicherungssystemen, Gesundheit, Sozialleistungen, Bildung, beim Zugang zu öffentlichen Gütern und Dienstleistungen inklusive Wohnraum. Diese Standards dürfen die Mitgliedsstaaten bei ihren Schutzbestimmungen überschreiten. Dienstleistungen auf Basis privater Transaktionen zwischen zwei PartnerInnen sind jedoch nicht erfasst.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Bestimmungen – der Richtlinie aus 2000 und jener aus 2008 – besteht darin, dass hier – im „Nicht-Arbeitsbereich“ – etwa bei Gesundheit, sozialen Sicherungssystemen oder Bildung die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten berührt werden, in die die EU großteils gar nicht eingreifen darf – was sie sehr wohl bei Teilen der Erwerbsarbeitswelt darf. Das heißt, die Einzelstaaten haben sehr viel nationalen Spielraum, den sie nutzen oder ignorieren können.

Indirekte (Alters-)Diskriminierung ist dann laut EU gerechtfertigt, wenn sie ein legitimes Ziel im öffentlichen Interesse mit angemessenen und notwendigen Mitteln verfolgt. Es geht also grundsätzlich um die Frage der Verhältnismäßigkeit bei einer potentiell diskriminierenden Bestimmung. Eine weitere Ausnahme für die Mitgliedsstaaten – nämlich etwa eine fixen Altersklausel für bestimmte Dienste o.ä. zu bestimmen – besteht bei Sozialleistungen oder Bildungsangeboten. Dies gilt weiters insbesondere bei Finanzdienstleistungen oder Versicherungen, wo Alter neben Behinderung zur Risikoabschätzung der betroffenen Person herangezogen werden darf: Dies muss jedoch durch genaue statistische Daten belegt werden und empirisch „halten“.

Positive Maßnahmen

Positive Maßnahmen, um Diskriminierung aktiv entgegenzuwirken, bleiben leider nur eine Kann-Bestimmung für die Mitgliedsstaaten. Die finanziellen Sanktionen bei Verstößen gegen die Bestimmungen sind nach oben hin unbegrenzt, je nach Ermessen der Mitgliedsstaaten. Die Umsetzung der vorgestellten Bestimmungen muss EU-weit innerhalb von zwei Jahren erfolgen. Vorgesehen sind weiters nationale Rechtsschutzmöglichkeiten, ein Monitoring und eine Berichtspflicht auf EU-Ebene.

Aussicht

„Alter“ wird nirgendwo genauer definiert. Häufig fallen andere Diskriminierungen mit Alter zusammen – einen Klassiker stellen etwa geschlechtsspezifische Schlechterbehandlungen dar, die ältere Frauen besonders hart treffen. Dies bedeutet eine Mehrfachdiskriminierung für die betroffenen Personen.

Interessanterweise wendete der EuGH das Verbot der Altersdiskriminierung auch bei der Frage der Familienzusammenführung im Einwanderungsrecht bei jungen Menschen an: Hier ging es darum, ob bei Drittstaatsangehörigen (Nicht-EU-BürgerInnen) Kinder im Alter von 13 bzw. 15 Jahren den Eltern „nachziehen“ dürfen.

Gründe gibt es genug, der Altersdiskriminierung den Kampf anzusagen – und zwar umsichtig, nachhaltig und konsequent!

Die bestehende Rechtslage stellt einen – wenngleich noch verbesserbaren – Ausgangspunkt dar, den man immer wieder in der politischen Debatte einbringen muss: Den Diskriminierungsgrund „Alter“ in die Mainstream-Menschenrechtsdebatte zu bringen, bleibt nach wie vor ein großer Auftrag, denn dazu fehlt es an groß angelegten Strategien auf allen Ebenen. Noch.

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