BusfahrerInnen mit der Grazer „Klapprampe“ unterwegs

Versuch einer Einfühlung

Grazer Niederflurbus
BIZEPS

Nach jahrelangen und eifrigen Bemühungen ist es den Grazer Verkehrsbetrieben GVB tatsächlich gelungen, von ihren Münchener und Berliner Pendants Wesentliches über die von Behinderten so vehement geforderten Hubplattformen in Erfahrung zu bringen: Hubplattformen werden ramponiert, wenn man mit ihnen die Gehsteigkanten rasiert.

Somit konnte man es den Behinderten endlich beweisen, wie recht man doch hatte, sich nicht darum zu kümmern, ob und wie Hublifte unbeschädigt am Bus überleben können. Statt dessen wurde eine Billigvariante gefunden, da bleibt dir der Mund offen und mein frecher Mund nicht still.

Die „Grazer Klapprampe“, eine sensationelle Weiterentwicklung der „Linzer Handrampe“, wird in unsere Niederflurbusse eingebaut. Früher, in der grauen Urzeit der öffentlichen Menschenbeförderung, mußte der Fahrer aufspringen und die Tür öffnen, nix war mit automatischer Tür und so. Heute geht man einen Schritt weiter. Wenn heutzutage ein rollendes Wesen in den Bus will, springt die/der BusfahrerIn auf, verläßt seinen Arbeitsplatz, sprintet den Bus entlang zum hinteren Einstieg, klappt die Rampe aus und schwupps – die Rollstuhlroller sind so gut wie im Bus. Klappe einklappen, Sprint retour, am Fahrersitz angekommen, durchatmen, Türen zu und ab geht die Post.

Nächste Haltestelle – super – sind viele RollstuhlfahrerInnen unterwegs bei diesem schönen Wetter. Nächste Haltestelle – das RollstuhlfahrerInnensignal – aussteigen – bitte gerne. Spring, sprint, klapp, schwupp, klapp, sprint, sitz, schnauf, Türen zu und ab geht die Post. Und der Betriebsrat ist auch dafür, die Dienstanweisung wird akzeptiert, spring, sprint, klapp, schwupp, klapp, sprint, sitz, schnauf, Türen zu und ab geht die Post. Bei Regen und Schnee, bei Kälte und Eis, von Betriebsbeginn bis Betriebsschluß, bei vollem oder leeren Bus, ob SchülerInnenhorden oder Pensionsberechtigte mitfahren, spring, sprint, klapp, schwupp, klapp, sprint, sitz, schnauf, Türen zu und ab geht die Post.

Da möchte ich doch auch Rollstuhlroller sein! Mh, bin ich – ich darf alle diese Freuden genießen. Aber keine Freude ohne Sorgen. Ich hab mir überlegt, was wäre, wenn ich den Busfahrerberuf hätte und mein Dienstgeber würde mir befehlen, bei jedem Wetter und zu jeder Tageszeit meinen Arbeitsplatz zu verlassen. Ich würde es tun, würde die Rampe ausklappen, um meinen Job zu erhalten, um nicht als Sozialschmarotzer dazustehen – arbeitslos. Ich würde es tun, aber ich wäre ganz schön sauer auf die – die Behinderten.

Was aber würde ich tun, wenn jemand einen üblen Streich für mich parat hätte und die Bustüren schlösse, während ich rampenklappend unterwegs bin? Was würde ich tun, wenn zur Winterszeit Schneefall, Schneeräumung und Schneeschmelze nicht gut koordiniert sind – Schneeschaufeln? Was würde ich tun, wenn jemand nicht ohne Hilfe in den Bus gelänge und ich nicht weiß, wo ich angreifen soll und darf? Was würde ich tun, wenn ich viermal, Sie wissen – spring, sprint usw. usf. – und meine Obrigkeit und schnauzende Fahrgäste die Einhaltung meines Fahrplanes einfordern? Was würde ich tun, wenn jemand Fahrkarten entwendete oder sich an meiner Kasse vergriffe? Was würde ich tun, wenn jemand mit meinem Bus davonführe?

Ich sag Ihnen, was ich tun würde, ich würde sie übersehen, die RollstuhlfahrerInnen, würde die Entlassung riskieren und beim Arbeitsgericht vorsprechen. Mir ist klar, daß BusfahrerInnen kein Problem mit behinderten Menschen haben. Die Frage ist nur, ob die verantwortungsvolle und anstrengende Tätigkeit von BusfahrerInnen die Bedienung von Klapprampen zuläßt. Wer haftet für Schäden, die entstehen können?

Bisher war es so: Der Direktor der GVB hat immer gesagt, er habe kein Problem bei der Beförderung von behinderten Menschen, wenn die Stadt zahlt. Von Seiten der Stadt wurde gesagt, behinderte Menschen sollen mitfahren dürfen und es sei die Aufgabe der GVB, die passenden Bedingungen zu schaffen und zu finanzieren. Mit der „Grazer Klapprampe“ wurde Einstimmigkeit hergestellt, die GVB bauen ein und befördern, die Stadt Graz zahlt.

In der Zeitschrift domino berichtet eine Rollstuhlfahrerin über das Abenteuer „Handrampe“: Mühsam, peinlich und demütigend ist diese Prozedur allemal. „Meistens reagieren die Leute freundlich und hilfsbereit, doch man hat trotzdem das Gefühl zu stören“. Eine Linzer Rollstuhlfahrerin berichtet von ihren Erfahrungen aus München: „Keine 30 Sekunden dauert der Einstieg in die öffentlichen Verkehrsmittel. Mittels Hublift – einer Plattform innerhalb des Busses, die sich bei Bedarf auf Bodenniveau senken läßt – können behinderte Menschen tatsächlich ungehindert am Öffentlichen Nahverkehr teilnehmen.“

Zurück nach Graz. Immer wird behinderten Menschen vorgerechnet, wie teuer z. B. Hubplattformen sind. Was ist mit dem Fahrtendienst, von dem behinderte Personen Tag für Tag durch die Stadt gekarrt werden. Wie lange können wir uns das noch leisten? Wäre es nicht erstrebenswert, sich zum Ziel zu setzen, behinderte Kinder mit dem Linienbus in die Integrationsschule zu schicken und sie nicht mit dem Sonderfahrtendienst in die Sonderschule zu karren? Ich will nicht – abhängig von meiner Benzinkutsche – in die Arbeit rollen. Ich will mit öffentlichen Verkehrsmitteln selbstbestimmt, selbstbewußt und selbständig in die Arbeit fahren.

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