Kino und Behinderung | Perspektiven 01|10

Notizen zur Filmreihe im Berliner Medizinhistorischen Museum der Charité Körperräume im frühen Film. Kulturfilm und die Charité, 1895-1948

Brandenburger Tor in Berlin
BIZEPS

InteressentInnen für Sozialgeschichte der Behinderung, CineastInnen des frühen Dokumentarfilms, sowie Personen mit Behinderung, die nachvollziehen wollen, wie es vor 90 Jahren gewesen war und ihre Sichtweise beispielsweise der „disability studies“ mitteilen wollen, werden mit dieser Filmreihe ihre Freude haben. Zumindest zwei Filme zum Thema Behinderung sind von hoher Bedeutung.

Krüppelnot und Krüppelhilfe (1920)

Regie: Nicholas Kaufmann, Curt Thomalla, Konrad Biesalski

Der Film zeigt zu Beginn als Spielfilmszenen angelegte Einstellungen, wie durch das Fehlen von ärztlicher Behandlung und sozialer Betreuung „Ein neuer Krüppel“, so im Zwischentitel, entsteht.

Es folgen dokumentarisch gehaltene Aufnahmen über die ärztliche Behandlung, Schule und Freizeit im Oskar-Helene-Heim in Berlin. Beeindruckend ist die Szene, in der fast alle Bewohner des Heimes an der Kamera vorbei marschieren.

Zeitgleich mit dem Film wurde, dem damaligen sozialen Anspruch entsprechend und mit besten Absichten die Meldepflicht für Menschen mit Behinderung eingeführt.

Philipp Osten über einen der Regisseure, Curt Thomalla: „Als Ober-Regierungsrat im Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda war er für eine Kampagne zum ‚Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses’ zuständig, nach dessen Bestimmungen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges 400.000 behinderte Menschen zwangssterilisiert wurden. Perfiderweise waren viele von ihnen durch die seit 1920 bestehende Meldepflicht des Krüppelfürsorgegesetzes für die Behörden leicht zu ermitteln“ (Osten, 2008, S. 53). Der Begleitvortrag wird von Philipp Osten gehalten.

Literatur zum Film:

  • Petra Fuchs: „Körperbehinderte“ zwischen Selbstaufgabe und Emanzipation: Selbsthilfe-Integration-Aussonderung. Luchterhand 2001
  • Philipp Osten: Die Modellanstalt – Über den Aufbau einer „modernen Krüppelfürsorge“ 1905-1933. Mabuse-Verlag 2004
  • Philipp Osten: Ärzte als Filmregisseure. Ein Ufa-Kulturfilm aus dem Berliner Oskar-Helene-Heim für die Heilung und Erziehung gebrechlicher Kinder, aufgenommen in den Jahren 1910 bis 1920. In: Filmblatt 13(37): 37-55. 2008

Kreuzzug des Weibes (1926)

Regie: Martin Berger

Dieser Film aus der Gattung der so genannten „Paragraphenfilme“ hat die Abtreibung zum Thema und ist ein Film über „Eugenik“. Behinderung kommt in diesem Film durch die Rolle eines jungen Mannes mit Lernbehinderung vor, der im Zustand der Trunkenheit eine Nachbarin vergewaltigt. (Die Person mit Behinderung als Bösewicht). Mit Sicherheit spannend auch der Vortrag von Ursula von Keitz, die berichten wird, wie in verschiedenen Fassungen des Films Behinderung inszeniert wird.
Also am Dienstag den 18. Jänner (Krüppelnot und Krüppelhilfe) sowie am 2. März 2010 (Kreuzzug des Weibes) heißt es: „Darling, I am not dead yet, ich bin im Kino“. Wo? Berlin, Hörsaalruine im Berliner Medizinhistorischen Museum der Charité, Campus Charité Mitte, Virchowweg 16.

Programm

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