Behinderteneinstellungsgesetz wird ignoriert

Was unterscheidet eine Wirtschaftskammer von einer Arbeiterkammer? Offensichtlich nur der gute Wille. Ein Kommentar.

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Die noch druckfrische Anfragebeantwortung aus dem Sozialministerium betreffend die Erfüllung der Beschäftigungspflicht von Institutionen im öffentlichrechtlichen Bereich gemäß dem Behinderteneinstellungsgesetz bestätigt einen Trend, der schon seit vielen Jahren Sorgen bereitet und bei den Betroffenen für Ärger sorgt. Während einige Unternehmen sogar mehr Menschen mit Behinderung einstellen, als es das Gesetz vorsieht, schaffen manche nicht einmal die im Gesetz festgelegte Anzahl.

Das Behinderteneinstellungsgesetz sieht vor, dass alle Dienstgeber, die 25 oder mehr Dienstnehmer beschäftigen, je Dienstnehmer mindestens einen so genannten „begünstigten Behinderten“ zu beschäftigen haben. Bei Nichterfüllung dieses gesetzlichen Auftrages muss der Dienstgeber „für jeden nicht besetzten Pflichtplatz“ einen bestimmten Geldbetrag, die so genannte Ausgleichstaxe, bezahlen. Die Höhe der Ausgleichstaxe beträgt derzeit 223 Euro pro Monat.

Gut: Gebietskrankenkassen

Durchwegs gut schneiden die Gebietskrankenkassen ab: Bis auf eine, die aus Niederösterreich, haben im Jahr 2008 (über aktuellere Daten verfügt das Ministerium derzeit nicht) alle Krankenkassen die gesetzlich vorgeschriebene Pflichtzahl beträchtlich (in einem Fall sogar um 223% (!)) überschritten – Die Krankenkassen als Jobmotor für behinderte Menschen.

Schlecht: Wirtschaftskammern

Gleichsam das Gegenstück dazu bilden die Wirtschaftskammern. Keine einzige (!) erfüllt die gesetzlichen Vorgaben. Stellt die Wirtschaftskammer Tirol statt 13 nur 4 Menschen mit Behinderung ein, so schafft es die Arbeiterkammer Tirol, statt 8 gleich 16 behinderte Arbeitnehmer (also gleich doppelt so viele als gesetzlich vorgeschrieben) zu beschäftigen.

Beinahe ignoriert wird das Gesetz von der Ärztekammer, der Rechtsanwaltskammer, der Apothekerkammer sowie der Kammer der Wirtschaftstreuhänder. Nur ein einziger begünstigter behinderter Mensch erhielt hier einen Arbeitsplatz. In diesem Bereich gilt offenbar das Motto „Behinderte müssen draußen bleiben!“

Auch bei den Sozialversicherungsträgern zeigt sich ein ähnliches Bild: Während es die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zusammenbringt, nur jede zweite Pflichtstelle zu besetzen und dadurch gleich 29 behinderten Menschen den gesetzlich vorgesehenen Arbeitsplatz vorzuenthalten, stellen die anderen Anstalten wesentlich mehr behinderte Arbeitnehmer ein als sie müssten. Leuchtendes Vorbild ist hier die Krankenversicherungsanstalt der Bediensteten der Gemeinde Wien: sie schafft nahezu doppelt so viele Arbeitsplätze als ihr vom Gesetz aufgetragen ist. An ihr könnte sich übrigens auch die Stadt Wien ein Beispiel nehmen.

Fazit

Jene Institutionen, die im Bereich der Arbeitnehmer tätig sind, erfüllen die Auflagen des Gesetzes und machen in vielen Fällen sogar noch beträchtlich mehr und andere. Jene, die zum Beispiel die Interessen der Wirtschaft oder der Mediziner und Juristen vertreten, sind hingegen schon seit Jahrzehnten nicht in der Lage, Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung zu schaffen.

Wäre es für letztere nicht langsam an der Zeit sich die Frage zu stellen, was sie gegen behinderte Arbeitnehmer haben? Menschen mit Behinderungen möchten keine behindertenfreien Zonen in den Betrieben sondern solche, die ihnen eine faire Chance bieten. Behinderte Menschen fordern, dass die Institutionen aus dem öffentlichrechtlichen Bereich mit gutem Beispiel vorangehen und ihrer Vorbildfunktion gerecht werden.

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