Im Spital

„Muatta, göl, den miassn wir derholtn?!“

Eine Frau, die seit 15 Jahren im Wach-Koma lebt, liegt nicht im Sterben. Sie hat eine andere Wahrnehmung als andere, aber welche, kann niemand sagen.

Drei Beweggründe habe ich, diesen Artikel zu schreiben:

  1. In den USA ist Terri Schiavo, eine behinderte Frau, mit Hilfe der Justiz ermordet worden. Am 19. März 2005 wurde Terri Schiavo die Magensonde entfernt und sie verdurstete und verhungerte, bis sie am 31. März 2005 starb!
  2. Die Medienberichterstattung in diesem Zusammenhang war und ist beängstigend für andere behinderte Menschen und spiegelt das Bild der nicht-behinderten Gesellschaft über behinderte (nicht-produktive) Menschen wider.
  3. Wer schweigt, ist dafür.

Eine Frau, die seit 15 Jahren im Wach-Koma lebt, liegt nicht im Sterben. Sie hat eine andere Wahrnehmung als andere, aber welche, kann niemand sagen. In welcher Form sie ihre Umwelt wahrnimmt, wie sie denkt und fühlt, weiß im Grunde niemand. Dass Menschen im Wach-Koma Empfindungen, Gefühle und Wahrnehmungen haben, weiß man aus Schilderungen von Menschen, die aus diesem Zustand wieder erwacht sind, von Angehörigen und von Fachleuten.

Warum musste Terri Schiavo dann eigentlich sterben?
Weil sie irgendwann einmal vor ihrer Erkrankung äußerte, in einem solchen Fall nicht mehr leben zu wollen? Wenn ja, dann müsste man die meisten Menschen, die nach einem Unfall oder nach einer Erkrankung behindert werden, töten. Denn fast niemand kann sich vorher ein behindertes Leben vorstellen. Trotzdem arrangieren sich die meisten Menschen mit ihren neuen Lebensbedingungen – denn der (Über-)Lebenswille des Menschen ist größer als die Angst vor Behinderung.

Weil sie gelitten hat und erlöst werden sollte?
Wenn sie gelitten hat, hatte sie Empfindungen und Gefühle, hatte also eine Wahrnehmung. Entgegen der Argumentationen ihres Mannes, der ihren Zustand als vegetierend und nicht-bewusst beschrieb. Menschen im Wachkoma haben den Weg aus dem Koma heraus geschafft, ihr Gehirn (Hirnstamm) hat die wichtigsten Funktionen wieder aufgenommen. Sie wollen also leben!

Menschen, die auf ständige Hilfe angewiesen sind, leiden meist an den Rahmenbedingungen, die ihnen ein menschenwürdiges Dasein verwehren. Ihre Grundversorgung, wie Hygiene, Essen und Drinken ist nicht gewährleistet; sie kommen nicht oft aus dem Bett bzw. aus dem Zimmer raus; sie sind oft sehr einsam. Statt über „Erlösung“ nach zu denken, müssen Überlegungen angestellt werden, diesen ureigenen Lebenswillen des Menschen durch Verbesserungen der Rahmenbedingungen zu stärken!

Was ist aber, wenn die anderen unter ihrem Anblick gelitten haben?
Ist der Anblick eines behinderten Menschen so schlimm, dass man diesen Menschen lieber tot wissen möchte? Nicht-behinderte Menschen werden durch behinderte Menschen häufig an die eigene Endlichkeit erinnert. Daran, dass sie nicht ewig „jung und vital“ sein werden. Genau dieser Mechanismus ist verantwortlich dafür, dass behinderte Menschen von der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft immer noch weitgehend ausgeschlossen sind. Es ist kein allzu großer Schritt vom Wegschauen zum Wegsperren. Und die Geschichte hat uns gezeigt, dass es nicht viel mehr bedarf, den letzten Schritt des „Wegmachens“ auch noch konsequenterweise zu gehen.

Weil die Pflege zu viel gekostet hat und kein Ende in Sicht war?
Rationalisierungen im Gesundheits- und Sozialbereich treffen immer zuerst die Schwächsten der Gesellschaft, die alten Menschen und die behinderte Menschen. Um ökonomische Motive zu vertuschen, wird die Leidens-Diskussion vorgeschoben. Da bekommt das Un-Wort LEBENSWERT eine ganz andere und noch beängstigendere Bedeutung. Welcher Mensch ist es noch wert, optimal medizinisch versorgt zu werden? Bei wem lohnt es sich noch und bei wem geht die Kosten-Nutzen-Rechnung zu seinem/ihrem Ungunsten aus?

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