Barrierefreiheit: Eissalon in Wien zahlt Schadenersatz um Urteil zu verhindern

Zugang ins Eisgeschäft für RollstuhlfahrerInnen immer noch nicht uneingeschränkt möglich

Klagsverband. Mit Recht gegen Diskriminierung.
Klagsverband

Ein kühles Getränk an einem heißen Sommertag – eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Allerdings nicht für einen Wiener Rollstuhlfahrer, der im Juni 2016 in einem Eissalon in Floridsdorf eine Erfrischung kaufen wollte.

Bei der Eingangstür war nämlich eine Stufe. Damit war für den Wiener der Zugang nicht möglich, er musste seinen schweißtreibenden Weg fortsetzen und ein anderes barrierefreies Lokal suchen.

„Barrierefreiheit muss überall gelten …

Dem Vorfall folgte eine Beratung bei BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben und eine gesetzlich vorgeschriebene Schlichtung.

Zu dem Termin ist die Besitzerin des Eissalons erst gar nicht gekommen und der Rollstuhlfahrer hat mit Unterstützung des Klagsverbands ein Gerichtsverfahren nach dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz angestrengt. Der Verein BIZPES hat die Klage mit seinem Rechtshilfe-Fonds möglich gemacht.

„Barrierefreiheit muss überall gelten, nicht nur an ausgewählten Orten“, erklärt der Kläger seine Motivation für das Gerichtsverfahren.

… und darf nicht von einer persönlichen Laune abhängen.“

„Ein klarer Verstoß gegen die gesetzlich vorgeschriebene Barrierefreiheit“, war das für Andrea Ludwig, die Leiterin der Rechtsdurchsetzung beim Klagsverband. Die Besitzerin des Eissalons hat nun, noch vor der ersten mündlichen Verhandlung, den geforderten Schadenersatz in Höhe von 1.000 Euro bezahlt.

„Das Risiko die Klage zu verlieren, war hoch für den Eissalon, auch weil es mit wenig Aufwand möglich gewesen wäre, hier Barrierefreiheit herzustellen“, ist Andrea Ludwig überzeugt. Mit einer vorzeitigen Zahlung konnte ein Urteil verhindert werden.

„Viel wichtiger ist aber die Frage, ob die Besitzerin des Eissalons verstanden hat, dass Barrierefreiheit nicht von einer persönlichen Laune abhängen darf“, erklärt die Juristin.

Ein Jahr später: unzumutbare Lösungen für den barrierefreien Zugang

Ein Lokalaugenschein im 21. Wiener Gemeindebezirk ein Jahr später zeigt: Beim Eingang zum Eissalon gibt es jetzt eine Klingel. Wenn eine Rollstuhlfahrerin oder ein Rollstuhlfahrer klingelt, kommen MitarbeiterInnen und bieten Hilfe an, zB den Rollstuhl über die Stufe zu tragen.

Bei elektrischen Rollstühlen, die leer bis zu 100 kg wiegen können, ein gefährliches Unterfangen. Die mobile Rampe, die dann doch noch aufgelegt wurde, ermöglicht dann den Zugang zum Lokal.

Dementsprechend irritiert zeigt sich der Kläger: „Das Geld war für mich zweitrangig. Ich wollte ein Umdenken bei der Besitzerin des Eissalons bewirken. Das ist leider nicht gelungen.“

Barrierefreiheits-Gesetz mit Lücken

Neben uneinsichtigen GeschäftsbetreiberInnen ist auch die österreichische Gesetzeslage mitverantwortlich, dass immer wieder inakzeptable Lösungen bei der Barrierefreiheit von Geschäften gewählt werden:

In Österreich ist seit 1. Jänner 2016 Barrierefreiheit in vollem Umfang in der Privatwirtschaft gesetzlich vorgeschrieben. Wer sich nicht daran hält, riskiert eine Klage nach dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz.

Das Gesetz hat jedoch Lücken: Bei erfolgreichem Ausgang vor Gericht erhält die Klägerin oder der Kläger einen Schadenersatz, die Barriere muss aber nicht beseitigt werden.

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16 Kommentare

  • „…und bieten Hilfe an, zB den Rollstuhl über die Stufe zu tragen.“ Wäre es nur ein Rollstuhl, es wäre kein Problem. Tatsächlich aber möchte man die/den Rollstuhlnutzer*in über die Stufe tragen. Denn den Rollstuhl gibt es bekanntlich nicht ohne den „Inhalt“, also den Gast!

    Das ist in meinen Augen nicht erst dann ein Problem, wenn der Rollstuhl motorisiert ist. Ich halte das Ansinnen, rollstuhlnutzende Menschen tragen zu wollen, um sich echte Barrierefreiheit zu sparen, generell für übergriffig und diskriminierend.

    Ich möchte mich nicht von wildfremden Menschen packen und mich so zu meinem „Eisgenuss“ zwingen lassen. Deshalb ist ja auch die Rampe da, damit es nicht zu Übergriffigkeiten kommen kann.

  • Ich bin viel mit Zügen der ÖBB unterwegs – es gibt wunderbare Niederflurfahrzeuge auf diversen kleinen Nebenstrecken, höchst komfortabel! die Bahnhöfe hingegen sind sehr häufig alles andere als barrierefrei – nur Stiegen, keine Rampen, geschweige denn Lifte! ich finde, da besteht dringender Handlungsbedarf und sehe Betriebe wie die ÖBB deutlich mehr gefordert als kleine Geschäfts- oder Lokalbetreiber, die allein aufgrund der baulichen Gegebenheiten oft sehr schwer oder gar nicht die Vorgaben erfüllen können, selbst wenn sie die Notwendigkeit einsehen. MfG. Anne-Marie Zils

  • Wo ist das Problem?
    Redbull verleiht Flügel. Ich kaufe im barrierefreien Supermarkt nebenan ein paar Dosen und überfliege damit alle Hindernisse.

    Man kann sich Probleme auch künstlich machen, wenn man zu wenige davon hat.

    • Ha, ha, ha – Witz? komm raus; du bist umzingelt!

    • Wenn niemand sich gegen Nicht-Barrierefreiheit wehrt, wird sich gar nie was ändern! Also, sparen Sie sich ihre hämischen Worte und seien sie froh, dass sich andere (wie in diesem Fall Herr Kadlec – eventuell auch um Ihre benötigte Barrierefreiheit kümmern, derweil sie locker-flockig ihr Leben als Überflieger genießen.

    • Mit etwas Glück fliegen Sie zu hoch und landen im Himmel:

      http://money.oe24.at/Topbusiness/Tod-durch-Energy-Drink-Droht-Red-Bull-Co-das-Aus/266140540

    • Dieses Problem betrifft doch nur Rollstuhlfahrer.

    • Sie sollten weniger davon trinken, Sie sehen ja, zu welchen Ausfallerscheinungen es führt…!!

    • Günther, vergessen Sie es. Hier wird gerne gejammert statt über aufgezeigte Lösungswege nachzudenken.

  • Verständlich, dass dies ein trauriges Erlebnis war, aber jetzt gibt es ja zum Glück eine barrierefreie Lösung.

    • Welche barrierefreie Lösung meinen Sie denn, wenn man die Mitarbeiter*innen erst zum Anlegen der Rampe tragen muss??

    • Es gibt eine mobile Rampe. Dafür sollten wir dankbar sein. Gegen Schadenersatzzahlung sind Betreiber nicht verpflichtet, barrierefrei zu werden.

      Ich schlage vor, das gutmütige Personal auch nicht auszunutzen und plädiere für ein Maximalgewicht bei Rollstühlen und ihren Benutzern. Heutzutage ist es, auch im Sinne der Volksgesundheit, wohl zu Recht forderbar, seinen BMI unter 20 zu bringen und zu halten.
      Bei Zuwiderhandeln sollte man keinen Anspruch auf Schadenersatz haben, finde ich. Hätte auch den Vorteil, dass man Rampen aus billigen Rohstoffen bauen könnte und dadurch die Ausgaben senken würde.

      Natürlich wären dann Elektrorollstühle Tabu. Die Leute sollen sich selbst bewegen.
      Ein Eis als Kaloriebombe würden die Meisten auch nicht mehr essen dürfen.

    • Lesebrille, Sie müssen doch verstehen, dass wir nur so viel fordern dürfen wie wir zahlenmäßig ausmachen, es gibt einfach mehr Leute, die nicht im Rollstuhl sitzen und deshalb muss man sich damit abfinden.

  • bei den Zahnlosen Gesetz wenn keine Verpflichtung für Barrierefreiheit besteht

  • Möchte mich bei Bizeps und Klagsverband herzlich bedanken für die sehr gute Beratung und Betreuung. Hatte nie das Gefühl alleine zu sein.
    DANKE

  • E-Rollis können nicht „bis zu 100 kg“ wiegen, sonder „ab“.
    Mein E-Rolli wiegt leer 180 kg!!!