Abgeordnete einhellig gegen aktive Sterbehilfe

Parlamentarische Enquete über humane Sterbebegleitung fortgesetzt

Sterbehilfe
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Mit einer Diskussionsrunde wurde die parlamentarische Enquete über humane Sterbegleitung in Österreich am Nachmittag fortgesetzt. In einer ersten Runde gaben dabei Abgeordnete und Bundesräte kurze Statements ab. Dabei waren sich Vertreter aller vier Parteien darüber einig, dass das holländische Modell der aktiven Sterbehilfe kein Weg für Österreich sei. Vielmehr wollen die Mandatare humane Sterbebegleitung in den Vordergrund gestellt wissen und plädierten für einen Ausbau der Hospizbetreuung und der Palliativmedizin.

Eingeleitet wurde die Diskussion von Abgeordnetem Günter Kiermaier (SPÖ). Er trete sehr für den Hospizgedanken ein, sagte er, ein besonderes Anliegen sei ihm aber die Pflege zu Hause. Seiner Ansicht nach haben Kinder die moralische Verantwortung, für ihre Eltern in den Sterbestunden da zu sein. Es müsse möglich sein, die Sterbebegleitung der Eltern zu Hause durchzuführen.

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (FPÖ), die selbst ein Palliativprojekt initiiert hat, sieht es als Aufgabe der Politik, Qualitätsstandards für die Pflege alter Menschen vorzugeben, um diese auch zu kontrollieren. In privaten Pflegeheimen gebe es oft eine Betreuung, die nicht im Sinne der Betroffenen sei, bemängelte sie. Daher sei Qualitätskontrolle dringend erforderlich. Gefordert ist Hartinger zufolge aber auch die Sozialversicherung, die zwar medizinische Hauskrankenpflege finanziere, aber für Hospiz- und Palliativmedizin keine Mittel zur Verfügung stelle.

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP) erklärte, der Sukkus aus den Referaten sei für ihn, dass die Ärzte den Tod nicht mehr als Niederlage sehen dürften. In Bezug auf die Ablehnung der Sterbehilfe ortet er Einigkeit zwischen allen Fraktionen. „Wir alle im Parlament wollen diesen Dammbruch vermeiden.“ In Holland hingegen werde aktive Sterbehilfe zum täglichen Repertoire werden, glaubt Rasinger, Dunkelziffern eingerechnet, könnten bis zu 10 Prozent der Todesfälle darunter fallen. Dann könne man aber nicht mehr von Gnade reden, „das ist schon Horror“.

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (GRÜNE) meinte, die Aussage des Wiener Caritas-Direktors Michael Landau, man sollte von der Begleitung von Lebenden sprechen, habe ihm sehr gut gefallen. Von der Politik forderte er insbesondere auch finanzielle Unterstützung ein. Es wäre unfair, sagte Grünewald, wenn sich nur Besserverdienende einen angenehmen Tod leisten könnten.

Zur Betreuung von Sterbenden merkte der Gesundheitssprecher der Grünen an, stationäre Hospize könnten nur eine Säule sein. Ebenso notwendig sei es, die Palliativmedizin in den Krankenhäusern auszubauen. Sterben dürfe aus den Krankenhäusern nicht verschwinden. Als unverantwortbar würde er es erachten, Langzeitarbeitslose ohne Ausbildung in Altenpflegeheimen einzusetzen.

Abgeordnete Mag. Brunhilde Plank (SPÖ) warf mehrere Fragen in Bezug auf Sterbehilfe auf und stellte etwa zur Diskussion, inwieweit ein todkranker Mensch überhaupt frei und autonom entscheiden könne. Von den Experten wollte sie wissen, wie viele Menschen in Österreich überhaupt für Sterbehilfe in Betracht kämen, nachdem viele Betroffene sicher nicht mehr in der Lage seien, eine solche Entscheidung zu treffen.

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP) hielt fest, Holland verstoße durch die Zulassung von aktiver Sterbehilfe gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Sie begrüßte es daher, dass aktive Sterbehilfe von den Abgeordneten abgelehnt werde. Die in einer Umfrage ermittelte 52-prozentige Zustimmung der Österreicher zur aktiven Sterbehilfe führt Gatterer auf ein Missverständnis zurück, sie glaubt, dass die Befragten unter Sterbehilfe eine schmerzfreie Sterbebegleitung verstanden haben.

Ein Hauptproblem im Umgang mit den Sterbenden ist Gatterer zufolge, dass das Thema Tod in Österreich tabu sei und verdrängt werde. Daher ist es ihrer Auffassung nach nicht nur notwendig, die Palliativ- und Hospizbetreuung zu verbessern, sondern auch das Thema aus dem Tabu zu holen und zu überlegen, wie heute eine „Kultur des Sterbens“ ausschauen könnte.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (GRÜNE) führte aus, jeder der nach den Referaten noch immer für aktive Sterbehilfe sei, solle nach Holland gehen und sich die Praxis anschauen. Sie wünscht sich, dass in Österreich niemals ein ähnliches Gesetz Realität wird. In Bezug auf die Schmerztherapie merkte Haidlmayr an, bedauerlicherweise sei die Minderung von Schmerzen durch Cannabis-Produkte noch immer ein großes Tabu. Hier bestehe Handlungsbedarf.

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (FPÖ) zeigte sich über die große Einhelligkeit der Abgeordneten bezüglich der Ablehnung von aktiver Sterbehilfe erfreut und äußerte sich in diesem Sinn zuversichtlich, dass auch in Zukunft in Österreich kein „holländischer Weg“ beschritten werde. Die Ergebnisse der „profil“-Umfrage, bei der sich 52 % der Österreicher für aktive Sterbehilfe ausgesprochen haben, führt er auf eine suggestive Fragestellung zurück. Die Österreicher würden Sterbehilfe zu einem großen Teil ablehnen, glaubt er.

Pumberger brachte darüber hinaus Datenerhebungen zur Sprache, wonach lediglich ein Drittel der Menschen zu Hause sterbe, aber 81 % zu Hause sterben wollten. Daraus zieht er den Schluss, dass es notwendig ist, mobile Hospizangebote auszubauen. Hausärzte dürften als Drehscheibe nicht allein im Regen stehen gelassen werden. Pumberger gab aber zu bedenken, dass damit Mehrkosten verbunden seien.

Bundesrat Hannes Missethon (ÖVP) erklärte, er kenne niemanden, der im Bereich der Sterbebegleitung tätig sei und aktive Sterbehilfe befürworte. Statt für aktive Sterbehilfe einzutreten, sollte man den Menschen besser Mut für eine solche Sterbebegleitung machen, sagte er. Wenn es stimme, dass 81 % der Sterbenden zu Hause sterben wollten, ist es seiner Meinung nach außerdem notwendig, die Rahmenbedingungen für eine häusliche Betreuung zu verbessern und etwa flächendeckende Betreuungsstrukturen durch mobile Dienste zu schaffen.

Abgeordneter Dr. Erwin Niederwieser (SPÖ) wies darauf hin, dass keiner der Referenten auf die Frage eingegangen sei, wie man mit jenen Menschen umgehen solle, die den festen Willen hätten, sterben zu wollen. Er selbst sieht die Notwendigkeit, die Palliativmedizin auszubauen und auch vermehrt in Forschung zu investieren. Auch sei es nicht nur erforderlich, Ärzte in diesem Bereich aus- und weiterzubilden, man dürfe auch jene, die im Bereich der Krankenpflege tätig seien, nicht vergessen.

Abgeordnete Jutta Wochesländer (FPÖ): Ein eindeutiges Nein zur aktiven Sterbehilfe, aber ein Ja zur Sterbegleitung, zur Palliativmedizin und zur Hospizbewegung. Allerdings gebe es noch Handlungsbedarf im Bereich der Palliativmedizin, vor allem im ländlichen Raum, meinte sie. Auch bei der Erziehung müsste ihrer Meinung nach angesetzt werden. Man müsse das Sterben zulassen und zudem vermitteln, dass der Tod zum Leben gehöre, unterstrich Wochesländer.

Stadtrat DI Helmut Strobl (Präsident des Steirischen Hospizverbandes) unterschied zwischen aktiver Sterbehilfe, einer menschenwürdigen Gestaltung des letzten Lebensabschnittes sowie dem „Normalfall“, nämlich dem Kampf um das Leben bis zum Schluss. Sodann berichtete er von seinen Erfahrungen in der Steiermark, wo 1.400 Personen in diesem Bereich ausgebildet wurden und im vorigen Jahr fast 1.000 Patienten betreut haben. Es habe sich dabei herausgestellt, dass all jene Personen, die palliativmedizinisch oder im Rahmen einer Sterbegleitung betreut worden sind, nicht nach Sterbehilfe verlangen. Solange es jedoch noch keine Standards gibt, sollten wir Politiker aber nicht die Moralkeule schwingen, forderte er.

Dr. Gerhard Aigner (Gesundheitsministerium) wies darauf hin, dass die Patientenverfügung im Krankenanstaltenrecht seit 1993 verankert ist. Außerdem wurde die Palliativmedizin erstmalig im ÖKAP niedergeschrieben.

Im Laufe seiner 20-jährigen Berufstätigkeit sei er erst drei Mal mit dem Wunsch nach einer aktiven Sterbehilfe konfrontiert worden, berichtete Prof. Hellmut Samonig (Dekanat Graz, Onkologe). Die Situation sehe nämlich oft ganz anders aus, wenn man mit den Betroffenen selbst spreche. Man solle sich zudem vor plakativen Äußerungen hüten, warnte er, da eine völlige Schmerzfreiheit in allen Fällen nicht erreicht werden könne.

Er betreue Personen nach Suizidversuchen sowie Kinder und Jugendliche im Koma, erläuterte Dr. Ernst Berger. Es schaudere ihn daher, dass in den Niederlanden eine aktive Tötung von Kindern und Jugendlichen ab dem 12. bzw. ab dem 16. Lebensjahr möglich sein soll. Den Wunsch nach einer aktiven Sterbehilfe sehe er als Kritik an der Akutmedizin, die sich in Richtung einer Beziehungsmedizin umorientieren müsse.

Sepp Wille (Österreichischer Seniorenrat) machte darauf aufmerksam, dass laut drei Umfragen 70 % der Österreicher für eine rechtliche Regelung der Sterbehilfe eintreten, verstand nicht, dass sich die Politiker darauf geeinigt haben, einen anderen Weg zu gehen, und zitierte abschließend den Theologen Hans Küng: Weder Staat noch Kirche, weder Priester noch Politiker haben das Recht, dem Menschen vorzugeben, wann und wie er zu sterben hat.

Dr. Heinz Trompisch von der Lebenshilfe Österreich strich in seinen Ausführungen heraus, dass auch geistig behinderte Menschen wie alle anderen ein Recht auf Sterben in Würde haben, zumal dort, wo Euthanasie durchgeführt wird, in den letzten zehn Jahren weit mehr als 1.000 Menschen mit geistiger Behinderung umgebracht wurden.

Abgeordnete Dr. Fekter (ÖVP) berichtete, dass im Justizausschuss des Nationalrates gegenwärtig kein Antrag vorliege, das Strafrecht zu lockern, wobei ein solcher wohl auch keine Mehrheit finden würde und schon gar nicht auf die Zustimmung ihrer Fraktion stieße, denn das Tötungsverbot müsse bleiben, unterstrich Fekter.

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