"Den persönlichen Bedürfnissen entsprechend" - so bietet eine österreichische Blindenführhundefirma seit neuestem Hunde an.
Klingt gut, Hund nach Maß sozusagen. Billig ist er außerdem – nur etwas über 200.000 Schilling. Leider gibt es dabei einen Pferdefuß. Die arglosen Hundebewerber müssen nämlich einen Passus unterschreiben, daß sie einverstanden sind, daß dieser maßgeschneiderte Hund nicht nach der geltenden und als einzige vom Sozialministerium anerkannten Prüfungsordnung ausgebildet wird.
Was von der Firma jedoch schamhaft verschwiegen wird, ist die Tatsache, daß ein solcher Hund nach dem Bundesbehindertengesetz überhaupt kein Blindenführhund ist.
Besonders Ersthundeführer wissen meist nicht genau, was ein Blindenführhund alles können und vor allem wie er die einzelnen Disziplinen ausführen muß. Eben weil die Hundeführer zumeist zu spät auf Mängel der Hunde aufmerksam wurden, wurde vor 10 Jahren die Blindenführhundeprüfung eingeführt.
Nachdem es jetzt endlich die gesetzliche Regelung gibt, befürchten manche Firmen offensichtlich das Versiegen der Spendenflüsse von privaten Sponsoren, die bis jetzt in ahnungsloser Großzügigkeit zahlreiche ungeprüfte Hunde finanziert hatten, wenn die „bösen“ öffentlichen Stellen ohne Prüfung nicht zahlen wollten. Mit dem Argument „der Blinde hat es ja selbst so gewollt“ wird versucht, die alten Praktiken fortzuführen.
Aber das ist noch nicht alles: Wenn so ein Nicht-Blindenführhund durch Fremdverschulden zu Schaden kommt, wird er bei allfälligen Schadenersatzansprüchen vom Wert her nur wie ein gewöhnlicher Haushund eingestuft.
Die Auskunft des Konsumentenschutzministeriums zu diesem Thema ist eindeutig: falls jemand einen Vertrag über einen solchen Hund unterschrieben hat, kann er nach dem ABGB wegen grober Täuschung zurücktreten, weil er bei der Bestellung trotzdem damit gerechnet hat, einen wirklichen Blindenführhund zu erhalten..
Auch seitenlange Garantien sind oft nicht das Papier wert, auf dem sie stehen. In einem Prozeß wegen Gewährleistung für einen ungeprüften Hund von einer anderen, ebenfalls österreichischen Führhundfirma behauptet diese, daß die Hundeführerin gar keinen Anspruch auf Gewährleistung habe, weil der Hund von einer Zeitung gesponsert sei.
Der Hund wurde von der beklagten Firma unter der Bezeichnung „Blindenführhund“ verkauft und sollte im Zuge des Prozesses geprüft werden, erwies sich jedoch als herzkrank und fast blind. Die Firma hat in der ersten Instanz verloren, jedoch Einspruch gegen das Urteil eingelegt, so daß es noch nicht rechtskräftig ist.
Trotzdem zeigt schon die Argumentation der Firma, welche Geschäftsmethoden in diesem Sektor üblich sind.
Die beiden oben erwähnten Firmen haben sich inzwischen zu einer „Interessensgemeinschaft“ zusammengeschlossen und wollen so gemeinsam die bewährte Prüfungsordnung aufweichen. Leider haben sich auch Hundeführer gefunden, die, aus welchen Gründen auch immer, „auf seiten der Trainer“ stehen.
Daraus läßt sich schließen, daß es zwei Seiten geben muß: die Seite der Trainer inklusive mancher blinder Hundeführer und die der Konsumenten, die einen gesunden, gut ausgebildeten Hund erwarten und auch benötigen. Die Zukunft wird zeigen, ob es den negativen Kräften gelingt, wieder Zustände wie vor 1989, also vor Einführung der Blindenführhundeprüfung, einzuführen.
Fairerweise muß man auch sagen, daß es auch Firmen im In- und Ausland gibt, die sich bemühen, ihre Hunde korrekt auszubilden. Im Interesse der blinden Hundeführer, aber auch im Interesse der um Qualität bemühten Firmen ist zu hoffen, daß es gelingt, die Standards zu halten.
Sonst könnte es passieren, daß sich der Ausspruch einer Firma: „macht nichts, Deutschland wartet schon“, als ihre Hunde in Österreich wegen gesundheitlicher Mängel nicht zur Prüfung zugelassen wurden, in den Spruch verwandelt „macht nichts, Österreich wartet schon“.