Bahnhof Schwaz: „Ich stelle einen klaren Rechtsbruch fest“

Rundfahrt am Bahnhof Schwaz in Tirol. Mangelnde Barrierefreiheit und ein Appell zur Umsetzung von Maßnahmen an die ÖBB (Der Text ist die Abschrift des Videos).

Bahnhof Schwaz
Walter, Gerhard

Mein Name ist Gerhard Walter, ich bin auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen und für meine Mobilität ist Barrierefreiheit eine Voraussetzung. Wir befinden uns am Bahnhof Schwaz in Tirol.

Schwaz ist eine Bezirkshauptstadt mit ca. 13.000 Einwohnern und liegt 30 km östlich von Innsbruck.

Mit Inkrafttreten des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes im Jahr 2006 wurden die ÖBB verpflichtet, einen verbindlichen Etappenplan vorzulegen, der Maßnahmen beschreibt, wie die gesetzlich vorgeschriebene Barrierefreiheit innerhalb einer 10-jährigen Übergangsfrist umgesetzt werden soll.

Umbau war im Etappenplan vorgesehen

Weil Schwaz die notwendigen Kriterien erfüllte, nämlich eine Bezirkshauptstadt ist und eine Kundenfrequenz von mehr als 2000 Kunden pro Tag aufweisen kann, wurde der Bahnhofsumbau für die letzte Phase zwischen 2013 und 2016 geplant und in den Etappenplan aufgenommen.

2008 gab es mit den Verantwortungsträgern der ÖBB Gespräche dahingehend, die Barrierefreiheit schon früher zu gewährleisten, weil es bis dahin unmöglich war mit einem Rollstuhl die Bahn zu nutzen.

Man teilte uns damals mit, dass ein Generalumbau der Gleisanlagen, sprich, der Einbau von Personenliften, die Erhöhung der Bahnsteige und die Verbreiterung der Bahnsteige erst nach Fertigstellung der Unterinntaltrasse Ende 2012 aus technischen Gründen möglich sei.

Bis dahin, also bis Ende 2012 soll ein Provisorium und einige andere Verbesserungen errichtet werden, damit der Bahnhof – nennen wir es – etwas barrierefreier werden soll.

Zur Ehrenrettung

Zur Ehrenrettung der ÖBB möchte ich betonen, dass sie die Vereinbarung aus dem Jahr 2008 – was die Übergangsmaßnahmen anbelangt – einhielten. So fahren nun fast alle Züge in den beiden Randbahnsteigen ein, Blindenleitsysteme wurden gebaut, zwei Behindertenparkplätze und eine behindertengerechte Toilette wurden errichtet, eine Rampe zum Bahnsteig 4 gebaut und eine Servicestelle eingerichtet, deren Mitarbeiter zumindest während der Woche von 6:30 bis 17:30 Uhr Menschen mit Behinderung beim Ein- und Aussteigen in den Zug helfen.

Nähere Infos zum österreichweit einzigartigen Sozial- und Kulturprojekt des Vereins für Sozialprojekte Schwaz, schranken-los.at erhalten Sie unter www.schranken-los.at.

Im Herbst 2012 wurde von der ÖBB mitgeteilt, dass der Bahnhofsumbau in Schwaz erst ab 2021 erfolgen soll, obwohl sie spätestens bis Ende 2016 die Barrierefreiheit am Bahnhof laut Behindertengleichstellungsgesetz umsetzen müssten. Diese Meldung machte mich zornig und bewog mich auch diesen Kurzfilm zu drehen.

Klarer Rechtsbruch

Die ÖBB hält sich offenbar weder an den rechtlich verbindlichen Etappenplan aus dem Jahr 2006 noch an Versprechungen aus dem Jahr 2008. Ich stelle einen klaren Rechtsbruch fest.

Sollte die ÖBB nicht einlenken und ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen, werden von uns auch rechtliche Schritte in Erwägung gezogen werden müssen. Bei der österreichischen Rechtslage zwar sehr schwierig, aber nicht aussichtslos.

Wir schauen uns jetzt die neuralgischen Punkte bzw. die fehlende Barrierefreiheit etwas näher an.

Wir befinden uns hier am Bahnsteig 1. Hier bleiben die Züge von Innsbruck kommend stehen und fahren weiter ins Tiroler Unterland. Die Bahnsteighöhe beträgt 38 cm.

Um allerdings eben und ohne fremde Hilfe in einen Niederflurzug zu gelangen, benötigt es die Normbahnsteighöhe von 55 cm. Die Situation ist am Bahnsteig 4 die selbe.

Weiter geht’s auf die andere Seite: Diese steile Rampe entspricht nicht der geltenden Norm. Sie ist viel zu steil und vielleicht können Spitzensportler diese Rampe ohne fremde Hilfe bewältigen, ich jedenfalls nicht.

Jetzt sehen wir die langen Stiegen zu den Bahnsteigen 2, 3 und 4, für Eltern mit Kinderwägen oder Rollstuhlfahrern unmöglich zu bewerkstelligen. Auch ältere Menschen oder Reisende mit schweren Gepäcksstücken haben damit ihre Schwierigkeiten.

Jetzt befinden wir uns auf dem Weg zum Bahnsteig 4. Bei schönem Wetter ist dieser Weg machbar, bei schlechtem Wetter bzw. Schnee eine unmögliche Herausforderung. Außerdem darf man es nicht eilig haben. [Musik ]

Wir sind nun vom Fahrkartenautomat ausgehend ca. 10 Minuten unterwegs und befinden uns auf dem Bahnsteig 4 Richtung Innsbruck. Hier haben wir die selbe Situation, wie am Bahnsteig 1. Auf Grund des Niveauunterschiedes zwischen Bahnsteig und Einstieg in den Zug ist es für mich nicht möglich, ohne fremde Hilfe ein- oder auszusteigen.

Nicht auf den St. Nimmerleinstag vertrösten

Vielleicht kann der Kurzfilm die Verantwortungsträger der ÖBB endlich dazu bewegen, die notwendigen und verpflichtenden Maßnahmen bis spätestens Ende 2016 umzusetzen und uns nicht immer auf den St. Nimmerleinstag zu vertrösten.

Ich fordere das Menschenrecht auf Barrierefreiheit ein. Bus und Bahn für alle muss auch außerhalb der Ballungsräume endlich Realität werden.

Video zum Bahnhof Schwaz

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