Interview von monat mit Martin Ladstätter zum Thema barrierefreies Internet.
monat: Martin Ladstätter, du gehörst zu den Pionieren für barrierefreies Internet in Österreich und bist mittlerweile als Spezialist zum Thema bekannt. Wie hat es eigentlich für dich persönlich angefangen mit dem barrierefreien Internet und warum ist dieses Thema so wichtig?
Martin Ladstätter: Ich hatte schon recht früh meine ersten Erlebnisse mit dem Internet und so überrascht es nicht, dass BIZEPS schon im Jahr 1995 sein erstes Internetangebot betrieben hat. Für uns als Zentrum für Selbstbestimmtes Leben war es eine Selbstverständlichkeit, dass unsere Angebote behinderungsübergreifend arbeiten. Damals war barrierefreies Internet noch kein großes Thema. Ich begann dann im Jahr 1997, mich mit Barrieren im Internet zu beschäftigen und wir haben begonnen, erste Verbesserungen bei unserem Nachrichtendienst www.bizeps.or.at anzubieten.
Die Bemühungen zeigten erste Erfolge und wir erhielten zahlreiche positive Reaktionen und auch Preise im In- und Ausland für unseren Internetauftritt. Als im Jahr 1999 internationale Richtlinien für barrierefreies Internet veröffentlicht wurden, war klar: Barrierefreiheit im Internet wird ein großes Thema.
monat: Auf eurer BIZEPS-Homepage finden sich viele Eintragungen zum Stichwort Accessibility und „barrierefreies Internet“. Welchen Stellenwert nimmt barrierefreies Internet im Forderungskatalog für Barrierefreiheit ein?
Martin Ladstätter: Das Internet hat in den letzten Jahren einen sehr hohen Stellenwert im Alltag und im Berufsleben erreicht. Daher ist die Bedeutung von Barrierefreiheit in den letzten Jahre rasant gestiegen und der Gesetzgeber hat dieser wachsenden Bedeutung auch Rechnung getragen, indem er im E-Government-Gesetz und im Behindertengleichstellungsgesetz Vorgaben gemacht hat.
International waren wir mit den gesetzlichen Regelungen für Behördenauftritte leider nicht Vorreiter, sondern Mittelmaß. Deutschland und die Schweiz hatten diese schon einige Jahre zuvor als gesetzliche Vorgabe geregelt gehabt.
monat: Gemäß E-Government-Gesetz müssen ja behördliche Internetseiten seit 1.1.2008 barrierefrei sein, und seit 2006 (Behindertengleichstellungsgesetz) ist die Vergabe von Förderungen des Bundes an die Barrierefreiheit gekoppelt. Wie zufriedenstellend haben die Betreiber dieser Internetseiten die Rechtslage umgesetzt?
Martin Ladstätter: Beide gesetzlichen Verpflichtungen sind wichtig. Wenn man bedenkt, dass die internationalen Richtlinien für barrierefreies Internet schon im Jahr 1999 verabschiedet wurden und die Schnelllebigkeit des Mediums Internet berücksichtigt, dann sollte es im Jahr 2008 eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass behördliche Internetauftritte barrierefrei sind. Man muss festhalten, dass, durch die jahrelangen Bemühungen der Betroffenen, in diesem Bereich auch sehr viel passiert ist.
„Sorgenkind bleibt noch die Wirtschaft, die seit 2008 auch verpflichtet ist. Doch in diesem Bereich hat sich die gesetzliche Vorgabe noch nicht herumgesprochen und es gab daher schon eine Reihe von Interventionen bzw. Schlichtungsverhandlungen gemäß Gleichstellungsgesetz. Es sind wieder jene großen Anbieter, die teilweise im öffentlichen Einflussbereich stehen und auch sonst nicht durch ein diskriminierungsfreies Auftreten bekannt sind. Konkret betrifft es u.a. den ORF und die ÖBB. Beide agieren gesetzeswidrig und haben sogar neue nicht barrierefreie Angebote ins Netz gestellt.“ Auch wenn behinderte Menschen teilweise viel Geduld haben, hier könnte es schon einmal passieren, dass im Rahmen einer (Verbands)klage dagegen vorgegangen wird.
monat: Welche Vorbehalte gibt es seitens der Betreiber gegen barrierefreies Internet? Zukunftsprognosen?
Martin Ladstätter: Meiner Erfahrung nach kann man zwei Gruppen unterscheiden. Jene, die fragen, OB man barrierefreies Internet braucht und jene, die fragen, WIE es realisierbar ist. Während die OB-Gruppe meist kaum über Information verfügt und daher meist vom Hörensagen, von Mythen lebt, („Das ist so teuer.“, „Das ist schwer zu realisieren.“) ist es lohnender mit der WIE-Gruppe zusammenzuarbeiten.
Es gibt eine Reihe von Unternehmen, die schon seit Jahren mehr oder weniger barrierefreie Internetangebote bieten. Allerdings nicht, um eine gesetzliche Bestimmung zu erfüllen, sondern weil sie erkannt haben, dass es eine Reihe von handfesten Vorteilen bringt, das Kundenpotential auszuschöpfen und auch saubere Arbeit zu leisten.
Interessant ist nämlich, dass meist jene Anbieter keine barrierearmen Angebote haben, die auch sonst kaum Ahnung von Technik und Umsetzung von Internetauftritten haben. Den Internetauftritten von ÖBB und ORF mangelt es in vielen Bereichen an Qualität – nicht nur an Barrierefreiheit. Technisch versierte Mitarbeiter dieser Organisationen sagen dies auch hinter vorgehaltener Hand, während die Verantwortlichen dies (noch) nicht so sehen, weil die Internetauftritte ja bekanntlich trotzdem genützt werden. Barrierefreies Internet wird sich ebenso durchsetzen, wie barrierefreies Bauen.
monat: Was kostet Barrierefreiheit?
Martin Ladstätter: Es hängt vom einzelnen Angebot ab. Barrierefreiheit gepaart mit guter Strukturierung des Internetauftrittes spart klar Kosten, sagen Unternehmen. Nicht bezifferbar sind „Imagekosten“. Jeder von uns kennt Internetauftritte, die schlecht organisiert sind und die wir deswegen ungern oder gar nicht verwenden. Die Kosten für diese Auftritte sind teilweise verloren und vielen ist das gar nicht bewusst. Vor allem große Unternehmen erkennen aber mehr und mehr diese Herausforderung und verwenden Energie und Zeit, um ihre Internetauftritte zu optimieren. Mit den konkreten Kosten der Barrierefreiheit im Internet verhält es sich ähnlich wie mit den Kosten im Bereich barrierefreies Bauen. Wer sie vorher einplant, hat kaum mit Mehrkosten zu rechnen. Teuer wird es erst, wenn im Nachhinein umgebaut werden muss.