Unternehmer demonstrierten heute in Klagenfurt gegen die Undurchführbarkeit des Behindertengleichstellungsgesetzes - das für Landesgebäude gleich gar nicht gilt.
Der Klagenfurter Juwelier und WK-Bezirksobmann Max Habenicht ist mit der Anzeige eines Behinderten konfrontiert.
Das Corpus Delicti: eine 11,5 Zentimeter hohe Stufe vor der Eingangstür seines Ladens in der Bahnhofstraße, die für einen Sehbehinderten eine Diskriminierung darstellt. Das Behindertengleichstellungsgesetz 2006 verbietet allerdings die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen – und diese erfolgt nicht nur, wenn eine Person aufgrund ihrer Behinderung durch ein aktives Tun benachteiligt wird; nach dem Gesetz liegt eine Diskriminierung auch dann vor, wenn durch bauliche Barrieren der Zutritt zu öffentlich zugänglichen Bereichen erschwert, unmöglich oder nur mit fremder Hilfe möglich gemacht wird.
Fühlt sich ein Mensch mit Behinderungen unter anderem durch eine bauliche Barriere diskriminiert, hat er Anspruch auf Ersatz eines allfälligen Vermögensschadens, aber auch auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. Der Schadenersatz für die persönliche Beeinträchtigung beträgt mindestens 1.000 Euro – pro Anlassfall. Unternehmer wie Juwelier Habenicht könnten also theoretisch täglich mit eintausend Euro bestraft werden – „dann sperren 80 Prozent der Händler in Österreich zu“, sagte Handelsspartengeschäftsführer Nikolaus Gstättner am Rande einer Pressekonferenz vor dem Geschäft Habenichts.
Hier hatte eine Zimmerei in den frühen Morgenstunden eine maßstabsgetreue Attrappe jener Rampe aufgebaut, die unter Berücksichtigung aller Vorschriften den Zugang für Behinderte gewährleisten könnte. Sie ist über sieben Meter lang und ragt gut eineinhalb Meter in den Gehsteig hinein.
Max Habenicht: „Selbst wenn wir uns bei der Schlichtung beim Bundessozialamt geeinigt hätten und ich diese Rampe zum Geschäft bauen lassen würde, hätte ich keine Rechtssicherheit. Morgen kann schon jemand kommen und etwas anderes fordern, dann gibt es wieder eine Schlichtung. Wir haben das Geschäft vor 13 Jahren umbauen lassen und es bereits barrierefrei geplant. Aber die Umgestaltung der Bahnhofstraße kam trotz Zusagen der Politik bisher nicht zustande.“
Das bestätigt auch Professor Hans Steiner, Baumeister und gerichtlich beeideter Sachverständiger. Habenicht habe sich beim Umbau im Jahr 2001 an die damals geltenden Ö-Normen gehalten. Steiner: „Diese Normen haben sich seitdem weiterentwickelt – und die neuen Richtlinien und gesetzlichen Bestimmungen werden nun für die Beurteilung herangezogen. Das macht es schwierig. Die Unternehmen haben de facto keine rechtliche Sicherheit, obwohl sie alle damals gültigen Vorschriften eingehalten haben.“
Eine Situation, die Wolfgang Dörfler, Geschäftsführer der ebenfalls vom Behindertengleichstellungsgesetz betroffenen Sparte Tourismus, nicht hinnehmen will: Es sei dem einzelnen Unternehmer praktisch nicht möglich, die Richtlinien für Barrierefreiheit alleine umzusetzen. Es müsse gemeinsame Lösungen mit Stadt und Land geben, gerade wenn es um Dinge wie den Umbau von Gehsteigen gehe. Dörfler: „Wir fordern Rechtssicherheit für Betriebe, die bereits investiert haben. Bis diese Voraussetzungen vorliegen und der Unternehmer die geplanten Maßnahmen setzen kann, darf es zu keinen weiteren Verfahren gegen ihn kommen.“
Ohnehin wird die gesetzlich festgelegte Zumutbarkeit der notwendigen Umbaumaßnahmen für den Betrieb die Machbarkeit teurer Baumaßnahmen deutlich einschränken. Durch eine überzogene Auslegung des Diskriminierungsbegriffes durch die Behindertenverbände werden aber auch praktikable Lösungsansätze im Keim erstickt. So stellt die Installation einer Klingel am Portal, mit der sich der Kunde mit Behinderung bemerkbar machen kann, nach Ansicht der Verbände wieder eine Diskriminierung dar; sie könnte nur dadurch umgangen werden, dass alle Kunden vor dem Eingang klingeln müssten.
Handelsspartenobmann Raimund Haberl: „Es gibt österreichweit tausende Unternehmer, die heute vor demselben Problem wie Max Habenicht stehen. Uns geht es darum, eine Lösung zu finden, die die Gruppe der beeinträchtigen Menschen zufriedenstellt, denn sie sind auch eine wichtige Zielgruppe für uns. Man muss aber auch immer die Verhältnismäßigkeit der Umbaukosten für den einzelnen Betrieb sehen.“
Vor dem Gesetz sind alle gleich?
Was die Wirtschaft besonders ärgert, ist die Ungleichbehandlung von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen. Das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz verpflichtet Unternehmer unter Schadenersatzandrohung, bis spätestens 1.1.2016 barrierefrei zu sein. Für seine eigenen Bundesgebäude hat sich der Bundesgesetzgeber jedoch eine Übergangsfrist bis 31.12.2019 ins Gesetz geschrieben. Und damit nicht genug: Nach Ansicht des Verfassungsdienstes des Amtes der Kärntner Landesregierung sind Landes- und Gemeindebehörden überhaupt nicht zur Beseitigung von Barrieren verpflichtet, und dies zeitlich unbeschränkt.
Tourismusspartenobmann Helmut Hinterleitner: „Es ist nicht einzusehen, warum es eine unterschiedliche Behandlung von öffentlichen Gebäuden und Privaten gibt. Man fordert von den einzelnen Betrieben etwas, das selbst die öffentliche Hand nicht schafft – das ist auch eine Form der Diskriminierung.“
Dies sei umso erstaunlicher, als sich Behinderte zwar ihren Juwelier, ihre Trafik oder ihren Tourismusbetrieb aussuchen könnten, für behördliche Leistungen in aller Regel aber kein freier Markt bestehe und Menschen mit Behinderungen gezwungen sind, eben diese zuständige Behördenstelle aufzusuchen. Die Wirtschaftskammer fordert daher Gleichberechtigung von gewerblichen Betrieben mit der öffentlichen Hand und eine sofortige Aussetzung der Schadenersatzdrohungen, bis eine Gleichbehandlung von privaten Unternehmern und öffentlichen Einrichtungen gewährleistet ist.