Behindertenpolitik – in Österreich und anderswo

In Großbritannien hat der "New Labour"-Chef, Tony Blair, die Wahlen haushoch gewonnen und stellt jetzt die Regierung.

Flagge Österreich
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Unter den neuen Abgeordneten befinden sich erstmalig eine Rollstuhlfahrerin sowie ein moslemischer Abgeordneter aus Pakistan. In Österreich aber sind behinderte Menschen für den Bundeskanzler kein Thema.

Der neuen sozialdemokratischen Regierung in Großbritannien gehören erstmalig ein sich offen zu seinem Schwulsein bekennender Minister, Kulturminister Chris Smith, sowie der erste blinde Minister Großbritanniens, David Blunkett an, der verantwortlich für die geplanten Reformen im Kernbereich Bildung und Arbeit ist.

Der blind zur Welt gekommene Blunkett kam als Arbeitersohn in der Stahlstadt Sheffield zur Welt. In der Abendschule erwarb er seine Reifeprüfung und kam über den Stadtrat seiner Heimatstadt, dessen Vorsitzender er schließlich wurde, in die Politik.

Landesweit, aber auch bereits international bekannt wurde er, als er 1987 als erster blinder Abgeordneter in das Unterhaus einzog. Mitsamt seiner schwarzen Labradorhündin Lucy. Als Mitglied des Labour-Schattenkabinetts saß Blunkett im Parlament in der ersten Reihe, vor ihm lag stets Lucy.

Gar nicht auszudenken was passiert wäre, wenn Blunkett mit Lucy damals im Parlament in Wien seine österreichischen KollegInnen besucht hätte: Er wäre wieder nachhause geschickt worden, da die Hausordnung die Mitnahme von Hunden verbot. Selbst nach diversen Interventionen von Abgeordneten und Parlamentarischen Anfragen, in deren Beantwortung der Parlamentspräsident die Aufhebung des Verbots von Blindenhunden zusicherte, gab es immer wieder Schwierigkeiten. So wie auch in vielen anderen Amtsräumen oder in Kulturstätten Österreichs.

In den USA

ist eine öffentliche Debatte darüber entbrannt, ob das Anfang Mai 1997 in Washington eingeweihte Franklin D. Roosevelt Memorial die Behinderung des 1945 verstorbenen US-Präsidenten deutlich zeigen oder kaschieren sollte.

Genau letzteres ist durch die Darstellung im Memorial geschehen: Ein übergroßer Umhang verbirgt den Rollstuhl des darin sitzenden Präsidenten. Roosevelt hatte Zeit seines Lebens die Tatsache zu verbergen gewußt, daß er als Folge einer Polio-Erkrankung nur ein wenig, mit Hilfe von Stützapparaten, gehen konnte und mehrheitlich auf den Rollstuhl angewiesen war. Deshalb sind die Erbauer der Gedenkstätte der Meinung, sie hätten ganz im Sinne des Präsidenten gehandelt.

Aktivisten der US-Behindertenbewegung kündigten an, aus Protest gegen diese Verhüllung die Gedenkstätte mit ihren Erinnerungsstücken – ausgedienten Krücken, Beinschienen und Rollstühlen – zu pflastern. Präsident Bill Clinton fühlt sich, seitdem er nach einer Knieverletzung im Rolli sitzen und später auf Krücken durch´s Weiße Haus humpeln mußte, nach eigener Aussage auf eine ganz neue Art mit behinderten Menschen solidarisch.

Angesichts der Memorial-Debatte will Clinton nun ein Gesetz mitunterstützen, das von den Verantwortlichen der Gedenkstätte fordert, einen demaskierten Roosevelt aufzustellen. Eine Skulptur des Präsidenten mit einer sichtbaren Bewegungshilfe.

„Ich bin glücklich, diese Maßnahmen vorzuschlagen, damit Generationen von Amerikanern wissen, daß dieser große Präsident mit seiner Behinderung groß war“ sagte Clinton. Wenn Franklin D. Roosevelt heute leben würde, ist sich Clinton sicher, „würde er darauf bestehen, im Rollstuhl dargestellt zu werden“.

Anders läuft es in Österreich

Bei uns ist „behindert sein“ derzeit kein Thema – warum denn auch. Da bringt es der neue Bundeskanzler, Viktor Klima, zuwege, uns bei wichtigen Ereignissen gleich zweimal hintereinander nicht mit einem Wort zu erwähnen. Zuerst bei seiner Regierungserklärung im Parlament (BIZEPS-INFO hat darüber berichtet) und dann beim SPÖ Parteitag am 9. April 1997 in Linz, als er zum Parteivorsitzenden gewählt wurde.

Nicht „vergessen“ hat uns Klima allerdings, als er, noch als Finanzminister für das letzte Sparpaket im Jahre 1996 verantwortlich, für behinderte Menschen umfassende Verschlechterungen in der Höhe von nahezu 4.000 Millionen Schilling gegen unseren Willen und trotz unserer Proteste brutal durchdrückte. Und die Einsparungsmaßnahmen dann noch zynisch und immer wieder als „sozial ausgewogen“ bezeichnete.

Diese behindertenfeindliche Haltung des Bundeskanzlers wird auch von seinem Vizekanzler, Wolfgang Schüssel, voll geteilt: Schüssel war nicht zu bewegen, in seiner Rolle als Außenminister, und damit auch für die Belange der EU verantwortlich, für die Einführung einer Nicht-Diskriminierungsklausel für behinderte Menschen in den Maastricht-Nachfolgeverträgen einzutreten. Erst die Abgeordneten des Nationalrates mußten ihm dazu den Auftrag erteilen.

In Österreich werden Menschen wegen ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Hautfarbe von öffentlichen Funktionen noch immer ausgeschlossen. Da ist ein nichtbehinderter und damit nicht betroffener „Behindertensprecher“ genug für uns. Ganz Österreich würde sich an den Kopf greifen, wenn ein Mann, also ein nicht Betroffener, der Frauensprecher einer Partei wäre. Oder ein Gewerbetreibender die Arbeiter, ein Lehrer die Bauern oder ein Arzt etwa die Beamten vertreten würde.

Die SpitzenpolitikerInnen der Sozialdemokratie betonen neuerdings immer wieder, wie sehr sie Tony Blair als ihr großes Vorbild betrachten. Die SPÖ hat nun die einmalige Gelegenheit, ihre Lippenbekenntnisse in die Tat umzusetzen und es ihrem großen Vorbild aus England gleichzutun. Es ist höchste Zeit.

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