Behindertenrechte von Bundesregierung ausgehöhlt?

Irgendwie kommt einem diese Geschichte recht bekannt vor:

Zuerst sagt die Vizekanzlerin, Dr. Susanne Riess-Passer (FPÖ), was zu geschehen hat und dann muß der Sozialminister, Mag. Herbert Haupt (FPÖ), den Befehl exekutieren. Um es noch etwas spannender zu machen, erklärt die Vizekanzlerin zwischendurch auch noch, daß sie bei dieser Sache ja eigentlich gar nix zu reden hat.

Die Rede ist von den Bundessozialämtern (BSA). Laut einer Meldung in der „Presse“ vom 5. September 2000 hat Vizekanzlerin Riess-Passer die Absicht verkündet, die Bundessozialämter in die Länderverwaltung auszugliedern bzw. ganz aufzulösen, um damit Personaleinsparungen zu erzielen.

In einer daraufhin von der Behindertensprecherin der Grünen, Abg. Theresia Haidlmayr, gestellten schriftlichen Anfrage mußte die Vizekanzlerin allerdings zugeben, daß dieser Plan gar nicht in ihren Kompetenzbereich falle und dafür allein der Sozialminister, Mag. Herbert Haupt (FPÖ), zuständig sei. Eine daraufhin von der Abg. Haidlmayr an den Sozialminister gestellte Anfrage zum selben Thema wird von diesem allerdings mit recht klaren Aussagen und Feststellungen beantwortet.

Der Sozialminister weicht zwar der Frage „Planen Sie … tatsächlich die Auflösung der Bundessozialämter … ?“ aus. Auf der anderen Seite aber beantwortet er diese Frage mit folgenden Worten: „Eine Auflösung der Bundessozialämter wäre nicht nur ein falsches Signal an die behinderten Menschen in Österreich, sondern würde auch die zukunftsorientierte Weiterentwicklung der Behindertenpolitik gefährden.“

Weiters führt er aus, daß die Bundessozialämter „einen wesentlichen Beitrag für die Sozialpolitik in Österreich“ leisten, „auf den auch in der Zukunft nicht verzichtet werden kann.“ Weiters stellt der Minister fest, daß auf keine der derzeitigen Aufgaben der BSA für behinderte Menschen verzichtet werden kann.

Gutachten erstellt
Das klang recht beruhigend, allerdings nur so lange, bis in der letzten Juniwoche ein Gutachten erstellt wurde, welches die Pläne der Regierung wieder in einem ganz anderen und vor allem für die Betroffenen äußerst unerfreulichen Licht erscheinen lassen: Die Unternehmensberatungsfirma Arthur Andersen hat dem Sozialminister ein Modell präsentiert, das die Ausgliederung der Bundessozialämter in eine GesmbH vorsieht.

Dabei sollen die sieben bestehenden BSA in eine Agentur ausgegliedert werden. Gleichzeitig sollen die Kompetenzen in der Förderung, Beratung und Betreuung behinderter Menschen, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, an die Länder abgegeben werden. Das bedeutet, daß diesen Plänen zufolge eine große Gruppe von Betroffenen an die Sozialfürsorge der Länder abgeschoben werden soll.

Es kann nicht angehen, daß unterschieden wird zwischen solchen Menschen, die für den Arbeitsmarkt infrage kommen bzw. für ihn verwertbar sind, und solchen, die nicht infrage kommen, nicht verwertbar sind. Es darf nicht schon wieder zwischen „Wertem“ und „Unwertem“ unterschieden werden, denn dann ist der Schritt zu einem unwerten Leben bald nur mehr ein kleiner und auch mit Sicherheit der nächste.

Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Rechte unserer Personengruppe auf der Bundesebene besser aufgehoben sind. Dies unter anderem auch deshalb, weil die Gesetze und Bestimmungen der Länder nach wie vor viel zu viele sogenannte Kannbestimmungen enthalten, welche die Betroffenen in eine de facto Bittstellerrolle drängen.

Fürsorgedenken
Weil das Fürsorgedenken bei den Ländern und Gemeinden nach wie vor eine bestimmende Kraft darstellt, würde dies für alle Betroffenen einen gewaltigen Rückschritt und daher einen Anschlag auf ihre in den letzten Jahren mühsam errungenen Bürgerrechte darstellen. Eine drastische Verschlechterung der Lebensqualität vieler behinderter ÖsterreicherInnen wäre die Folge, eine Aushöhlung unserer Rechte das Ergebnis. Die bisherigen – für die meisten von uns ohnedies sehr eng gesteckten – notwendigen Rahmenbedingungen für die Führung eines selbstbestimmten Lebens wären drastisch in Frage gestellt.

Dies könnte und würde von uns sicherlich nicht widerspruchslos hingenommen werden. Wir wollen keinen Sozialabbau auf dem Rücken von behinderten Menschen!

Wer sich über die Leistungen des Bundessozialamtes für Wien, NÖ und des Burgenlandes informieren will, kann den Jahresbericht unter Tel.: 01 / 588 31, Fax: 01 / 586 20 16 anfordern.

Finanzierungsmodell
Das vom Unternehmensberater vorgeschlagene Finanzierungsmodell strotzt darüber hinaus vor unseriösen Annahmen: Es soll der Ausgleichstaxfonds herangezogen werden (doch jeder Schilling wird dort für die berufliche Rehabilitation benötigt), der Europäische Sozialfonds und die Behindertenmilliarde (bei beiden gibt es keine Zukunftsgarantie). Schlechtere Leistungen und damit einhergehend ein einschneidender Abbau sozialer Rechte wäre die Folge.

BIZEPS hat daher dem Sozialminister in einem ausführlichen Schreiben unsere Sichtweisen dargelegt und ihn eindringlich ersucht, den Vorschlägen der Unternehmensberatungsfirma nicht näherzutreten. Wir hoffen nicht zuletzt auch deswegen auf einen guten Ausgang, weil es ja nicht so sein kann, daß ein Bundesminister in einer Angelegenheit anders vorgeht, als er zuvor in einem offiziellen Dokument angekündigt hat.

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