Im 20. Wiener Landtag wurde der Bericht über Wien der Volksanwaltschaft diskutiert.
Labg Mag.a Bettina Emmerling, MES (NEOS) lobte den Bericht dafür, „Schattenseiten der Wiener Verwaltung“ offenzulegen. Mit 1.217 Beschwerdeverfahren im vergangen Jahr sei ein historischer Höchststand erreicht worden, seit dem Antritt von Rot-Grün sei die Zahl der eingelangten Beschwerden überhaupt um 50 Prozent gestiegen.
Emmerling nannte zwei Beispiele prominenter Fälle, welche die Volksanwaltschaft aufgegriffen habe: Erstens den bis dato fehlenden zweiten Lift in der U-Bahn-Station Stephansplatz; zweitens einen Fall des Jugendamtes, wo zwei betroffene Kinder in einer Jugendeinrichtung im steirischen Admont untergebracht wurden anstatt – wie vom Familiengericht empfohlen – in elterlicher Nähe in Wien zu bleiben. Zuletzt kritisierte Emmerling die beschränkte Kontrolle der Anwaltschaft über ausgelagerte Unternehmen und Unternehmungen der Stadt, etwa die Stadtwerke und künftig der KAV. In einem Antrag forderte sie, das Mandat der Anwaltschaft auf diese ausgelagerten Bereiche zu erweitern.
Auch LAbg Sabine Schwarz (ÖVP) thematisierte das Beschwerdeaufkommen, welches noch nie so hoch gewesen sei. Konkret ging sie auf die Gangbetten-Situation in den städtischen Spitälern ein und erinnerte daran, dass der KAV bereits im Jahr 2006 eine Lösung des Problems versprochen habe. Es handle sich nämlich tatsächlich um ein strukturelles Problem und nicht, wie vom KAV behauptet, um saisonbedingte Überbelastungen.
Strukturelle Defizite gebe es auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie: Noch im vergangenen Jahr seien 78 Unter-18-jährige bewusst in der Erwachsenenpsychiatrie behandelt worden. Dass die Stadt die Entschädigungszahlungen an die Missbrauchsopfer städtischer Heime eingestellt habe, sei nicht zu verstehen. Mittels Antrag forderte sie eine Fortführung der Entschädigungszahlungen. Bezogen auf den „Admont-Fall“ brachte sie einen zweiten Antrag ein: Für Kinder in „Fremdunterbringungen“ müsse eine Rückkehr zu den Eltern räumlich sofort möglich sein.
LAbg Birgit Hebein (Grüne) lobte den Bericht für seine Schwerpunktsetzung auf Menschenrechtsagenden und die strukturelle Benachteiligung einzelner Bevölkerungsgruppen. Auch sei wichtig, dass die Volksanwaltschaft das bisherige „Tabuthema“ Gewalt an Frauen nun in den Vordergrund rücke. Zu den von den VorrednerInnen erwähnten Fallbeispielen ergänzte Hebein, dass die Stadt jedes einzelne Schicksal zum Anlass nehme, die eigenen Strukturen zu hinterfragen.
Im „Fall Admont“ mahnte sie jedoch zur Vorsicht und warnte vor voreiligen Schlüssen: „Die Expertinnen und Experten im Jugendamt sind in solchen Entscheidungen nicht zu beneiden. Ausschlaggebend für ihre Handlung ist aber stets und ausnahmslos das Wohl der Kinder.“
Der Landtag möge sich hüten, solch hochkomplexe Sachverhalte dafür zu nutzen, die Arbeitsweise des Jugendamts grundsätzlich zu hinterfragen. Der zweite Lift am Stephansplatz bleibe auf Hebeins Agenda; die Entschädigung von Heimopfern müsse über eine bundesweite Einrichtung erfolgen; Erfahrungen und Expertise – auch jene der Volksanwaltschaft – im Umgang mit der BMS würden ins neue Wiener Mindestsicherungsgesetz einfließen.
LAbg. Wolfgang Seidl (FPÖ) kritisierte in seinem Redebeitrag die Wiener Handhabe der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS). Die Stadt wisse nicht mehr, an wen sie diese ausbezahle, so Seidl. Das manifestiere sich darin, dass in Anfragebeantwortungen die von der Stadtregierung bekanntgegebene Zahl der BMS-BezieherInnen stets variiere. Außerdem seien 1.002 BezieherInnen keinem Herkunftsland zugeordnet. Seidl thematisierte außerdem die Kinder- und Jugendpsychiatrie und die Gangbetten-Problematik in Wiens Spitälern. Die Stadt sei in der Pflicht, Betten-Engpässe und Behandlungsplätze zu verhindern.
LAbg. Mag. Marcus Gremel (SPÖ) pflichtete der Volksanwaltschaft dahingehend bei, als sie eine bundeseinheitliche Regelung für die BMS vermisse. Allerdings sei es die ÖVP, die eine entsprechende Normierung auf Bundesebene stets verhindert habe. Aus dem Bericht der Volksanwaltschaft gehe ferner hervor, dass die für Einwanderung und Einbürgerung zuständige MA 35 einen „massiven Rückgang an Beschwerden“ verzeichnet habe.
Zurückzuführen sei dies auf Umstrukturierungen der Stadt Wien, die nun Erfolg zeigten. Zum „Fall Admont“ sagte Gremel, das Wiener Jugendamt (MA 11) hätte „alles unternommen, um die Kinder bei der Familie zu behalten“. Nachdem dies trotz aller Bemühungen nicht erreicht werden konnte, mussten die Kinder in Admont unterkommen. Dies sei die einzige Option gewesen, die Kinder nicht voneinander zu trennen.
LAbg. Markus Ornig, MBA (NEOS) sprach Folgen des auf Bundesebene beschlossenen Tabakgesetzes an: Bereits jetzt hätten Gastgewerbebetriebe mit zunehmenden Beschwerden seitens der AnrainerInnen zu kämpfen. Die meisten davon würden Lärm- und Geruchsbelästigung betreffen. Mit dem neuen Tabakgesetz würde sich die Situation für LokalbetreiberInnen und AnrainerInnen verschärfen, denn: LokalbesucherInnen würden nun noch häufiger vor die Türe gehen, um Tabakprodukte zu konsumieren. Hier sei die Stadt Wien als Vermittlerin gefragt. Ornig brachte einen Antrag ein, mittels dessen er die Stadtregierung aufforderte, sich bei der Bundesregierung für eine Novellierung des Gesetzes einzusetzen.
LAbg. Mag. Martin Hobek (FPÖ) forderte die Stadtregierung auf, in der U-Bahn-Station am Stephansplatz einen zweiten Aufzug errichten zu lassen. Dies sei nicht nur für betagte und gehbehinderte Personen unerlässlich, sondern auch für den Wiener Tourismus. SPÖ, Grüne und Wiener Linien würden sich aber gegen einen Bau verwehren und dies mit mangelnden Geldmitteln erklären. Dieses Argument wollte Hobek nicht gelten lassen: Für den Bau des Lifts müssten lediglich 0,02 Prozent des Wiener-Linien-Budgets aufgewendet werden.
Volksanwalt Dr. Günther Kräuter bedankte sich für das Lob an die Volksanwaltschaft. Kritik übte er an – nach wie vor bestehenden – Wartezeiten auf Operationen sowie der Existenz von Gangbetten. Nach seinen Worten müsse die Politik die Handhabung zur Vermeidung derartiger Zustände eindeutiger formulieren. Auch lehnte er die Unterbringung von Jugendlichen und Kindern in der Erwachsenen-Psychiatrie ab. Das Mindestsicherungsthema sei „sehr sensibel“ und kontrovers; die Mindestsicherung gehöre bundesweit geregelt.
Volksanwalt Dr. Peter Fichtenbauer lobte am Wiener Landtag dessen „Solidarität mit der Volksanwaltschaft“. Andere Landtage sollten ebenfalls nicht auf die Möglichkeit von Prüfungen verzichten. Es solle keine, wie er wörtlich meinte, „Prüflücke“ entstehen. Die Verfahren rund um Einbürgerungen dauerten ihm nach wie vor zu lange. In manchen Fällen betrage die Erledigungszeit fast drei Jahre. Auch die Lärmsituation vor Lokalen in Wien gehöre seiner Meinung nach deutlich verbessert.
Der Bericht der Volksanwaltschaft für das Jahr 2016 wurde einstimmig angenommen. Die sieben eingebrachten Anträge von NEOS, ÖVP und FPÖ bekamen allesamt keine Mehrheit.