Berliner Protest gegen Niedriglöhne für Assistenz

Menschen, die auf Pflege und Assistenz angewiesen sind, haben heute vor der Berliner Senatssozialverwaltung dagegen protestiert, dass ihr selbstbestimmtes Leben durch zu geringe Entlohnung der Assistenten zunehmend gefährdet ist.

Berliner Bündnisses für selbstbestimmtes Leben protestiert
kobinet-nachrichten

Mit ihren Betten und Rollstühlen blockierten die behinderten Menschen zeitweilig die Oranienstraße in Kreuzberg, wo die Sozialverwaltung ihren Sitz hat.

„Wir stehen hier, weil wir höhere Entgelte für persönliche Assistenz brauchen“, war auf einem Flugblatt des Berliner Bündnisses für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen zu lesen. „Dass die Vergütung für persönliche Assistenz im Niedriglohnsektor angelangt ist, beraubt uns mehr und mehr nicht nur der Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, sondern bedroht uns letztendlich in unserer Existenz.“

Die Unabhängigen Arbeitnehmervertretungen in der persönlichen Assistenz (UAPA) hatten zuvor bereits mit einer ebenso drastischen wie umstrittenen Aktion auf Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen im Pflege- und Assistenzbereich (kobinet 27.4.09) aufmerksam gemacht.

Nun meldeten sich die unmittelbar Betroffenen zu Wort: „Assistenz ist eine Form der Hilfeerbringung, bei der wir bestimmen, wer bei uns arbeitet, wann und wo gearbeitet wird und welche Arbeiten wie getan werden. So verfügen wir über unseren Alltag und unser Leben. In einem Heim oder mit einem üblichen Pflegedienst wäre das nicht möglich. Die Assistenten arbeiten in unserem Privatbereich. Ihre Tätigkeit berührt unsere Intimsphäre. Sie führen das aus, wozu wir nicht in der Lage sind: Ankleiden, Körperhygiene, Haushalt, Unterwegsbegleitung, Kommunikation. Ihre Arbeit erfordert Diskretion, soziale Kompetenz und körperliche Fitness. Sie ist eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit. Deshalb muss sie angemessen entlohnt werden.“

In einer Presserklärung betont das Bündnis: „Das Land Berlin hatte vor fast 30 Jahren eine Vorreiterrolle bei der Ermöglichung von Assistenz und deren Finanzierung, nicht zuletzt deshalb, weil damals und auch in späteren Jahren die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales hier in der Oranienstraße 106 sich dem Gespräch mit uns stellte und unsere Forderungen nachvollziehen konnte.“ Die Senatsverwaltung ist neben den Pflegekassen und der Liga der Wohlfahrtsverbände als Vertragspartner dafür verantwortlich, dass der Vergütungssatz, der in Berlin für persönliche Assistenz gezahlt wird, seit 12 Jahren im Wesentlichen unverändert blieb. Die Lebenshaltungskosten sind im gleichen Zeitraum um 17 % gestiegen.

„Wir finden kaum noch Leute, die für den Lohn, den wir zahlen können, diese Arbeit machen wollen – und wenn, dann nur solange, bis sich ihnen ein besser bezahlter Job bietet“, beschreibt das Bündnis die heutige unerträgliche Situation.

Die Straßenblockade machte deutlich, dass mit den Entgelten, die derzeit für persönliche Assistenz behinderter Menschen gezahlt werden, diese Arbeit kaum noch durchzuführen ist. Als die von einem Autofahrer gerufene Polizei eintraf, um die Straße frei zu machen, war bereits die Sozialstaatssekretärin zu den fast 50 Demonstranten auf die Straße gekommen. Im Foyer der Sozialverwaltung äußerte Petra Leuschner (Die Linke) Verständnis für das Anliegen der Protestler, mit deren Problemen sie sich schon beschäftigt habe. Eine Zusage für eine rasche Klärung konnte und wollte die Staatssekretärin aber nicht machen.

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