Bioethik: Enormes Informationsdefizit in der Bevölkerung

Dank der Unterstützung von Prof. Dr. Rudolf Bretschneider (Fessel-GfK) kann die Ethikkommission FÜR die Bundesregierung nun erstmals die Meinung der österreichischen Bevölkerung zu wesentlichen bioethischen Fragen präsentieren.

Pressekonferenz der Ethikkommission
ÖAR / Bauer

Das Gesamtergebnis der Umfrage, so Kommissions-Vorsitzende Birgit Primig, sei erschütternd: „Die Mehrheit hat kaum eine Ahnung, worüber überhaupt diskutiert wird.“

Zum Begriff „Bioethik“
Schon bei der Definition des Begriffes „Bioethik“ gaben mehr als zwei Drittel der Befragten an, den Begriff noch nie gehört zu haben. Nur sieben von 100 Personen sehen den Begriff im Zusammenhang mit „Verantwortung im Umgang mit menschlichem Leben“, immerhin zwölf definieren ihn als „moralische Richtlinien und Grundsätze in Gentechnik und Klonen“.

Das Informationsniveau ist stärker bildungsabhängig als erwartet. „Im Pflichtschulbereich ist Bioethik offenbar kein Thema“, so Primig. „Anders ist es nicht zu erklären, dass nur sechs Prozent eine Vorstellung von der Bedeutung dieses Wortes haben und mehr als zwei Drittel damit gar nichts anfangen können.“ 37 Prozent jener Befragten, die sich derzeit noch in Schulbildung befinden, können keine Angaben machen. Primig: „Hier liegt ein klares Versäumnis der Bildungspolitik vor!“

Auch ein Blick auf die Alterszuordnung der Befragten relativiert diesen Eindruck nicht wirklich. Knapp die Hälfte der Generation über 60 Jahre und ein Drittel der unter 29jährigen kann das konkrete Wort nicht definieren. Die Älteren sind aber viel eher in der Lage, einen Zusammenhang zu Sittenlehre und Moral herzustellen.

Künstliche Befruchtung: Wichtig, aber ambivalent
Nur 5 von 100 Frauen, aber 11 von 100 Männern ist die Möglichkeit der künstlichen Befruchtung gleichgültig. Mit 53 Prozent haben Hausfrauen offenbar den differenziertesten Zugang zu dieser Thematik: sie sind weder grundsätzlich dafür, noch grundsätzlich dagegen. Berufstätige Frauen stehen ihnen dabei kaum nach: auch hier haben sich 45 Prozent für die teils/teils-Antwort entschieden.

Die stärkste generelle Ablehnung kommt mit 24 Prozent von den Pensionisten und Rentnern, die größte grundsätzliche Befürwortung von den noch in Schulbildung stehenden Befragten (44 %).

Hausfrauen sind auch die stärksten Gegnerinnen der Prä-Implantationsdiagnostik. 85 von 100 antworten auf die Frage „Sollte man sich als Elternteil einen Embryo mit bestimmten Merkmalen aussuchen dürfen?“ mit einem klaren Nein. Zustimmung zu dieser Möglichkeit kommt eher von Männern als von Frauen, aber auch da nur von jedem fünften. „Für die Ethikkommission sind diese Daten ein klarer Auftrag an die Politik, bei ihrem Nein zur PID zu bleiben“, so Primig.

Überzählige Embryonen: unentschlossen
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung plädiert dafür, jene Embryonen zu vernichten, die bei künstlicher Befruchtung entstehen, aber nicht benötigt werden. In einem Detail sind sie jedoch gespalten: beinahe gleich viele von ihnen würden die Embryonen sofort vernichten oder zunächst der Forschung zur Verfügung stellen.

Doppelt so vielen Frauen wie Männern sagt die Möglichkeit zu, Embryonen einzufrieren und aufzuheben. Für die sofortige Vernichtung sind 31 von 100 Männern, 22 von 100 Frauen. Auch für die Freigabe für Forschungszwecke sind eher Männer als Frauen, der Unterschied ist aber bereits geringer (28:25).

„Entscheidend ist hier aber die hohe Zahl der Unentschlossenen“, meint Primig. Knapp ein Drittel aller Befragten äußert keine eigene Meinung. „Hier ist viel Informationsarbeit notwendig. Andernfalls wird sich keine künftige politische Entscheidung auf die Meinung der Bevölkerung stützen können.“

Fazit: mehr verständliche Information!
Für die Ethikkommission FÜR die Bundesregierung sind diese Daten ein Armutszeugnis für die bisherige Informationspolitik in Sachen Bioethik.

Primig: „Es ist höchste Zeit, dass dieser Themenkomplex allen LehrerInnen für ihren Unterricht nahe gebracht wird. Es ist höchste Zeit, dass Informationen in verständlicher Form in die breite Öffentlichkeit getragen werden. Hier – und nicht in der Gesetzgebung – sollte die Politik aktiv werden!“

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