Blinde Richter: Mehr Mut!

"Versuchsarbeitsplatz" im Bundesverwaltungsgericht ist BSVÖ zu wenig

Markus Wolf
BSVÖ

So sehr man sich beim Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich (BSVÖ) auch über das Pilotprojekt für blinde Richterinnen und Richter am neuen Bundesverwaltungsgericht (BVWG) freut, so sehr ist man über das mangelnde Inklusionsverständnis in der Aussendung des BVWG und die überaus zögerliche Umsetzung enttäuscht.

„Die Einrichtung eines Versuchsarbeitsplatzes greift uns nicht weit genug“, stellt BSVÖ-Präsident Dr. Markus Wolf fest und ergänzt: „Versuchen brauchen wir in Österreich nichts mehr. In Deutschland gibt es bereits 60 blinde und hochgradig sehbehinderte Richter, die überaus erfolgreich sogar im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit tätig sind. Unsere Gerichte brauchen nur auf die Erfahrungswerte in unserem Nachbarland zurückgreifen.“

Wolf kann auch die Diskussion um Arbeitsplatzausstattung und Arbeitsablauf nicht nachvollziehen: „Blinden Richterinnen und Richtern steht, wie auch allen anderen Arbeitnehmern, eine barrierefreie Ausstattung ihres Arbeitsplatzes zu. Dazu zählen je nach Art der Sehbehinderung Sprachausgabe und Braillezeile für den Computer, Scanner, Zoomprogramme etc. Die Finanzierung dieser Hilfsmittel ist gesetzlich geregelt und braucht nicht neu erfunden zu werden.“

Besonders stoßen dem Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich Formulierungen wie „blinde Menschen müssen in den Richterberuf hineinwachsen“ und angeblich notwendige Versuche „um herauszufinden, auf welche Herausforderungen wir stoßen“, auf. „Jeder Jurist, auch ein sehender, muss zu Beginn seiner Tätigkeit in den Richterberuf hineinwachsen“, meint der Präsident, „und Herausforderungen gibt es in jedem Beruf.“

Den Gipfel der Diskriminierung sieht der BSVÖ aber in der Behauptung: „Es müssten für blinde und stark sehbehinderte Menschen auch speziell entwickelte Aufnahmeverfahren erstellt werden.“ „Im Sinne der Behindertengleichstellung, die für Juristen längst zu täglich Brot gehören muss, ist diese diskriminierende Forderung mit allem Nachdruck zurückzuweisen“, ärgert sich Wolf und stellt klar: „Blinde und sehbehinderte Juristen wollen keine „Extrawürstchen“, sondern eine faire Chance, im Sinne der Gleichberechtigung das Richteramt ausüben zu können.“

Insgesamt befürchtet der Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich, dass nach der jahrelangen Ablehnung durch das Justizministerium und Teilen der Richterschaft nun mit einem „Versuchsarbeitsplatz“ und einer Vielzahl von Auflagen und Bedenken blinden Menschen auch in den nächsten Jahren die selbständige Ausübung des Richteramtes verwehrt bleiben soll.

BSVÖ-Präsident Wolf abschließend: „Wir werden uns mit einer neuerlichen Vertröstung auf den „St. Nimmerleinstag“ nicht mehr abspeisen lassen. Ich möchte die Verantwortlichen des neuen Bundesverwaltungsgerichtes zu Gesprächen mit unseren Experten einladen, um letzte Zweifel und Ängste auszuräumen. Dann aber ist es endlich an der Zeit, blinde Juristinnen und Juristen nicht länger zu diskriminieren, ihnen zunächst die Arbeit als vollwertige Verwaltungsrichter und möglichst bald auch in anderen Bereichen der Gerichtsbarkeit zu ermöglichen. Alles andere wäre ein glatter Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention!“

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