Bringt Amnestie für illegale Pflege mehr Rechtssicherheit?

Expertenhearing im Sozialausschuss

Parlament
BIZEPS

Auf Grund des von SPÖ und ÖVP gemeinsam vorgeschlagenen Pflege-Verfassungsgesetzes, das eine umfassende Amnestie für die illegale Pflege und Betreuung von Personen in Privathaushalten vorsieht, fand im Sozialausschuss ein öffentliches Hearing statt.

Edeltraud Fichtenbauer (Rechtsanwältin) meinte, es werde das Ziel der Entkriminalisierung und des Schutzes der Rechtsunterworfenen vor geldmäßigen Ansprüchen nicht erreicht. So gäbe es keinen Schutz vor arbeitsrechtlichen Ansprüchen wie Urlaubsentschädigung sowie Ansprüchen gemäß dem Arbeitszeitgesetz und dem Angestelltengesetz. Auch verwies sie darauf, dass § 153c StGB (Sozialbetrug) Gültigkeit habe, wonach jeder, der Sozialversicherungsbeiträge vorenthält, mit einer Freiheitsstrafe mit bis zu zwei Jahren bedroht ist.

Günter Hagmann von der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse teilte mit, die Sozialversicherung informiere, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Sozialversicherungspflicht eintritt, und habe einen Leitfaden aufgelegt, der insbesondere auf die Differenzierung zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit abzielt. Wichtig ist aus seiner Sicht, dass die bisherige Situation bereinigt wird, damit es zu keinen erheblichen Nachzahlungen kommt.

Walter Marschitz vom Österreichischen Hilfswerk verwies auf das Problem der Vermögensgrenze, sprach die Erweiterung der Kompetenzen bei der Personenbetreuung an, verlangte eine Klärung der Qualifikationserfordernisse und eine Fristverlegung vom 1. Juli 2008 auf 1. Juli 2009, trat für organisatorische Vereinfachungen ein und sah eine interdisziplinäre Informationstätigkeit als einen notwendigen Schritt an.

Martin Mayr vom Seniorenbund zeigte sich mit der vorliegenden Regelung zufrieden, da für die ältere Generation Rechtssicherheit geschaffen werde. Seiner Meinung nach ist die Vermögensfrage klärungsbedürftig und die Vermögensgrenze wäre bundesweit abzuschaffen, die Förderung für unselbständige und selbständige Betreuer wäre zu vereinheitlichen und die Beschäftigungsbewilligung für Betreuer aus den neuen EU-Ländern zwecks Betreuung von Personen mit Pflegestufe 1 und 2 abzuschaffen.

Thomas Neumann von der Wirtschaftskammer Österreich erklärte, die Zielrichtung, Rechtssicherheit zu schaffen, sei gegeben. Hatte man am 18. Dezember noch 244 selbständige Betreuer in Österreich, wurde einen Monat später bereits die Tausendergrenze überschritten. Mit heutigem Tag gebe es 1.123 selbständige Betreuer. Die Gesamtzahl an unselbständigen Betreuern war ihm unbekannt.

Univ.-Prof. Theodor Öhlinger beleuchtete den verfassungsrechtlichen Aspekt. Ihn störte, dass ein Bundesverfassungsgesetz beschlossen werden soll, dessen Zweck es ist, die Verfassung für diesen Bereich außer Kraft zu setzen. Auch gehe es um den Gleichheitsgrundsatz, der lediglich eine sachliche Differenzierung erlaube. Seiner Meinung nach sollte man sich mit der Judikatur auseinandersetzen und klar herausstreichen, warum man eine Regelung für sachlich gerechtfertigt und notwendig hält. Eine verfassungskonforme Lösung müsse gefunden werden.

Im Rahmen der Fragerunde der MandatarInnen wollte G-Abgeordneter Karl Öllinger wissen, welche Voraussetzungen vorliegen müssten, damit der Verfassungsgerichtshof eine Verfassungsbestimmung aufhebt. Auch wünschte er nochmals Auskunft darüber, ob es richtig sei, dass das Gesetz zwar verwaltungsstrafrechtliche Bestimmungen außer Kraft setzt, aber nicht den § 153c StGB. Welche rechtlichen Bestimmungen dürfte das Gesetz nicht enthalten, damit es verfassungskonform ist?, lautete Öllingers Frage.

Kann garantiert werden, dass es keine Verurteilung nach § 153c StGB geben wird?, fragte F-Abgeordneter Norbert Hofer. Eine weitere Frage betraf die zivilrechtlichen Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber wegen des Entgangs von Versicherungszeiten. Seiner Meinung nach werde eine falsche Sicherheit vorgegaukelt.

Abgeordnete Gertrude Aubauer (ÖVP) hielt es für positiv, dass nun eine legale Betreuung ohne Angst vor Strafe möglich wird. Außerdem kam sie auf die unterschiedliche Förderung der 24-Stunden-Betreuung und die Vermögensgrenze zu sprechen.

Für die Abwicklung der Anmeldung interessierte sich Abgeordnete Christine Lapp (SPÖ), auch wollte sie wissen, welche Nachforderungen es geben würde, gäbe es dieses Verfassungspaket nicht.

Es muss Rechtssicherheit geschaffen werden, konstatierte Abgeordnete Ursula Haubner (B) und präferierte ein Lösung, die den Menschen die Angst nimmt.

Abgeordnete Sabine Mandak (G) wollte erfahren, ob, wenn von den Betreuern pensionsversicherungsrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden, der EuGH zuständig sei und wer im Falle einer Verurteilung nach § 153c StGB die Geldstrafe zahlt.

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ) erkundigte sich, wie groß der Kreis der Betroffenen ist, Abgeordnete Theresia Haidlmayr (G) fragte Marschitz, ob ausländische Arbeitskräfte den Vertrag mit dem Hilfswerk abschließen, und Abgeordneter Franz-Joseph Huainigg (ÖVP) wollte wissen, inwieweit das Paket dazu beitrage, Unsicherheit aufzuheben, wie die Anmeldung von ausländischen Betreuungskräften vor sich gehe und welche Tätigkeiten diese Kräfte durchführen dürfen. Abgeordnete Sabine Oberhauser (SPÖ) hinterfragte die Tätigkeiten der Betreuer vor Ort und die Ausbildungsqualitäten der ausländischen Betreuer. Abgeordneter Werner Amon (ÖVP) unterstrich, dass man mit dem neuen Gesetz eine größtmögliche Rechtssicherheit schaffen und keinen „rechtlichen Schönheitswettbewerb“ gewinnen wolle.

Edeltraud Fichtenbauer hob hervor, ob jemand selbständig oder unselbständig beschäftigt sei, hänge weder von der Anmeldung noch vom Gewerbeschein noch von seinem Vertrag ab. Es gelten ausschließlich die tatsächlichen Verhältnisse. Für die Rechtsanwälte gebe es Check- Listen, was eine selbständige Tätigkeit sei. Sie bekräftigte aber, dass zwar keine Rechtssicherheit bestehe, aber mit dem neuen Gesetz die Situation doch „deutlich verbessert“ werde.

Günter Hagmann wies darauf hin, dass es laut Erfahrung der Sozialversicherung keine langfristigen Beschäftigungsverhältnisse in diesem Bereich gibt. Für den unselbständigen Bereich habe es in Niederösterreich im Vorjahr 12 Anmeldungen und bis gestern 27 Anmeldungen gegeben. Immer stärker werde auf die Selbständigkeit abgestellt.

Auch Walter Marschitz bekräftigte, dass die Personenbetreuer überwiegend selbständig tätig sind, und die unselbständige Lösung somit kaum in Betracht gezogen wird. Die Angst der Menschen, dass nach der Anmeldung die Sozialversicherung kommt und Beiträge verlangt, sei groß, aber mit der neuen Regelung werde es Rechtssicherheit geben. Die kolportierte Zahl von 20.000 Betreuungsfällen ist seiner Meinung nach „nicht völlig falsch“. Die Verträge werden zwischen den Haushalten und den Personenbetreuern geschlossen.

Martin Mayr machte darauf aufmerksam, dass § 153c StGB nicht zur Anwendung kommt, wenn der Dienstgeber keine Beiträge einbehalten hat.

Thomas Neumann gab bekannt, dass das Gründungsservice der Landes- Wirtschaftskammern Beratungstätigkeit ausübe. Ende Jänner/Anfang Februar werde es eine Info-Kampagne geben. Die Abgrenzung selbständige/unselbständige Erwerbstätigkeit könne nicht anhand von Check-Listen erfolgen, die Wirtschaftskammer befasse sich eingehend mit dieser Frage und habe einen Leitfaden herausgegeben.

Theodor Öhlinger meinte, es gehe nicht um „Verfassungsästhetik“, sondern man dürfe Staatsbürger nicht unsachlich diskriminieren. Verfassungskonform wäre die Regelung, würde man die Erläuterungen ändern und darlegen, warum man das nicht für eine unsachliche Diskriminierung ansieht. Die Verlängerung der Amnestieregelung stellt laut Öhlinger keine Alternative dar.

Sozialminister Erwin Buchinger sprach vom Bemühen um die Rechtssicherheit und davon, dass man den Menschen ihre Sorgen und Ängste nehmen will. Er hob auch die Ausführungen von Fichtenbauer hervor, wonach die neue Regelung „deutlich besser“ als die jetzige sei, und betonte, dass es keine absolute Rechtssicherheit geben kann. Das „Möglichste“ wurde geleistet. Zur Kritik, dass das Arbeitsrecht nicht abgedeckt sei, erklärte der Minister, man habe darauf verzichtet, weil seit August 2006 diesbezüglich „nichts geschehen“ sei. Bezüglich § 153c StGB schloss sich Buchinger der Ansicht des Vertreters des Seniorenbundes an. Hinsichtlich der Vermögensgrenze gebe es eine Vereinbarung mit den Ländern, der Entfall der Vermögensgrenze im Fall der 24-Stunden-Betreuung wurde von den Landeshauptleuten abgelehnt. Eine Fristverlängerung für die Ausbildung, wie von Marschitz angeregt, erachtete der Minister für sinnvoll. Die unterschiedliche Förderhöhe sei auf eine Vereinbarung zwischen dem Kanzler, Vizekanzler, Wirtschafts- und Sozialminister zurückzuführen. Das Selbständigen-Modell dürfte attraktiver sein, weil es besser angenommen wird. Im Sommer werde man eine Evaluierung durchführen und unter Umständen Adaptierungen vornehmen.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein schloss sich in weiten Teilen den Ausführungen seines Regierungskollegen an und sprach auch von mehr Rechtssicherheit gegenüber einer Verlängerung der alten Amnestieregelung.

Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky meinte gleichfalls, es gebe Rechtssicherheit für die Betroffenen, aber auch für jene, die in der Betreuung tätig sind. Das Paket beinhalte, meinte sie zur Abgrenzung zwischen Pflege und Betreuung, eine Auflistung der Tätigkeiten. Dem Auftrag des Entschließungsantrags des Nationalrats werde man nachkommen und die entsprechenden Bestimmungen mit 1.4.2008 in Kraft setzen.

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