Personen, denen kein Anspruch auf Leistungen nach dem deutschen Conterganstiftungsgesetz zusteht, werden ab Juli 2015 eine staatliche Rente erhalten.
Das sieht ein neues Bundesgesetz vor, das heute vom Sozialausschuss des Nationalrats einhellig gebilligt wurde.
Demnach ist eine Zahlung von monatlich 425,8 vorgesehen. Damit sollen Contergan-Opfer – zusätzlich zur bereits erfolgten Einmalzahlung in der Höhe von 62.222 – eine dauerhafte Unterstützung bekommen. Betroffen sind voraussichtlich nur wenige Personen, das Sozialministerium geht lediglich von rund 25 Anspruchsberechtigten aus. Die Rente soll jährlich valorisiert werden.
Der auf eine Initiative von Sozialminister Rudolf Hundstorfer zurückgehende Gesetzentwurf wurde von allen Fraktionen begrüßt. FPÖ und Grüne bedauern allerdings, dass ältere Geburtenjahrgänge keine Chance auf eine Entschädigung bzw. Rente haben.
Anträge der beiden Fraktionen (375/A(E), 995/A(E)), den Kreis der anerkannten Contergan-Geschädigten auf die Jahrgänge 1954 und 1955 auszudehnen, lehnte Ulrike Königsberger-Ludwig (S) mit der Begründung ab, dass das für schwere Fehlbildungen bei Neugeborenen verantwortlich gemachte Beruhigungsmittel Contergan frühestens 1956 zum Einsatz gekommen war.
Den Abgeordneten Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) und Helene Jarmer (G) zufolge gibt es allerdings Hinweise, dass man den ursächlichen Wirkstoff Thalidomid bereits 1953 synthetisiert und danach als Ärztemuster in den Verkehr gebracht hat. Es handle sich um einen sehr kleinen Kreis von Betroffenen, umso unverständlicher sei es, dass man diesen weiterhin ausklammere, meinten sie.
Finanziert werden soll die Rentenleistung für Contergan-Opfer durch Einsparungen in der Verwaltung. So sieht das vom Sozialausschuss gebilligte Gesetzespaket, das auch das „Conterganhilfeleistungsgesetz“ (CHlG) umfasst, weiters vor, die Administration von Kriegsopferrenten grundlegend zu reformieren und erheblich zu vereinfachen.
Demnach will man künftig von regelmäßigen Neubemessungen einkommensabhängiger Leistungen Abstand nehmen. Einkommensabhängige und einkommensunabhängige Rentenleistungen werden zu einem Betrag zusammengefasst und jedes Jahr im Ausmaß der Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes valorisiert. Daraus ergibt sich nach Einschätzung des Sozialministeriums in manchen Fällen ein etwas höheres Leistungsniveau bei gleichzeitig deutlich geringeren administrativen Kosten.
Ebenfalls Teil des Gesetzespakets sind adaptierte Verfahrensregeln für Beschwerden beim Bundesverwaltungsgericht, die die Frage der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten nach dem Behinderteneinstellungsgesetz sowie die Ausstellung eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz betreffen.
Die Frist für Beschwerdevorentscheidungen durch das Sozialministeriumservice wird von zwei Monaten auf 12 Wochen verlängert und eine begrenzte Neuerungsbeschränkung verankert. Zu diesem Punkt fassten die Abgeordneten auch eine klärende Ausschussfeststellung, um eine Missinterpretation der neuen Bestimmungen zu vermeiden. Der Kriegsopfer- und Behindertenfonds wird aufgelöst und die Fondsmittel an den Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung übertragen.
Bundesminister Hundstorfer hielt fest, dass sich die Festlegung der betroffenen Jahrgänge auf eine Anfragebeantwortung des Gesundheitsministeriums stütze, wonach der Wirkstoff Thalidomid erst 1954 zum Patent angemeldet und ab 1957 regulär als Medikament eingesetzt wurde. Zur Sicherheit habe man die Regelung auf den Jahrgang 1956 ausgedehnt. Sollten sich Hinweise darauf ergeben, dass das Mittel noch früher eingesetzt wurde, werde selbstverständlich eine entsprechende Adaptierung möglich sein, versicherte der Sozialminister.
Grüne: Großeinrichtungen zur Betreuung von Menschen mit Behinderung nicht mehr zeitgemäß
Thema im Ausschuss war auch die hohe Arbeitslosigkeit unter behinderten Menschen. Um Unternehmen zu motivieren, mehr Personen mit Behinderung zu beschäftigen, plädieren die Grünen dafür, die Ausgleichstaxe zu erhöhen und sie auf Basis der jeweiligen Lohnsumme anstatt mittels Kopfsteuer zu berechnen (988/A(E)). Außerdem sprechen sie sich dafür aus, die Förderungen für Unternehmen auszubauen und konkret etwa die Einstellungsbeihilfe für behinderte Menschen auf bis zu ein Jahr zu verlängern (830/A(E)).
Um Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, drängt Grünen-Behindertensprecherin Helene Jarmer darüber hinaus auf bundeseinheitliche Regelungen für die persönliche Assistenz (994/A(E)) und beklagte Verzögerungen bei der Umsetzung.
Sie sprach sich auf für den Abschluss einer Bund-Länder-Vereinbarung aus mit dem Ziel, die Unterbringung von Menschen mit Behinderung in Großeinrichtungen zu beenden (997/A(E)). Auch der Nationale Aktionsplan Behinderung sehe Maßnahmen der De-Institutionalisierung vor und spreche sich für ein selbstbestimmtes Leben in eigenen Wohnungen aus, argumentiert sie. Großheime, wie es sie in Österreich immer noch gebe, seien schlicht nicht mehr zeitgemäß.
Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) merkte dazu an, dass Änderungen in diesem Bereich bereits im Laufen seien.
Sozialminister Rudolf Hundstorfer stellte fest, dass der Betrieb von Heimen in die Zuständigkeit der Bundesländer falle und auf dieser Ebene thematisiert werden müsse.
Die Anträge betreffend Ausgleichstaxe als Anreiz zur Einstellung von Behinderten, bundesweite Regelung der Persönlichen Assistenz und einer De-Institutionalisierung im Behindertenbereich wurden schließlich vertagt. Der Antrag betreffend Verlängerung der Einstellungsbeihilfe wurde abgelehnt.
1.200 Mindestpension: FPÖ blitzt mit Antrag ab
Mit breiter Mehrheit abgelehnt wurde vom Sozialausschuss ein Entschließungsantrag der FPÖ (508/A(E)), der auf die Einführung einer Mindestpension von 1.200 , die automatische jährliche Wertanpassung des Pflegegelds an die Inflation, eine jährliche Pensionserhöhung nach dem so genannten Pensionistenpreisindex und einen rückwirkenden Inflationsausgleich für die Jahre 2013 und 2014 auf Basis des Pensionistenpreisindex abzielt.
Dem Antrag stimmten schließlich nur die Abgeordneten der FPÖ zu. Abgeordneter Werner Neubauer (F) meinte, es dürfe nicht ständig bei den Ärmsten der Armen gespart werden. Die Forderungen der FPÖ würden auch den Vorstellungen des österreichischen Seniorenrats entsprechen, sagte er.
Das Forderungspaket würde das Budget mit 12 Mrd. belasten, rechnete Bundesminister Hundstorfer vor. Der Wunsch nach mehr Geld sei verständlich, sei aber aus den Mitteln seines Ressorts sicherlich nicht erfüllbar.