Der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering warnt vor einer Gesetzgebung, die einen ärztlich assistierten Suizid zulässt.
„Auch eng definierte Grenzen für eine ärztliche Beihilfe zum Suizid helfen nicht. Wenn das beschlossen wird, sage ich: Das wird ein Lösungsangebot zum Sterben, das sich verbreitet“, erklärte Franz Müntefering auf einer Tagung der Malteser Hospizarbeit in Bensberg bei Köln.
Kriterien wie eine „begrenzte Lebenserwartung“ im Gesetzentwurf der Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach und Peter Hintze griffen nicht. „Ist die Diagnose Demenz eine begrenzte Lebenserwartung? – Wer entscheidet das?“, fragt Franz Müntefering und lobt das Engagement der Hospizbewegung.
„Die Hospizbewegung ist die wichtigste Bewegung der vergangenen Jahre in Deutschland.“ Vor 100 Verantwortlichen von Hospizdiensten und -einrichtungen forderte Franz Müntefering, dass die Gesellschaft sich früher auf das Alter und das Sterben vorbereiten müsse. „Nicht Wenige flüchten sich in Heime, weil sie fürchten alleine zu sein“, sagte er. Familien seien für Ältere und Kranke der große Anker für die Begleitung und Pflege. Sie bräuchten noch mehr Unterstützung. „Den Familien müssen wir mit ehren- und hauptamtlichen Kräften Hilfe geben.“
Kritik übte Franz Müntefering daran, dass der Begriff „Sterbehilfe“ von denjenigen besetzt sei, die eine Hilfe zum schnellen Tod propagierten. Sterbehilfe wie sie sein sollte, sei jedoch die, die durch menschliche Nähe beim Sterben helfe. „Sie ist unheimlich wichtig für die, die gehen und die, die bleiben.“
Zu der vor wenigen Tagen vorgestellten Dokumentation des Vereins „Sterbehilfe Deutschland“ über die von ihm 2014 organisierten Fälle von Suizidhilfe erklärt der Gesundheitspolitiker Hubert Hüppe von der CDU: „Die jetzt bekannt gewordenen dokumentierten Fälle von organisierter ärztlicher Sterbehilfe für körperlich gesunde Menschen sind ein Weckruf für die politische Debatte. Sie belegen, dass es keine dauerhaften Grenzen der Sterbehilfe gibt. Wenn man der Presseberichterstattung folgt, so hat ‚Sterbehilfe Deutschland‘ in mehreren Fällen Personen zum Suizid verholfen, die weder unerträglichen Schmerzen ausgesetzt noch lebensbegrenzend oder überhaupt erkrankt, sondern lediglich lebensmüde waren oder Angst vor Einsamkeit und Hilflosigkeit hatten. Anstelle von mitmenschlicher Hilfe zum Leben erhielten sie Hilfe zur Selbsttötung.“
Diese Fälle zeigten nach Ansicht von Hubert Hüppe, was die inhumane Konsequenz davon ist, Selbsttötung als reinen Akt der Selbstbestimmung zu idealisieren. Sie zeigten auch, dass das Geschäftsmodell derartiger Organisationen strafrechtlich verboten werden muss. „Wer sich Parolen wie ‚Mein Ende gehört mir‘ anschließt, muss sich dessen bewusst sein, dass er einer breiten gesellschaftlichen Etablierung einer Selbsttötungspraxis nach dem Vorbild von ‚Sterbehilfe Deutschland‘ das Wort redet. Es geht in unserer aktuellen Sterbehilfe-Debatte nicht darum, dass im Einzelfall der Suizid eines entschlossenen Lebensmüden letztlich nicht verhindert werden kann. Tatsächlich geht es vielmehr darum, ob die Gesellschaft zulassen will, dass sich ein Sterbehilfe-Markt etabliert, wo jedem selbstbestimmungsfähigen Menschen ärztliche Hilfe zur Selbsttötung und die Bereitstellung tödlicher Substanzen angeboten wird.“
Folge eines solchen Angebots ist nach Ansicht von Hubert Hüppe die Möglichkeit des Drucks auf Menschen, von der Option der assistierten Selbsttötung Gebrauch zu machen, anstatt Angehörige, Renten- und Krankenkassen sowie ggf. Sozialhilfe zu belasten. „Es muss alarmieren, dass im vermeintlichen Sterbehilfe-Vorbild-Staat Oregon die medizinische Versorgung für Sozialhilfe-Patienten streng rationiert ist, die Beihilfe zur Selbsttötung aber ausdrücklich von der Rationierung ausgenommen ist“, betont Hubert Hüppe.