Die Behindertenmilliarde – (k)ein Grund zum Jubeln?

Die beiden Regierungsparteien - die FPÖ noch mehr als die ÖVP - haben nicht nur beim Pflegegeld, sondern auch bei der sogenannten Behindertenmilliarde ein riesiges Glaubwürdigkeitsproblem:

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Sie stellen sich in der Öffentlichkeit selbst als die großen Förderer behinderter Menschen dar, weil sie jetzt eine Milliarde (einmalig oder Jahr für Jahr?) für uns lockermachen wollen.

Aber dieses gönnerhafte Verhalten ist ganz fehl am Platz, wie die Fakten bei näherer Betrachtung zeigen:

  • die Regierung wird den EmpfängerInnen von Unfallrenten 2 Milliarden Schilling wegnehmen und davon eine Milliarde für eine Joboffensive für behinderte Menschen ausgeben
  • die Regierung spielt damit zwei Gruppen von behinderten Menschen gegeneinander aus
  • seit Jahren wird – hauptsächlich von der FPÖ aber immer wieder auch von ÖVP-Klubobmann Khol – systematisch Stimmung gemacht gegen arbeitslose Menschen, sie wurden diffamiert und oftmals als SozialschmarotzerInnen hingestellt
  • das hat den Nährboden mit aufbereitet für jährliche Abzweigungen von Geldern der Arbeitslosenversicherung (vor allem auf Drängen und mit den Stimmen der ÖVP) in Milliardenhöhe zum Stopfen von Budgetlöchern mit dem Ergebnis, daß die Mittel – insbesondere für behinderte Arbeitslose – immer knapper wurden
  • und schließlich lenkt die Regierung damit auch noch gekonnt von der Tatsache ab, daß sie weder eine Valorisierung des Pflegegeldes für die nächsten beiden Jahre (das bedeutet: sieben lange Jahre ohne Abgeltung der Inflationsrate!) noch die Realisierung der angekündigten Einmalzahlung und auch nicht die Rücknahme der 50%igen Kürzung bei BezieherInnen eines Taschengeldes bei Menschen, die in Institutionen leben müssen, durchführen will.

Kein Zweifel, die Situation behinderter Menschen am Arbeitsmarkt ist äußerst angespannt, die Arbeitslosenrate mit über 37% ist dramatisch hoch, es besteht dringend Handlungsbedarf. Es herrscht aber nicht nur Mangel an Geld, sondern auch ein Mangel an Innovation. Der Markt stagniert schon seit vielen Jahren, die gelegentlich aufflammenden Diskussionen drehten sich immer wieder um zwei Themen: um eine (drastische) Erhöhung der Ausgleichstaxe und um die Abschaffung des Kündigungsschutzes. Bekanntlich wurde beides nie realisiert.

Allein diese Situation gibt den Regierungsparteien aber nicht das Recht, so vorzugehen, wie sie es jetzt tun. Sie können damit nicht ihre Fehler (oder Unterlassungen) der Vergangenheit ungeschehen machen. Der neue Sozialminister Mag. Herbert Haupt (FPÖ) hat am 23. Oktober 2000 gegenüber den Medien erklärt, seine erste Amtshandlung werde die schriftliche Einladung an alle Behindertenverbände sein, um in Verhandlungen um die Behindertenmilliarde einzutreten. Die Behindertenorganisationen warten aber noch heute auf seine Einladung.

Ganz im Gegenteil: das Ministerium hat nicht einmal auf diverse Schreiben reagiert: „Trotz mehrmaliger Aufforderung zeigte das Sozialministerium kein Interesse, die VertreterInnen der österreichischen Selbstbestimmt-Leben-Bewegung einzubinden. Mit der Behindertenmilliarde soll offensichtlich politisches Kleingeld gemacht werden. Sinnvolle, überlegte Projekte kann man aufgrund dieser Nacht- und Nebelaktion wohl nicht erwarten“ sagt Hubert Stockner von der Selbstbestimmt-Leben-Initiative Innsbruck.

Im Sozialausschuß vom 8. November 2000 mußte Minister Haupt dann zugeben, daß alles schon längst entschieden wurde und die Pläne bereits im Ministerium aufliegen. Schon Mitte Oktober wurde zwischen der ÖAR und dem Kriegsopferverband, sowie dem Ministerium im stillen Kämmerchen dieses Konzept ausgemauschelt. Neue Ideen und neue Leute waren dabei nicht erwünscht. Da könnt´ ja jeder kommen. Zwei der drei geplanten Schwerpunkte betreffen jene Bereiche, die in den vergangenen Jahren bereits Schwerpunkte für den Arbeitsmarkt gewesen sind: Jugendliche und ältere Arbeitslose. Aber nur für Nichtbehinderte.

Am 18. Dezember schließlich wird eine vom Ministerium organisierte Enquete – bei der das fixfertige Konzept vorgestellt wird und bei der einige Betroffene Impulsreferate halten und ansonsten behinderte Menschen die Staffage abgeben dürfen – die Betroffenen vor vollendete Tatsachen stellen. Ist das die neue Art des Regierens, die neue Art von Politik?

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