Ordner mit rechtlichen Unterlagen im Regal

Die Stadt gehört Dir

"Die Stadt gehört Dir" werben die Wiener Linien, die Verkehrsbetriebe der Stadt Wien, für ihre öffentlichen Verkehrsmittel. So ganz stimmt das aber nicht, schreibt Christiane Link in ihrem Weblog Behindertenparkplatz.

Rollstuhlfahrern soll dieses Gefühl auf der U-Bahnlinie 6 nur zuteil werden, wenn sie nicht alleine mit der U-Bahn fahren, sondern eine „Begleitperson“ mitnehmen.

Überall in den Stationen hängen Ausschnitte aus den Beförderungsbedingungen, in denen unter anderem steht, dass Rollstuhlfahrer die U-Bahnlinie 6 nicht ohne Begleitung nutzen dürfen.

Da ich U-Bahnen von Sydney bis New York kenne und diese durchaus eigenständig nutze, erschließt sich mir nicht, warum das in Wien anders sein soll. Ich kann schon auf mich selber aufpassen. Und deshalb habe ich gegen die Wiener Linien ein Schlichtungsverfahren angestrengt. Wenn dieses scheitert hätte ich sogar ein Klagerecht, aber danach sieht es nach dem Termin am 27. März 2006 nicht aus.

Schlichtungsverfahren gegen die Wiener Linien

Ich habe ein Schlichtungsverfahren gegen die Wiener Linien auf Grundlage des Österreichischen Behindertengleichstellungsgesetz initiiert. Österreich ist uns Deutschen zumindest in einem voraus: Sie haben seit 1. Januar ein Behindertengleichstellungsgesetz, das auch die Wirtschaft einbezieht. Behinderte Menschen dürfen nicht diskrimiert werden, das gilt auch für Wirtschaftsunternehmen. Wer sich diskriminiert fühlt, kann ein Schlichtungsverfahren einleiten. Scheitert das, landet die Sache unter Umständen vor Gericht.

Das Schlichtungsverfahren fand im Bundessozialamt statt. Dort ist ein Raum eingerichtet, der einem Gerichtssaal ähnelt. Vorne sitzen zwei Mitarbeiterinnen des Amtes, eine schreibt mit, die andere führt die Verhandlung.

Wiener Linien wollen Beförderungsbedingungen ändern

Die Wiener Linien zeigten sich sehr gesprächsbereit und erklärten, sie hätten selbst ein Interesse daran, die Beförderungsbedingungen zu ändern. Das Verkehrsministerium habe ihnen diese Auflage gemacht.

Dieses begründe das wie folgt: Die U6 habe nämlich keine so genannten Prallwände. Wenn die Bahn scharf bremst oder sogar auf eine andere Bahn auffährt, bestehe die Gefahr, dass Rollstuhlfahrer zur Gefahr für andere Fahrgäste werden – mein Rollstuhl, meine Waffe. Die Begleitperson soll dafür Sorge tragen, dass Rollstuhlfahrer nicht durch die Bahn fliegen. Dass die Begleitperson bei einem Aufprall als erstes einmal selbst fliegt, scheint keine Rolle zu spielen.

Ich war mal in einem Bus bei einem Auffahrunfall und kann sagen, dass ich die einzige war, die noch stand nach dem Knall. Für mich ging die Gefahr von den Leuten aus, die über mich drüber flogen. Ist halt alles eine Frage der Sichtweise.

Jedenfalls haben die Wiener Linien bei dem Schlichtungstermin berichtet, dass das Verkehrsministerium nicht mehr die aufsichtsführende Behörde sei. Sie sind bereit, mit Beteiligung der Behindertenverbände, einen Antrag auf Änderung der Beförderungsbedingungen bei der neuen aufsichtsführenden Behörde zu stellen. Seit 2005 ist nämlich eine Abteilung der Stadt Wien zuständig.

Die Beförderungsbedingungen könnten also schon länger geändert sein. Bis die Stadt Wien eine Entscheidung getroffen hat, ist die Schlichtung ausgesetzt. Aber ich bin zuversichtlich, dass der Slogan der Wiener Linien „Die Stadt gehört Dir“ bald auch für Rollstuhlfahrer gilt.

P.S.: Mein Dank gilt übrigens schon jetzt den engagierten Menschen von BIZEPS, die sich im österreichischen Recht weit besser auskennen als ich und mich unterstützen.

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