Gericht stellt fest: Zustände in Wiener Psychiatrie „wirklich katastrophal“

Demgegenüber wird im Abschlussbericht der Untersuchungskommission des Wiener Gemeinderats, der von den SPÖ-Mitgliedern formuliert wurde, festgestellt, dass es im Bereich der Psychiatrie in Wien "keine Missstände gibt".

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Ein Gerichtsurteil bestätigt, entgegen den Aussagen der Mehrheitsfraktion der SPÖ im Wiener Rathaus, jene Aussagen des Minderheitsberichts zur Untersuchungskommission des Wiener Gemeinderats, der aufzeigte, dass Menschenrechtsverletzungen an Menschen mit psychischen Behinderungen in der Bundeshauptstadt an der Tagesordnung sind.

Der Minderheitsbericht der Untersuchungskommission des Wiener Gemeinderates, der von den Fraktionen der ÖVP und der Grünen erstellt wurde, spricht von gravierenden Missständen in der Versorgung von psychiatrischern Patienten im Verantwortungsbereich der Gemeinde Wien.

Demgegenüber wird im Abschlussbericht der Untersuchungskommission des Wiener Gemeinderats, der von den SPÖ-Mitgliedern formuliert wurde, festgestellt, dass es im Bereich der Psychiatrie in Wien „keine Missstände gibt“.

Dem Minderheitsbericht ist zu entnehmen, dass die von der Psychiatriereform 1979 beschlossenen Dezentralisierungspläne bis heute nur äußerst lückenhaft realisiert worden sind. Dies hat zusammen mit anderen Entwicklungen zu einer Reihe von gravierenden Missständen geführt, die die Patienten aber auch das gesamte Personal in den jeweiligen Spitälern betreffen. Der Bericht spricht von einem „umfassenden und massiven Ressourcenmangel“ und von einem „tiefgehenden Versagen der Führungsebene im KAV“ (Wiener Krankenanstaltenverbund).

Wie wird nun in Teilen der Wiener Psychiatrie mit psychisch behinderten Menschen umgegangen?

  • Obwohl Netzbetten im westlichen europäischen Ausland so gut wie nicht bekannt sind und das Anti-Folter-Komitee des Europarats den Gebrauch von Netzbetten als menschenunwürdig klassifiziert, werden behinderte Menschen in Netzbetten untergebracht und müssen wie wilde Tiere in einem Käfig den Tag verbringen. Ihre Intimsphäre und ihr Sicherheitsbedürfnis werden dadurch permanent verletzt. Dies ist ein eindeutiger Verstoß gegen die UN-Konvention zur Förderung und zum Schutz der Rechte und Würde der Menschen mit Behinderungen.
  • Besonders schlimm ist die Lage in der Kinder- und Jugendpsychiatrie: Obwohl die Mängel den Verantwortlichen bereits seit 1975 bekannt sind, existiert noch immer eine flächendeckende Unterversorgung, die dazu geführt hat, dass in Wien rund 20 % aller betroffenen Kinder und Jugendlichen in die Erwachsenenpsychiatrie aufgenommen werden müssen und ihnen dadurch die ihrem Alter adäquate Behandlung vorenthalten wird.
  • Es fehlt an Fachärzten, Psychologen, Therapeuten und an Pflegepersonal.
  • Es herrscht eine desolate bauliche Situation: Noch immer sind Sechs-Bettzimmer, unzureichende sanitäre Anlagen, der Mangel an jeglicher Intimsphäre traurige Realität.

Nunmehr hat auch ein Wiener Gericht laut einem Bericht im „profil“ (Ausgabe 20/09) festgestellt, dass die Zustände in der Wiener Psychiatrie „wirklich schlimm“ und die Personalsituation „wirklich katastrophal“ sei.

Dennoch haben die politisch Verantwortlichen, Bürgermeister Dr. Michael Häupl (SPÖ), Vizebürgermeisterin Mag. Renate Brauner (SPÖ) und Mag. Sonja Wehsely (SPÖ) laut der Einschätzung des Minderheitsberichtes ihre politische Verantwortung nicht wahrgenommen.

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