Haiti – zwei Jahre nach der Katastrophe

Genau am Mittwoch (12.1.) vor zwei Jahren hat ein verheerendes Erdbeben den Karibikstaat Haiti erschüttert und die 4,5 Millionen Einwohner Haupstadt Port-au-Prince nahezu vollkommen zerstört.

Sehbehindertes Kind zwischen Trümmern zerstörter Gebäude
CBM/Grossmann

230.000 Menschen sind durch die Naturkatastrophe ums Leben gekommen. Millionen haben ihr Zuhause verloren. Mehr als 300.000 wurden durch Verletzungen zu Menschen mit Behinderungen. Diese sogenannten „Zweitopfer“ unterstützt LICHT FÜR DIE WELT mit lokalen Partnerorganisationen seit nunmehr zwei Jahren. 24 Physiotherapeuten arbeiten in neun Rehabilitationszentren.

Es wurden über 43.000 Rehabilitationseinheiten geleistet und 23.000 psychosoziale Behandlungsstunden durchgeführt. Mehr als 2.000 Behelfe wie Prothesen, Krücken und Rollstühle wurden angepasst und ausgegeben.

Der damals 8-jährige Sebastien war nach dem großen Beben drei Tage lang verschüttet. Sein Onkel, den er seitdem Papa nennt, hat ihn mit bloßen Händen ausgegraben. Sebastiens rechtes Bein konnte nicht gerettet werden, es musste am 18. Jänner 2010 amputiert werden.

„Ich habe geglaubt, ein Auto würde in unser Haus fahren“, beschreibt der aufgeweckte Bub seine letzten Gedanken, als im Jänner die Erde minutenlang bebt und eine Hausmauer über ihm zusammenbricht. Seine Mutter stirbt, vom Vater fehlt jede Spur. Zwei Jahre später lebt Sebastien gemeinsam mit seinem Onkel in einem kleinen Haus mit zwei Zimmern. Manchmal schießen ihm noch immer die Erinnerungen an die Zeit unter den Trümmern durch den Kopf. Auch die Schmerzen sind nach wie vor da und lassen ihn die Katastrophe nicht vergessen.

Da Sebastien noch wächst, muss seine Beinprothese, die er durch ein Projekt von LICHT FÜR DIE WELT bekommen hat, von den Ärzten immer wieder verlängert und an seine Körpergröße angepasst werden. Bis heute kann Sebastien nicht geradeaus gehen und muss alle drei Monate ins Krankenhaus. Das Schicksal von Sebastien ist nur eines von vielen hunderttausenden und symptomatisch für die andauernde Katastrophe in Haiti.

Port-au-Prince versinkt von Hügeln eingekesselt in Schutt und Asche

Die zuvor ohnehin schon magere Infrastruktur in einem der ärmsten Länder der Welt wurde fast gänzlich zerstört. 90 Prozent aller Akten und Daten im Verwaltungsbereich wurden vernichtet. Viele tausende Beamte sterben beim Erdbeben, als sie während ihrer Arbeitszeit im Büro sitzen. Trümmer, Schutt und Asche in der Hauptstadt sind immer noch nicht beseitigt. Rund 80.000 Gebäude in der Hauptstadt Port-au-Prince sind beim Beben eingestürzt.

Im Oktober 2011 gibt die UNO bekannt, dass etwa die Hälfte der auf 10 Millionen Kubikmeter geschätzten Überreste geräumt worden sei; 50 Prozent davon würden zerkleinert und verarbeitet, um als Material beim Haus- und Straßenbau verwendet zu werden.

LICHT FÜR DIE WELT setzt gemeinsam mit der deutschen Christoffel Blindenmission, die bereits seit mehr als 30 Jahren in Haiti tätig ist, alles daran, der betroffenen Bevölkerung zu helfen. Direkt nach dem Beben stellte LICHT FÜR DIE WELT Lebensmittel, Wasser und Behelfsunterkünfte zur Verfügung und versorgte Erdbebenopfer medizinisch. Von Anfang an war die Strategie aber auf die langfristige Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen, vor allem der Menschen mit Behinderungen, angelegt. So unterstützt LICHT FÜR DIE WELT gemeinsam mit Partnerorganisationen den Wiederaufbau von medizinischer Infrastruktur, wie der Augenabteilung an der Universitätsklinik in Port-au-Prince.

Elendsviertel Zeltlager

Von einem systematischen Wiederaufbau ist in der Hauptstadt wenig zu sehen. Auf der einstigen weiten Grünfläche neben dem Regierungsviertel, am Champs-de-Mars, drängen sich weiterhin Zehntausende von Obdachlosen in Zeltlagern, die längst zu dauerhaften Slum-Provisorien mit allerlei Kleinhandel, Dienstleistungen und weniger ehrbaren Aktivitäten geworden sind.

Laut Zahlen der UNO leben im Gebiet der Hauptstadt insgesamt noch immer rund eine halbe Million Menschen in Notlagern. Sie nehmen dies in Kauf trotz schlimmster hygienischer Bedingungen, Enge und Unsicherheit: Menschenrechtsorganisationen haben eine „Epidemie von Vergewaltigungen“ angeprangert. Die Menschen hier erdulden viel, auch weil Hilfsorganisationen hier wenigstens für das Lebensnotwendige sorgen. Besonders Säuglinge, Kinder, Menschen mit Behinderungen, alte Menschen und Frauen sind anfällig für Gewalt, Ausbeutung, Misshandlung und Mangel an adäquatem Schutz und Unterstützung. Der Ausbruch der Cholera in den meisten Regionen Haitis hat tausende Opfer gefordert und ist noch immer eines der größten Probleme.

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