Vermutet Parteipolitik hinter der Kritik am Behindertengleichstellungsgesetz
„Es ist wichtig, dass behinderte Menschen auf ihre Anliegen aufmerksam machen und ihre Probleme ernst genommen werden“, sagte heute, Dienstag, ÖVP-Behindertensprecher Abg.z.NR Dr. Franz-Joseph Huainigg anlässlich der Mahnwache des Aktionsbündnisses vor der ÖVP-Bundespartei.
Man hätte jedoch für die Kundmachung den falschen Zeitpunkt und den falschen Ort gewählt. Die ÖVP habe es sich zum Ziel gesetzt, in der Behindertenpolitik einen längst fälligen Paradigmenwechsel weg von Mitleid und Almosen hin zu Selbstbestimmung, Integration, Gleichstellung und einer „inklusiven Gesellschaft“ zu vollziehen.
Bereits im Koalitionsübereinkommen wurde unter der Verhandlungsleitung von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel das Vorhaben eines Behindertengleichstellungsgesetzes fixiert, was auch von den Selbstbestimmt-Leben-Initiativen begrüßt worden sei. „Die jetzige Bundesregierung hat es im Gegensatz zu den vorherigen nicht gescheut das komplexe Anliegen dieser Querschnittsmaterie umzusetzen“, so Huainigg.
Unter Bundesminister Haupt wurde im BMSG eine Arbeitsgruppe unter Einbeziehung von betroffenen ExpertInnen eingesetzt, welche innerhalb von nicht einmal zwei Jahren eine Regierungsvorlage ins Parlament eingebracht habe. Bereits am 8. März passierte der Gesetzesentwurf zusammen mit der verfassungsrechtlichen Anerkennung der Gebärdensprache den Ministerrat.
„Wichtige Eckpunkte des BGStG sind die Barrierefreiheit, ein Belästigungs- und Diskriminierungsverbot, ein weisungsfreier Behindertenanwalt sowie das Schlichtungsverfahren, das Einzelklage- und Verbandsklagerecht zur raschen Rechtsdurchsetzung“, erläutert der ÖVP-Behindertensprecher.
„Der Vergleich macht uns sicher, dass wir diese Woche im Parlament ein Gesetz beschließen werden, das den Alltag behinderter Menschen wesentlich verändern wird.“ Das deutsche Gleichstellungsgesetz beziehe sich nur auf den Neubestand, das Einzelklagerecht fehle vollkommen und auch der privatwirtschaftliche Bereich sei völlig ausgenommen.
„So billig wollten wir es uns nicht machen!“, sagte Huainigg und führte weiter aus, dass „die heutige Mahnwache offenbar parteipolitisch motiviert ist“. Man wolle einer christlich-sozialen Partei einfach nicht zugestehen, dass sie sich für Bürger- und Menschenrechte einsetze. Der schwache Entwurf in Deutschland sei hingegen von der dortigen Selbsbestimmt-Leben-Bewegung durchaus begrüßt worden, „er ist ja auch von einer rot-grünen Regierung“, stellte der ÖVP-Behindertensprecher fest.
Huainigg bedauerte, dass die Selbstbestimmt-Leben-Bewegung den Begutachtungsentwurf im Gesamten abgelehnt hat und deshalb Gespräche darüber nie zu einem Ergebnis führen konnten. Der bisher eingeschlagene Weg zur Gleichstellung behinderter Menschen werde von dieser Bundesregierung konsequent weitergeführt.
„Bereits im Herbst werden wir im Rahmen eines Bündelgesetzes bestehende Berufzugangsbeschränkungen aufheben“, so Huainigg. Künftig können behinderte Menschen zum Beispiel nicht mehr vom Lehrer- oder Richterberuf pauschal ausgeschlossen werden.
„Ich bedaure es sehr, dass die Beschlussfassung des Behindertengleichstellungsgesetzes, eine langjährige Forderung der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung, nicht gemeinsam gefeiert werden kann, werde aber auch weiterhin für den breiten Dialog mit allen Interessensvertretungen behinderter Menschen offen sein.“ Der nächste Anlass werde die Vorlage der Bundesregierung zum Bündelgesetz sein, erklärte Huainigg.
Weiters zeigt sich Huainigg erfreut über die vom Aktionsbündnis überreichten Geschenke. „Das Hühnchen ist Gott sei Dank schon gerupft, denn mit Federn würde es nicht so gut schmecken“ und der Bonsai sei ein positives Zeichen für die Nachhaltigkeit des BGStG, da diese verkrüppelten Bäumchen eine Lebenserwartung von mehreren Jahrhunderten hätten und ein Zeichen der Freundschaft seien. „Ein gutes Maskottchen für ein nachhaltiges Gleichstellungsgesetz“, schloss der ÖVP-Behindertensprecher.